Urheberrechtsverletzungen
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EuGH: Verbot kommerzieller Links auf Urheberrechtsverletzungen

Der EuGH entschied, dass bereits das bloße Verlinken auf online zugängliche Inhalte eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im Fall Sanoma v. GS Media (oft auch: Playboy v. GeenStijl) am Donnerstag, dem 08.09.2016 in Luxemburg. Schon das bloße Verlinken auf online zugängliche Inhalte stellt nach Ansicht des EuGH eine Urheberrechtsverletzung dar könnte.

Mit seiner Entscheidung schränkt der EuGH die Linkfreiheit ein, weil demnach bereits das bloße Verlinken auf online zugängliche Inhalte eine Urheberrechtsverletzung begründen kann. Wer kommerziell auf Inhalte verlinkt, die das Urheberrecht verletzten, muss künftig beweisen, dass er das nicht gewusst hat. Mit diesem Grundsatzurteil schützt der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwar private Internetnutzer. Gleichzeitig setzt das Gericht kommerzielle Nutzern enormen Haftungsrisiken aus.

Anlass des Urteils war ein Fall aus den Niederlanden: Die TV-Moderatorin Britt Dekker ließ sich 2011 für den Playboy fotografieren. Doch noch bevor man das Heft käuflich erwerben konnte, hatten Unbekannte diese Playboy-Nacktfotos schon ohne Zustimmung des Playboy auf der Website des australischen Filehosters Filefactory.com veröffentlicht. Trotz entsprechender Aufforderungen des Verlags (Sanoma) hatte sich das News-Portal geenstijl.nl („Kein Stil“) geweigert, den Link zu entfernen. Nachdem die Fotos in Australien auf Betreiben von Sanoma entfernt worden waren, hatte Geenstijl eine weitere Seite mit den Fotos auf Imageshack.us gefunden. Sie hat man dann ebenfalls verlinkt. Auch dort musste man die die Fotos schließlich auf Verlangen des Playboy entfernen. Internetnutzer hätten im Forum von Geenstijl daraufhin neue Links zu anderen Websites mit den Fotos gesetzt. Schließlich habe das Magazin Playboy Geenstijl wegen der Urheberrechtsverletzung verklagt.

Urheber darf selbst über Nutzung entscheiden

Grundsätzlich kann der Urheber frei entscheiden, wer sein Werk öffentlich wiedergeben darf und wer nicht. Der Urheber ist hier der Fotograf, der dem Playboy-Verlag ein Nutzungsrecht eingeräumt hat. Damit konnte der Playboy nun gegen die australische Webseite vorgehen. Doch das oberste Gericht der Niederlande wollte vom EuGH wissen, ob der Playboy auch gegen den Link von Geenstijl vorgehen konnte. Eigentlich sei der Link ja keine öffentliche Wiedergabe, weil die Fotos auf der australischen Seite schon öffentlich waren. Andererseits waren sie dort aber für die niederländischen Interessenten nicht gerade leicht auffindbar.

Der EuGH hat nun erstmals Maßstäbe zur Lösung dieses Problems entwickelt. Er geht davon aus, dass das EU-Urheberrecht einerseits ein „hohes Schutzniveau“ für die Rechte-Inhaber sichern will, dass aber auch das Verlinken von Inhalten wichtig für die Meinungs- und Informationsfreiheit unserer Gesellschaft ist. Die Richter unterscheiden dann zwei Gruppen: nichtkommerzielle und kommerzielle Internetnutzer.

In seiner Entscheidung betont das Gericht die Bedeutung von Links für die Meinungsfreiheit und die Schwierigkeit, die Rechtmäßigkeit der Inhalte zu beurteilen. „Insbesondere für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollen, kann es sich tatsächlich als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob es sich um geschützte Werke handelt“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichtes. Insofern seien Links, die man ohne Gewinnerzielungsabsicht oder Kenntnis der Rechtswidrigkeit setzt, weiterhin zulässig.

Der EuGH setzt jedoch eine Grenze, wenn der Verlinkende wusste oder wissen musste, dass er eine Urheberrechtsverletzung verlinkt. „Wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, kann von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk nicht unbefugt veröffentlicht wurde“, schreibt das Gericht.

Im vorliegenden Fall stehe fest, dass der Verlag GS Media die Links aus Gewinnerzielungsabsicht veröffentlicht habe. Und auch, dass der Rechteinhaber dieser Veröffentlichung nicht zugestimmt hatte. Dass diese unzulässige Verlinkung mit voller Absicht und Kenntnis erfolgt sei, habe der beklagte Verlag vor niederländischen Gerichten nicht widerlegen können.

Damit stellten sich die Richter gegen den Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts Melchior Wathelet. Dessen Ansicht nach handelte es sich bei einer Verlinkung nicht um eine „Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit“, die nur mit Zustimmung des Rechteinhabers erlaubt sei. Jede andere Auslegung dieses Begriffs würde „das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen“ und die Verwirklichung eines Hauptziels der EU-Urheberrechtsrichtlinie, „nämlich die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa, gefährden“, hatte Wathelet argumentiert. Bestehe für die Internetnutzer durch das Verlinken von frei zugänglichen Werken auf anderen Webseiten die Gefahr, „gerichtlich wegen Verletzung von Urheberrechten belangt zu werden, würden sie noch mehr davor zurückscheuen, solche Links zu setzen“.

Fazit

Wer Links „zu Erwerbszwecken“ setzt, muss nun also generell vorher prüfen, ob es auf der verlinkten Seite Urheberrechtsverletzungen gibt. Wenn ein Link auf eine Seite mit Urheberrechtsverletzungen führt, vermutet man, dass der kommerzielle Linksetzer dies wusste. Es findet also eine Beweislastumkehr statt. Der kommerzielle Nutzer kann die Haftung für die Urheberrechtsverletzung nur dann vermeiden, wenn er beweist, dass er davon nichts wusste. Zum Beispiel, weil der unerlaubt veröffentlichte Text oder das unerlaubt veröffentlichte Foto erst nach dem Setzen des Links auf die verlinkte Seite gestellt wurde.

Wer hingegen das Internet ohne „Gewinnerzielungsabsicht“ nutzt, kann weiterhin relativ sorglos fremde Seiten verlinken. Er muss nicht prüfen, ob es dort vielleicht Urheberrechtsverletzungen gibt. Eine (unerlaubte) öffentliche Wiedergabe läge nur vor, wenn der Linksetzer weiß, dass der Link auf unerlaubte, veröffentlichte Inhalte zielt. Wie es z.B. der Fall wäre, wenn er vom Rechte-Inhaber darauf hingewiesen wurde.

Kritik an dem Urteil kam von IT-Fachanwalt Thomas Stadler. „Wie so häufig beim EuGH ist keinerlei Dogmatik mehr erkennbar, es handelt sich um eine mehr oder weniger beliebige Billigkeitsrechtsprechung“, schrieb er in einem Blogbeitrag. So stelle sich die Frage, wie journalistische Portale oder Blogs, die man mit einer Gewinnerzielungsabsicht betreibt, diese Vorgaben einhalten sollen. „Es wäre wohl naheliegender gewesen, denjenigen, der gezielt auf urheberrechtswidrige Inhalte verlinkt, als Mittäter oder Teilnehmer der fremden Urheberrechtsverletzung zu betrachten, anstatt die Frage zu stellen, ob er selbst durch seinen Link öffentlich wiedergibt“, sagte Stadler.

Urteil vom EuGH schränkt Medienfreiheit deutlich ein

Nach Ansicht des IT-Fachanwalts Nico Härting schränkt das Urteil die Medienfreiheit in Europa beträchtlich ein. „Denn das Online-Medium muss entweder alle verlinkten Inhalte juristisch prüfen oder auf Verlinkungen verzichten. Das eine wird sehr aufwändig und teuer. Das andere schränkt die Kommunikations- und Informationsfreiheit aller Nutzer beträchtlich ein“, schrieb Härting.

Der IT-Branchenverband Bitkom begrüßte das Urteil. Es schaffe Rechtssicherheit vor allem für die Betreiber nichtkommerzieller Webseiten, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Diesen könne nicht zugemutet werden, jeden Link zu überprüfen. „Kommerzielle Webseiten müssen dagegen darauf achten, dass sie nur auf urheberechtlich geschützte Inhalte verweisen, die legal im Internet veröffentlicht wurden“, sagte Rohleder. Allerdings gebe es eine „große Grauzone“ zwischen rein privaten und kommerziellen Webseiten. Offen bleibe dabei, in welcher Form Gerichte die Gewinnerzielungsabsicht auslegen werden. Auch in dieser Grauzone müsse Rechtssicherheit geschaffen werden.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.