US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben
US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben
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US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben

US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben. So könnte man dem gigantischen Datensatz auch die Namen der US-Bürger entnehmen.

Ein unbekannter algorithmischer Prozess namens „differential privacy“ (differenzielle Privatsphäre) trägt seit dem Jahr 2020 dazu bei, dass die Daten der US-Volkszählung anonym bleiben. Die Konservativen wollen ihn abschaffen. US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben und die Befragung noch um einen Punkt erweitern. Am liebsten würde man sie anschließend direkt wiederholen, um aktuelle Zahlen zu erhalten.

US-Regierung will Anonymität der Volkszählung aufheben

Präsident Donald Trump und die Republikanische Partei haben den größten Teil der zweiten Amtszeit des Präsidenten damit verbracht, die Bundesregierung und das gesamte Land radikal umzugestalten. Jetzt hat man die Volkszählung in den USA erneut ins Visier genommen.

Schon seit längerer Zeit will man die Bürgerinnen und Bürger nach ihrem Einwanderungsstatus befragen. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Wer kein Staatsbürger ist, soll hingegen von der Erhebung der Statistik ausgeschlossen werden. 2019 erklärte der Oberste Gerichtshof einen Versuch der ersten Trump-Regierung, eine Frage zur Staatsbürgerschaft in die Volkszählung aufzunehmen, für ungültig.

Letzte Volkszählung soll zum Wohl der Demokraten manipuliert worden sein

Aktuell versuchen führende republikanische Politiker zu behaupten, der Prozess zur Anonymisierung der Volkszählung würde für erhebliche Ungenauigkeiten sorgen. Deswegen sollen die Statistiken der letzten Volkszählung im Jahr 2020 angeblich nicht stimmen. Sollte diese Kampagne gelingen, würde dies nicht nur die Auswertung auf den Kopf stellen. Das dürfte auch dafür sorgen, dass Einwanderer nicht mehr an der Volkszählung teilnehmen wollen.

Dabei sind die Daten hochgradig sensibel. Bei der alle 10 Jahre durchgeführten Volkszählung zählt man alle in den Vereinigten Staaten lebenden Personen, sowohl Staatsbürger als auch Nichtstaatsbürger. Die Daten umfassen detaillierte Informationen wie ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht und Alter sowie die gesprochenen Sprachen, die Wohnadresse, den wirtschaftlichen Status und die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Personen. Diese Daten werden für die Zuweisung von Bundesmitteln zur Unterstützung öffentlicher Dienstleistungen wie Schulen und Krankenhäuser sowie für die Aufteilung der Bevölkerung eines Bundesstaates und deren Vertretung im Kongress verwendet. Je mehr Menschen in einem Bundesstaat leben, desto mehr Vertreter hat dieser im Kongress. Entsprechend viele Stimmen hat der Bundesstaat im Wahlkollegium.

Statistiken

In Anbetracht der Tatsache, dass die IT-Technologie schnell fortschreitet und der wachsenden Zugänglichkeit der Datensätze wurde klar, dass man die Daten auch zur Aufdeckung der Identität der US-Bürger missbrauchen könnte. Das ist aber bis dato verboten und steht unter Strafe. Ein Regierungsmitarbeiter, der solche Informationen preisgibt, muss mit Geldstrafen in Höhe von mehreren Tausend Dollar oder sogar einer Freiheitsstrafe rechnen. Wenn man das Verfahren zur Anonymisierung aufhebt, besteht beispielsweise nach Erkenntnissen der Universität von Washington die Möglichkeit, die Jugendlichen zu identifizieren, die transgender sind.

Behörden würden für Identifizierung keinen richterlichen Beschluss mehr benötigen!

Das könnte zur Folge haben, dass Informationen, die bisher nur mit einem Durchsuchungsbefehl zugänglich waren, plötzlich verfügbar wären. Die Enttarnung veröffentlichter Datensätze ist übrigens nicht illegal. Dann könnte man die Daten mit den großen Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden abgleichen, ohne tatsächlich gegen das Gesetz zu verstoßen. Republikaner behaupten nun, die Verschleierung der Identität könnte eine bedeutende Rolle dabei gespielt haben, um Statistiken zu Gunsten der Demokraten verschoben zu haben. So beispielsweise um die Sitzverteilung und die Neufestlegung der Wahlbezirke aktiv zu beeinflussen. Rechte Politiker behaupten jetzt, hätte man die Staatsbürgerschaft im Jahr 2020 mit aufgeführt, wofür Trump in seiner ersten Amtszeit plädierte, so wäre es angeblich trotzdem möglich gewesen, die Datensätze zu anonymisieren.

Trumps Regierung will Differential Privacy deaktivieren

Der Algorithmus Differential Privacy sorgt dafür, dass diese Daten privat bleiben. Es handelt sich um ein mathematisches Rahmenwerk, bei dem statistische Ergebnisse nicht dazu verwendet werden können, die Daten einzelner Personen in einem Datensatz zu ermitteln. Der Algorithmus trägt den Namen TopDown. Er fügt den Daten ein gewisses „Rauschen“ hinzu, beginnend auf der höchsten Ebene (national) und dann schrittweise nach unten. Es gibt dabei aber bestimmte Einschränkungen. So muss beispielsweise die Gesamtzahl der Menschen in einem Bundesstaat oder Zählbezirk trotz dem Rauschen gleich bleiben. Anderen demografischen Merkmalen wie ethnische Zugehörigkeit oder Geschlecht weist das mathematische Rahmenwerk zufällige einzelne Datensätzen zu.

Statistik 2

Auf diese Weise bleibt die Gesamtzahl der Menschen mit einem bestimmten Merkmal konstant, während die mit einem einzelnen Datensatz verbundenen Merkmale keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen. Um bei einem konkreten Beispiel zu bleiben: Man weiß auf Basis der Erhebung, wie viele Frauen oder Hispanics in einem Zählbezirk leben, nur nicht genau, wo.

Für die Erhebung und Auswertung der Volkszählungsdaten sind Beamte und nicht politisch motivierte Menschen verantwortlich. Aus E-Mails, die dem Brennan Center vorliegen, geht hervor, dass die Beamten des Census Bureau unter der Leitung des damaligen Handelsministers Wilbur Ross ein „ungewöhnlich großes“ Interesse an den „technischen Aspekten“ des Verfahrens bekundeten. Das hat es vorher in dieser Ausprägung nie gegeben.

Der geplante COUNT Act schließt die Staatszugehörigkeit mit ein

Am 28. August 2025 stellte der republikanische Abgeordnete August Pfluger einen Gesetzesentwurf namens COUNT Act vor. Würde man diesen verabschieden, würde man sowohl die Staatsbürgerschaft erheben als auch der Anonymisierung der Daten ein Ende bereiten. Die Kollegen von WIRED stellten seinem Büro eine Anfrage für eine Stellungnahme zu, die das Büro von Pfluger nicht beantworten wollte.

Donald Trump

Kritiker befürchten, Republikaner wollen die letzte Volkszählung sogar wiederholen, um alle Daten zu erheben. Der Republikaner Howard Lutnick forderte den Handelsminister auf, die begangenen Fehler der Volkszählung 2020 zu korrigieren. Die falschen Daten hätte den Demokraten in die Hände gespielt, behauptet Lutnick. Manche sprechen sogar von einer Fälschung der Wahlergebnisse aufgrund der letzten Volkszählung. Doch da die Menge der befragten Personen pro Wahlbezirk trotz der Anonymisierung gleich geblieben ist, war das schlichtweg nicht möglich.

Experten erklärten gegenüber WIRED, dass eine Änderung der Durchführung der Volkszählung dazu führen wird, dass weniger Menschen teilnehmen werden, weil sie sich unsicher fühlen. Wahrscheinlich müsse die Regierung in dem Fall noch mehr Ressourcen aufwenden, um eine genaue Zählung zu erreichen. Nahmen zu wenige Menschen teil, würde dies wahrscheinlich zu verfremdeten Ergebnissen führen. Falsche Zahlen könnten sich auf alles auswirken, angefangen von der Zusammensetzung des Kongresses bis hin zur Höhe der Mittel, die eine Gemeinde von der Regierung erhalten könnte.

Datenbroker würden sich über mehr Details sehr freuen

Damit die Behörde für die Erfassung der Daten auch in Zukunft legal handelt, müsste sie sich dazu entschließen deutlich weniger Daten zu veröffentlichen. Der Count Act sieht nämlich keine Alternative zur Deanonymisierung der Befragten vor. Würden die Mitarbeiter alles preisgeben, dann würden sie sich wahrscheinlich sogar strafbar machen. Datenbroker hätten natürlich an den umfangreicheren Daten auch ein großes Interesse. Doch wenn man die Zugehörigkeit nicht mehr offenlegen darf, fehlen diese Daten zur Bekämpfung von Diskriminierung. Das wäre auch keine befriedigende Lösung.

Schließlich baut das System zur Volkszählung von vorne bis hinten auf dem Algorithmus Differential Privacy auf, um trotz der vielen gesammelten und veröffentlichten Daten den Rückschluss auf die Identität der Befragten US-Bürgerinnen und Bürger unmöglich zu machen. Zu dieser Vorgehensweise gibt es schlichtweg keine Alternative, auch wenn Trumps Administration das naturgemäß ganz anders sieht.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.