Raubkopieren, Gehirn
Raubkopieren, Gehirn

Lässt sich das ausgeprägte Raubkopieren mit der Evolution erklären?

Bei Tests untersuchte ein Wissenschaftler, wie das Gehirn auf das Raubkopieren im Vergleich zu Diebstählen von Gegenständen reagiert.

Raubkopieren. Es ist längst zu einer Selbstverständlichkeit der Gesellschaft geworden, dass digitale Inhalte mehr geklaut als gekauft werden. Auch solche Slogans wie „Geiz ist geil“ tragen dazu bei, dass sich die breite Masse lieber am illegalen Angebot im Internet bedient als die Waren legal zu erstehen, egal ob es sich dabei um Filme, Musik, Computerspiele oder E-Books handelt, und obwohl die Industrie sehr wohl von Raub spricht.


Unrechtsbewusstsein entwickelt dabei kaum einer. Diesem Phänomen ist der Neurowissenschaftler Robert S. Eres von der Monash Universität in Melbourne, Australien nachgegangen. Er fand Erstaunliches dabei heraus.

Zunächst untersuchte der Wissenschaftler an Probanden die Hinreaktionen auf bestimmte Aussagen über den Raub an physischen und digitalen Gütern. Robert S. Eres gelangte dabei zu folgendem Resultat.

Unser erstes Hirnexperiment hat gezeigt, dass das Gehirn von Menschen weit aktiver ist, wenn sie versuchen, sich nicht greifbare Dinge statt greifbarer Dinge vorzustellen. Digitale Güter sind für viele Menschen also abstrakte Dinge, die sie sich nur schwer vorstellen können.“

Bei einem weiteren Test wurde die Hirnreaktion auf die Vorstellung analysiert, physische oder digitale Medien zu stehlen. Das Ergebnis auch hier: Jenes Hirnareal, das für moralisches Denken zuständig ist, wird beim Gedanken an den Diebstahl eines physischen Datenträgers aus einem Geschäft wesentlich aktiver als beim Gedanken an einen illegalen Download (Raubkopieren).

Fazit

Dieses Experiment macht deutlich, dass die Evolution für eine Sensibilität für physische Güter sorgte. Eres: „Die Erkenntnisse der zwei Hirnexperimente zeigen, dass Menschen nicht greifbare und greifbare Objekte innerhalb ihrer Gehirne sehr unterschiedlich verarbeiten.“ Konkret fühle sich das Hirn beim Gedanken an den Diebstahl eines nicht greifbaren und dadurch schwer vorstellbaren Produkts weniger schuldig als beim Gedanken an einen physischen Diebstahl. Das sei angesichts der menschlichen Evolution auch logisch.

Der Mensch habe immer mehr mit physischen Gütern als mit immateriellen Dingen zu tun gehabt. Der Begriff des Besitzes ist eng mit der physischen Existenz eines Dinges verbunden. Die Folge: Menschen haben Schwierigkeiten dabei, sich beim Download physisch nicht existierender Dinge schuldig zu fühlen.

Die Forscher glauben, dass ihre Erkenntnis über das höhere Schuldbewusstsein beim Gedanken an physische Dinge auch eine Erklärung für andere moralisch-fragwürdige Verhaltensweisen im Netz sein könnte, weit über den Themenkomplex der Raubkopien hinaus. Beispielsweise führe jemanden online zu überwachen zu geringeren Schuldgefühlen, als in sein Haus einzubrechen oder jemanden in sozialen Medien zu beleidigen, könnte für das Gehirn ein geringeres Tabu sein, als eine Beleidigung im direkten Gespräch.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.