Gemäß dem heutigen BGH-Urteil dürfen Facebook-User, die bereits vor dem 25. Mai 2018 angemeldet waren, weiterhin anonym bleiben.
In einem BGH-Urteil (Urt. v. 27.01.2022, Az. III ZR 3/21 und III ZR 4/21) entschied heute der dritte Zivilsenat in Karlsruhe, dass eine Pflicht zur Klarnamen-Verwendung auf Facebook unwirksam sei. Allerdings gilt das Urteil wegen einer Gesetzesänderung nur für Altfälle. Darüber informierte der BGH in einer Pressemitteilung.
Zwei Kläger wehrten sich gegen Acount-Sperrung aufgrund Facebooks Klarnamenpflicht
Dem heutigen BGH-Urteil sind bereits Urteile, beruhend auf zwei Klagen von Usern, deren Konten Facebook gesperrt hatte, vorausgegangen. Bei ihrer Facebook-Anmeldung hatten sie statt ihrer echten Namen Pseudonyme verwendet. In erster Instanz entschieden zwei Landgerichte in den Fällen unterschiedlich. Das LG Traunstein erkannte ein berechtigtes Interesse von Facebook an, von seinen Nutzern ein Auftreten unter ihrem Klarnamen zu fordern. Eine Klarnamenpflicht sei geeignet, die Hemmschwelle für Beleidigungen und sonstige hasserfüllte Kommentare zu erhöhen.
Das LG Ingolstadt gab jedoch der Klage einer Nutzerin gegen die Sperrung statt. Bei dem in Traunstein verhandelten Fall hatte der Kläger dabei ein Video mit schwarzen Kannibalen und einen tanzenden Adolf Hitler mit dem Kommentar „Weekend yeah ;-)“ versehen. Daraufhin sperrte Facebook dessen Account, weil er gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen hat.
Oberlandesgericht München entschied zugunsten von Facebook
Das OLG München entschied am 08.12.2020 in zwei Fällen zugunsten des sozialen Netzwerks. Es befand damit die sogenannte Klarnamenpflicht für rechtens. Das Gericht führte begründend aus:
„Das von der Beklagten mit der Verpflichtung der Nutzer zur Verwendung ihres wahren Namens verfolgte Interesse erschöpft sich nicht darin, Nutzer bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen leichter identifizieren zu können. Angesichts eines mittlerweile weitverbreiteten sozialschädlichen Verhaltens im Internet – Cyber-Mobbing, Belästigungen, Beleidigungen und Hassrede – hat die Beklagte ein legitimes Interesse daran, bereits präventiv auf ihre Nutzer einzuwirken. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens grundsätzlich geeignet ist, Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten. Bei der Verwendung eines Pseudonyms liegt die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger.“
Das BGH-Urteil erlaubt – auf Altfälle begrenzt – Pseudonyme
Der BGH entschied aktuell anders als das OLG München. Gemäß BGH-Urteil muss Facebook nun gestatten, dass seit langem, also vor dem vor dem 25. Mai 2018, angemeldete User, Pseudonyme auf der Plattform gebrauchen. Eine Klarnamenpflicht sei folglich für diese Fälle unwirksam. Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf solche Fälle, da es auf Grundlage der aktuell nicht mehr gültigen EU-Datenschutzrichtlinie beruht. Wer folglich schon vor dem 25. Mai 2018 angemeldet war, darf auch weiterhin anonym bleiben.
Rechtslage ansonsten weiterhin unklar
Somit bliebe für alle Facebook-User, die sich nach dem 25. Mai 2018 angemeldet haben, die Rechtslage weiterhin unklar. Der Bundesgerichtshof hat sich bei seinem heutigen BGH-Urteil ausschließlich auf die rechtliche Situation bezogen, die für die beiden aktuellen Fällen zutraf. Alle später angemeldeten User, die sich mit Fake-Namen registriert haben, könnten durchaus weiterhin eine Sperrung von Facebook riskieren.
Die beiden Klagen, auf die sich das BGH-Urteil bezieht, beruhen auf den Jahren 2015, bzw. auf dem 18.4.2018. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gilt EU-weit aber erst seit dem 25.5.2018. Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann führt hierzu aus: „Daher ist die unmittelbare Reichweite unserer Entscheidung auf Altfälle begrenzt.“
BGH-Urteil: Begründung
In der Urteilsbegründung führt der BGH aus: Mit der Passage „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“ verstießen Facebooks AGB in der damals gültigen Fassung gegen § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG). Dies benachteilige die User unangemessen. Zwar hätte Facebook fordern können, dass die Nutzer ihnen bei der Anmeldung ihren wahren Namen mitteilten. Notwendig sei es hingegen nicht gewesen, auch öffentlich den echten Namen zu verwenden.
Der Berliner Medienrechtler Ehssan Khazaeli von der Kanzlei von Rueden äußerte sich bezüglich des BGH-Urteils gegenüber Tarnkappe.info. Seine Einschätzung lautet dabei wie folgt:
„Betreiber von sozialen Diensten müssen gleichwohl sicherstellen, dass ihre Nutzer im Fall von Rechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Dafür wäre es nötig aber auch ausreichend, wenn der Nutzer seine wahren Daten angibt, aber nur der Betreiber der Seite darauf Zugriff hat. Nach außen könnten Nutzer die Seite gleichwohl unter einem Pseudonym verwenden.“
P.S.: Ehssan Kazaeli ist jetzt selbstständig als Rechtsanwalt tätig. Seine Schwerpunkte sind Strafrecht und Medienrecht.
Tarnkappe.info