Die WIPO will DNS-Provider haftbar machen können, sollten diese sich gegen angeforderte Netzsperren gegen Piratenseiten zur Wehr setzen.
Der beratende Ausschuss für Rechtsdurchsetzung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nimmt DNS-Provider ins Visier, um den Zugriff auf Piratenseiten für zahlreiche Anwender zu blockieren. Im Zweifel sollen die Unternehmen sogar als sekundäre Rechtsverletzer haftbar gemacht werden. Laufende Gerichtsverfahren gegen Quad9 und Cloudflare könnten sich dabei als wegweisend herausstellen.
Der Kampf gegen Piraterie ist immer auf Dritte angewiesen
Der Kampf gegen Piraterie ist für Rechteinhaber nach wie vor kein einfaches Unterfangen und hängt immer auch von der Mitarbeit Dritter ab. Dazu zählen vor allem Unternehmen aus dem Tech-Sektor. Doch wenn diese nicht freiwillig im Kampf gegen Piraterie kooperieren, sind Gerichtsverfahren oftmals die Folge. Diese sollen schließlich eine Verpflichtung zur Umsetzung effektiver Anti-Piraterie-Maßnahmen nach sich ziehen.
Doch damit ernennt man Internet- und DNS-Provider, Suchmaschinen, Hosting-Anbieter, Social-Media-Dienste und Werbefirmen zum Teil des Problems, indem man sie für ihre Beteiligung an Piraterie verantwortlich macht, sofern sie nicht aktiv dagegen vorgehen. Eine Perspektive, die mittlerweile globale Ausmaße annimmt.
DNS-Provider als beliebter Angriffspunkt gegen Piraterie
Zuletzt waren vor allem DNS-Provider immer wieder ins Rampenlicht der Rechteinhaber gerückt. Das hat offenbar die Aufmerksamkeit der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) auf sich gezogen. Denn das Domain Name System (DNS) ist ein fundamentaler Baustein, ohne den das Internet in der Form, wie wir es heute kennen, gar nicht funktionieren würde. Es übersetzt zwischen IP-Adressen und leicht zu merkenden Namen. Somit müssen Anwender sich nicht von jeder Webseite, die sie besuchen wollen, eine nichtssagende IP-Adresse merken.
Ein guter Angriffspunkt, um Netzsperren durchzusetzen – zumindest für den Durchschnittsanwender, der nicht weiß, wie er eine solche Sperre umgehen kann. Denn wenn das DNS einen gesperrten Namen nicht mehr in die dazugehörige IP-Adresse übersetzt, erscheint auch keine Webseite im Browser. Es liegt also auf der Hand, dass eine DNS-Sperre auf „thepiratebay.org“ dazu führt, dass viele Benutzer die dahinterliegende Seite mit ihren urheberrechtlich geschützten Werken nicht mehr erreichen können. Zumindest den Rechteinhabern scheint diese Maßnahme zu gefallen.
FMovies zeigt, wie ineffektiv DNS-Sperren wirklich sind
Wie TorrentFreak berichtet, hat die WIPO laut einer Präsentation vor allem das beliebte Portal FMovies als Beispiel aufgegriffen. Denn mit fast 87 Millionen monatlichen Zugriffen ist diese Piratenseite vermutlich derzeit eine der beliebtesten Quellen für Video-on-Demand-Inhalte. Doch trotz zahlreicher bereits durchgesetzter DNS-Sperren gegen FMovies wächst der Datenverkehr der Seite, die über mehrere verschiedene Domains verfügt, weiter an.
Und wie die Präsentation herausstellt, sind DNS-Anbieter ja auch gar nicht in der Lage, rechtsverletzende Inhalte effektiv zu entfernen. DNS-Sperren kommen für gewöhnlich immer nur als das letzte Mittel zum Zuge, wenn alle anderen Maßnahmen versagt haben. Dennoch sucht die WIPO Wege, um die Provider im Zweifelsfall unter Druck setzen zu können.
„Den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Rechtsprechung fehlt ein klares Bild auf internationaler und nationaler Ebene. Die Rechtsprechung erörtert hauptsächlich die Haftung als sekundäre Rechtsverletzer, wenn DNS-Anbieter strukturell urheberrechtsverletzende Websites bedienen. Dies setzt in der Regel Vorsatz voraus, der durch eine Anzeige nachgewiesen werden könnte.“
WIPO
Laufende Verfahren gegen Quad 9 und Cloudflare könnten wegweisend sein
Laufende Gerichtsverfahren gegen Quad9 und Cloudflare könnten hier in Zukunft eine Richtung vorgeben, indem sie Präzedenzfälle schaffen. Beide Unternehmen wurden schließlich auf die Rechtsverletzung hingewiesen und wehren sich dennoch gegen die Durchsetzung der angeforderten Netzsperren. Und das ist wichtig – steht doch am Ende die Freiheit des Internets auf dem Spiel. Denn sind diese DNS-Sperren einmal durchgesetzt, nehmen sich auch andere Länder ein Beispiel daran und wenden sie auf ähnliche Situationen an.
Auch weniger Aggressivität gegen DNS-Provider ist denkbar
Doch es gibt auch weniger aggressive Vorschläge, bei denen Gerichte mitunter gar nicht involviert sind und direkte Vereinbarungen zwischen den Rechteinhabern und den DNS-Anbietern im Vordergrund stehen.
Oder auch Verfahren, bei denen sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen und sich gegenseitig nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit respektieren.
„Damit werden die Rechte der Urheberrechtsinhaber, die Rechte der Vermittler und die Rechte der Internetnutzer auf Zugang zu Informationen gegeneinander abgewogen. Wichtig ist, dass es keinen Konflikt gibt, und solange die Antragsteller das Verfahren einhalten, wird die Sperrung vom Gericht in der Regel gebilligt.“
TorrentFreak
Zu beachten ist, dass die dem Bericht zugrunde liegende Präsentation lediglich die Ansicht der Autoren wiedergibt. Diese stimmt nicht zwangsläufig mit der Meinung anderer WIPO-Mitglieder überein. Bei den Autoren handelt es sich um den führenden deutschen Urheberrechtsanwalt Jan Bernd Nordemann sowie Dean S. Marks, ehemaliger stellvertretender General Counsel und Leiter des Bereichs Global Content Protection bei der MPA.
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