Fake-Abmahnungen
Fake-Abmahnung
Bildquelle: Watchlist Internet

Fake-Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen im Umlauf

Kriminelle verschicken derzeit massenhaft Fake-Abmahnungen, doch die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei aus den USA gibt es gar nicht!!

Betrüger sind auf einen neuen Zug aufgesprungen. Sie setzen eine täuschend echt aussehende Webseite einer US-amerikanischen Kanzlei auf und verschicken dann E-Mails, um Webseitenbetreiber in ganz Europa abzumahnen. Sie hoffen, dass die Empfänger der Fake-Abmahnungen nicht genauer hinschauen, wer ihnen da geschrieben hat. Gemeint ist die „Kanzlei“ Commonwealth Legal Services, die eine illegale Nutzung eines angeblich kommerziellen Fotos abmahnt und dafür Schadenersatz einfordern will.

Fake-Abmahnungen: Foto existiert nicht auf der Website des „Auftraggebers“

Der Auftraggeber der Abmahnung soll angeblich der Hersteller Ice Bath Australia sein, doch auf dem Foto liegt eine Dame bei Kerzenschein ganz bequem im offensichtlich warmen Wasser. Das passt schon mal von vorne bis hinten nicht! Schaut man sich auf der Webseite des angeblichen Auftraggebers um, so fällt auf, dass es dort ein solches Foto gar nicht gibt. Die abgebildeten Personen baden in Eis und haben es eilig, das kalte Wasser ganz schnell wieder zu verlassen. Eigentlich müsste jedem klar sein, dass hier etwas nicht stimmen kann. Doch die Masche mit den Fake-Abmahnungen scheint trotzdem zu funktionieren.

Zunächst fordern die „Juristen“ man möge innerhalb von fünf Tagen die Quelle des Bildes inklusive Link auf der eigenen Webseite einfügen. Außerdem möchte man natürlich Geld sehen, was bei Abmahnungen ja nun nicht gerade unüblich ist. Ist die Summe vergleichsweise gering, prüfen viele nicht, sondern überweisen einfach, um die lästige Angelegenheit los zu werden. Das klappt ja sogar bei Mahnungen eines Inkassobüros für einen Einkauf, der allerdings nie stattgefunden hat.

Das Foto des Anwalts für Markenrecht, Noah Carter, hat eine KI kreiert, wie die Kollegen von Watchlist-Internet herausgefunden haben. Die Webseite der Commonwealth Legal Services gibt es zwar, doch in dem Gebäude gibt es gar keine Rechtsanwaltskanzlei. Zudem hat man die Domain der betrügerischen Webseite erst kurz vorher registriert. Das war bis zu dessen Abschaltung bei cwlexperts.life auch der Fall. Auch das Foto der badenden Frau, dessen Nutzung in der Fake-Abmahnung beanstandet wird, ist gemeinfrei. Bilder von Pexels dürfen von kommerziellen Webseitenbetreibern kostenlos genutzt werden, was zu keiner Abmahnung führen darf.

Die nachgemachte Webseite der angeblichen Kanzlei sieht täuschend echt aus!

Sind Abmahnungen aus den USA überhaupt hierzulande gültig?

Jein, das dortige Copyright kommt hier nicht zum Einsatz. Aber ein Werk ist in Deutschland nach dem Urheberrecht geschützt, auch wenn es aus den USA stammt. Amerikanische Rechteinhaber dürfen in Deutschland wegen Urheberrechtsverletzungen (z. B. beim Filesharing, illegale Nutzung von Bildern etc.) abmahnen und klagen. Aber eben nur auf Grundlage des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Spezifische Regeln wie DMCA-Takedowns, wie in den Fake-Abmahnungen zitiert, kommen bei uns nicht zur Anwendung.

Dürfen Anwälte Abmahnungen per E-Mail verschicken?

Ja, absolut! Es gibt noch nicht einmal Vorschriften bezüglich der Gestaltung. Allerdings könnte der Anwalt in dem Fall nicht beweisen, dass sein Schreiben auch tatsächlich angekommen ist. Wenn die im Brief gesetzte Frist abgelaufen ist, könnte er trotzdem nichts unternehmen. Deswegen gehen die meisten Abmahnungen entweder als Einschreiben oder in Einzelfällen per Bote oder als Telefax mit einer Sendebestätigung raus.

Fake-Abmahnungen
Ausschnitt der angeblichen Website. Jedes Notebook zeigt natürlich das Logo der Kanzlei.

Geld ins Ausland überwiesen, was tun?

Wer tatsächlich Geld an die Kriminellen überwiesen hat, sollte sich augenblicklich bei seiner Bank melden. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter klärt dann, ob man die Überweisung ins Ausland noch rückgängig machen kann. Sagen wir es mal so: es wird schwierig!

Auch wenn es wahrscheinlich wenig bringt, weil die Kriminellen ständig neue Domains und Kanzlei-Namen nutzen: Man sollte auch zur Polizei gehen, um eine Anzeige zu erstatten.

Last, but not least muss man davon ausgehen, dass die eigene E-Mail-Adresse Bestandteil einer gehackten Datenbank ist. In der Folge muss man auch danach noch mit allen möglichen Betrugsversuchen rechnen. Außerdem haben die Kriminellen ja mitbekommen, dass ihre letzte E-Mail nicht als unzustellbar zurückgekommen ist.

Warum wir über die Fake-Abmahnungen berichten

Einerseits berichten wir regelmäßig zum Thema Abmahnungen, weil viele Menschen davon betroffen sind und wir die Dinger schlichtweg seit 20 Jahren hassen. Dass wir wegen einem Foto abgemahnt wurden, ist glücklicherweise selten passiert und schon über drei Jahre her.

Wir haben andererseits selbst schon häufiger ähnliche E-Mails erhalten, allerdings mit einem ganz anderen Hintergrund. Über eine Rückwärtssuche haben betrügerische SEO-Mitarbeiter erfahren, dass wir sehr viele gemeinfreie Fotos verwendet haben. Man forderte uns im Rahmen einer kurzen Reaktionsfrist auf, den Link zur angeblichen Quelle zu ändern, obwohl sich diese gar nicht geändert hat. Tatsächlich kommt es in wenigen Einzelfällen vor, dass ausnahmsweise Fotos von den kostenlosen Bildergalerien entfernt werden. Doch das angestrebte Ziel der Betrüger ist ein anderes.

Es geht nur darum, die Sichtbarkeit einer Website zu verbessern, indem man genügend Seitenbetreiber dazu erpresst, diese zu verlinken. Das Vorgehen hätte auch klappen können, wenn wir nicht peinlichst genau darauf achten würden, dass bei jedem Foto und jeder Grafik die benutzte Quelle dabei steht. Nach einer kurzen Prüfung habe ich dem Absender der betrügerischen E-Mail dann in gepflegtem Englisch den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt. Solche Nachrichten sind fast so schlimm, wie Geld mit Fake-Abmahnungen zu generieren.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.