Google
Foto von Greg Bulla, thx! (Unsplash License)

Google googelt Google – Spiegelbests erster Kommentar

Wir schreiben, um bei Google gefunden zu werden. Damit schreiben wir so, wie Big G. es fordert. Schreiben wir eigentlich noch selbst ?!?

Thema Google. Ich war recht blauäugig auf meinem alten Blog. Wenn mir was einfiel, habe ich es ziellos in Worte gefasst. Ist schwer, ein Thema zu finden, auf dem nicht bereits herumgetwittert wird. Nichts Abseitiges wie den Bund der Waldmenschen oder die Piratenpartei, sondern etwas, das unterhalb der Netzoberfläche schon sichtbar schwimmt. Aber eben noch keine Gestalt hat und keine Chorblogger backstage.

Spiegelbests erster Kommentar bei Tarnkappe.info

Nun, so etwas gefunden – das Leichte ist das Schwerste – habe ich losgebloggt. Ich habe immer eine ganze Menge Klicks gehabt. So um die 1.500 pro Tag sind nicht schlecht für einen Schrägblogger. Erst jetzt verstehe ich, dass ich die Aufmerksamkeit des Netzes bekommen habe, nur weil mein Nick bekannt ist. Von den zwei Großthemen des Internets – Porno und Filesharing – habe ich eins berührt.

Hier bei Tarnkappe.info verstehe ich, dass ich mich unverzeihlicherweise nicht um die SEO gekümmert habe. Falls ihr das Kürzel nicht kennt, es bedeutet nichts anderes als Search Engine Optimierung, und ist der Versuch, die Googlesuche zu schmieren. Jetzt vorgestellt, ich hätte weder bei ‚Filesharing‘ noch bei ‚Porno‘ einen vielgeklickten Nick gehabt, was wäre dann gewesen …?

Und wenn ihr denkt, dies gelte nur für mich, dann liegt ihr falsch. Ihr könnt gerne eine bekannte Bloggerin wie Sibylle Berg vom SPIEGEL nehmen, die sehr eigene Themen hat. Ohne den SPIEGEL und ohne ihre Prominenz hätte sie vermutlich einen Visitor – sich selbst. Was nicht mal schlecht sein muss. Schließlich ist ein Blog ein Tagebuch. Geht ja niemand etwas an, was da geschrieben steht ;-)

Ihr müsst euch SEO wie eine Kleiderordnung vorstellen. Ihr kommt halt nicht bei Google (und ins Netz) rein, wenn ihr nicht passend gekleidet seid. Im Bild unten seht ihr wie das SEO-Plugin von Yoast meinen Artikel beurteilt, was von der Socke bis zur Haarwelle die geltende Etikette ist:

Alles nicht so schlimm!? In einer Schülerzeitung könnt ihr auch nicht lospinnen, jedenfalls nicht gedruckt. Da wollen der Vertrauenslehrer, der Elternbeirat, der Sponsorenverein, der Direktor nebst Gattin einen Blick auf den Text werfen. Und am Ende lest ihr einen Text neben dem Vermögensplan der Sparkasse, den ihr nicht kennt und furchtbar findet. Ist halt so. Ihr wolltet ja Schülerredakteur werden. Das ist die Praxis, bitteschön.

Sichtbarkeit ist alles

Alle bekannten Blogs (der Rest ist dank SEO unsichtbar) schreiben für die Klicks, um für die Werbung bezahlt zu werden. Jeder von ihnen beherrscht die beherrschende Etikette. Google lässt zu und weist ab. Kleiderordnung eben. So surfen wir de facto von Werbeziel zu Werbeziel.

Kommt euch das nicht trostlos vor? Warum wird überhaupt gebloggt? So viel Geld ist da nicht zu verdienen. Wenn ich mich als wabbernde Cappuccino-Tasse umkleidet in die Fußgängerzone stelle, kann ich mehr verdienen. Ich schwitze zwar, aber mir gehören immerhin meine Gedanken noch.

Mein kleiner SEO Ratgeber ließe sich leicht als SEO Editor einsetzen. Ihr haltet das für abwegig? Nun, nehmt mal so eine Seite wie e-bucher.org. Dort werden Links gepostet, die es nicht geben kann, weil die Titel noch nicht erschienen sind. Das ist auch egal, weil die SEO funktioniert und die Werbung. Die Seite besteht aus nichts. Das ist ein Beispiel aus unserem Bereich. Oder nehmt mal Bloglovin.com. Die Seite ist nichts als ein SEO Aufsatz, der sich andere Blogs einverleibt hat. Quasi ein Kuckuckskind. Ein Script fragt Suchbegriffe ab und verlinkt Ergebnisse.

Die Googlesuche hat sich verselbständigt. Wir suchen nicht, wir werden besucht. Wir sehen nur ein Programm – immerhin in Farbe – und merken es nicht einmal. Aus der Googlesuche ist spiegelbildlich ein Googletext geworden.

Und ich darf mal fragen: Seid ihr sicher, dass ihr noch selbst denkt?

Anmerkung zu Google googelt Google (von Ghandy)

Vielen Dank, Spiegelbest. Sehr schön und überaus passend dazu ist das Interview der futurezone mit dem grünen EU-Politiker Jan Phillip Albrecht. Er spricht von einer „Markt- und Machtübernahme durch das Silicon Valley“. Diese geschah mit Unterstützung der US-Regierung, gänzlich ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Im Gespräch sagte er:

Wir sind alle freie Mitarbeiter bei Google, weil wir das System mit Daten speisen, ohne es zu merken. Weil wir unser ganzes Leben offenlegen und einspeisen in dieses System. Es kann nicht dramatisch genug erklärt werden, damit Menschen verstehen, in was sie sich hineinmanövriert haben, ohne es zu merken und zu wollen.“ Das Interview aus dem Vormonat trug höchst passend den Titel „Wir sind alle freie Mitarbeiter bei Google“. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird halt nicht gefunden. Man hat es so oder so in der Hand.

Tarnkappe.info