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Bulgarien: Wegen Klage spielt Radiosender BNR nur uralte Musik

Wegen eines Streits mit dem größten Rechteverwerter Musicautor sendet der Radiosender BNR nur Musik von vor 1946 - und die Zuhörer lieben es.

Seit Jahresbeginn hat der öffentlich-rechtliche bulgarische Radiosender BNR sein Musikprogramm vollständig umgestellt. „Radio Bulgaria“ (BNR) spielt wegen eines Streits um Lizenzgebühren ausschließlich vor 1946 veröffentlichte Musik und die Zuhörer sind begeistert, berichtet die „New York Times„.

BNR protestiert mit uralter Musik

Sonst wird Musik im Radio aus den Jahren vor 1946 wohl hauptsächlich von Spartensendern wiedergegeben. In Bulgarien gilt dies jedoch nun auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit einigen Wochen ist das nun die gängige Praxis auch für das bulgarische Nationalradio, denn zu hören ist dort nur noch alte Musik, wie klassische Musik, Jazz- und Konzertaufnahmen der traditionellen Volksmusik des frühen 20. Jahrhunderts aus den eigenen Archiven.

Die Ursache dafür liegt in einem Copyright-Streit zwischen dem Sender BNR und dem Rechteverwerter Musicautor. Der Radiosender gab bekannt, er wäre gezwungen gewesen, seine Musikangebote umzustellen. Grund war die Rechteverwertungsorganisation Musicautor, eine unabhängigen Rechteorganisation, die die Verteilung von Millionen von bulgarischen und ausländischen Liedern kontrolliert. Musicautor habe für 2017 den vierfachen Preis für den eigenen Musikkatalog verlangt – eine Steigerung von 500.000 Lew (rund 255.000 Euro) auf 1,8 Millionen Lew (rund 920.000 Euro); eine enorme Preiserhöhung von 360 Prozent, die man schrittweise über die nächsten drei bis vier Jahre durchsetzen wollte.

Als Reaktion darauf hat BNR aufgehört, sich aus dem Musicautor-Katalog mit Millionen bulgarischen und ausländischen Songs zu bedienen und beschränkt sich auf nicht betroffene Musik von vor 1946, denn das Urheberrecht gilt zeitlich nicht unbeschränkt. Es gilt regelmäßig bis zu 70 Jahre nach Tod des jeweiligen Urhebers. Nach Ablauf der Schutzdauer werden die Werke gemeinfrei, das heißt, sie können von jedermann verwendet werden.

Verwertungsgesellschaft nutzt Marktmacht widerrechtlich aus

Das völlig Unerwartete an der Sache ist, dass die Zuhörer Gefallen an der drastischen Programmumstellung finden. Bereits im Januar sind die Zuhörerzahlen um 20 Prozent gestiegen. „Wir hatten einige Bedenken, aber die Leute rufen uns an, uns zu sagen, dass sie die Musik wirklich genießen“, sagte Nikoleta Elenkova, Sprecherin des bulgarischen Nationalradios. Der Generaldirektor von BNR, Alexander Velev, glaubt, dass der Wandel in der Musik ebenso wie die jüngsten politischen Ereignisse und Nachrichten mögliche Gründe für das verstärkte Musikinteresse nach vergangenen Zeiten sei und beruft sich dabei auf Zahlen des Marktforschungsinstituts Ipsos Bulgaria, laut Nachrichtenportal balkaninsight.com.

Die Auseinandersetzung wird wohl vor Gericht geregelt. BNR strebt eine Wettbewerbsklage gegen Musicautor an und bezichtigt den größten Rechteinhaber, seine Marktposition widerrechtlich auszunützen. Der Rechteverwerter reagierte mit einer eigenen Klage darauf. Er behauptet, der Sender hätte mittlerweile hunderte Songs gespielt, für die er eigentlich eine Lizenz benötigt hätte. Kein anderer staatlicher Radiosender in Europa hätte bisher so wenig für die Musikrechte bezahle wie BNR, heißt es in einer Mitteilung der englischsprachigen Nachrichtenagentur „Novinite“.

Inzwischen hat sich auch das Kulturministerium eingeschaltet und will zwischen beiden Seiten eine Übereinkunft erzielen. Sowohl bulgarische, als auch ausländische Künstler haben BNR mittlerweile das Recht eingeräumt, einige ihrer Werke bis Jahresende ohne Entgelt wiedergeben zu dürfen.

Fazit

Programmchef Alexander Velev aber will nun einige Konsequenzen aus dem unerwarteten Erfolgsrezept ziehen, wie Deutschlandfunk berichtet. Demnach kündigte er inzwischen mehrere Spartenkanäle an, die lizenzfreie Musik online streamen sollen. Auch für das Hauptprogramm werde man Schlussfolgerungen ziehen, hieß es. Zudem werde Radio Bulgaria künftig die Musikwünsche seiner Hörerinnen und Hörer mit Marktforschung ermitteln. All das zusammen könnte zu einer Reform seines Musikprogramms führen, kündigte Velev an.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.