Bringt Theresa May als Primierministerin mehr Überwachung?

Ein kürzlich von Theresa May eingebrachter Gesetzesentwurf dient offensichtlich des Ausbaus der Überwachung in Großbritannien.

Theresa May brachte für mehr Überwachung unlängst einen Gesetzesentwurf ins Parlament. Der von ihr vorgestellte Investigatory Powers Bill (IP Bill) wird von Datenschützern als „eines der extremsten Überwachungsgesetze, das je in einer Demokratie verabschiedet wurde“ bezeichnet.

Seit vergangener Woche ist Theresa May die neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Sie ist nicht nur in den Schlagzeilen wegen ihres besonders ausgefallenen Modegeschmacks (zu einem Schottenkaro-Anzug trug sie Schnürschuhe mit Kristallabsatz), sondern sie ist auch bekannt dafür, einige besonders drastische Überwachungsgesetze auf den Weg gebracht zu haben.

Communications Data Bill – Überwachung & Vorratsdatenspeicherung, aber very british!

Bereits als Innenministerin hat Theresa May mehrere Gesetze zum Ausbau der Überwachung vorgelegt. Dabei sollte der Communications Data Bill das britische Äquivalent der Vorratsdatenspeicherung werden. Dieser britische Gesetzesvorschlag ging sogar noch weiter als die deutsche Regelung: Internet- und Mobilfunkanbieter sollten dazu verpflichten werden, die Aktivitäten ihrer Kunden zu verfolgen und unter anderem deren Browserverlauf sowie E-Mail-, Messenger- und Anruf-Details zu speichern – für zwölf Monate und mit Direktzugriff für Polizei und Geheimdienste. Das Gesetzesvorhaben scheiterte dann an den fehlenden Stimmen des Labour-Koalitionspartners. Doch unbeeindruckt davon, brachte sie zur nächsten Legislaturperiode einen erneuten Entwurf vor das Parlament, diesmal mit noch zusätzlich erweiterten Überwachungsplänen, den Investigatory Powers Bill. Sogar Forderungen für eine Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sind nun wieder neu im Gespräch.

Gegen das Gesetz gibt es jedoch auch Widerstand, zum Beispiel durch die aktuelle Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. An der Klage war auch der britische Abgeordnete David Davis beteiligt, der die Pläne Mays als undemokratisch bezeichnete und auch das Eilverfahren kritisierte, in dem der Gesetzvorschlag durch das Parlament getrieben wird. Nach seiner Ernennung zum „Brexit-Minister“ durch Theresa May trat Davis jedoch von der Klage zurück.

Die IP Bill befindet sich momentan in der finalen Phase des Gesetzgebungsprozesses und wird voraussichtlich noch im September endgültig verabschiedet werden. Bei einem Erfolg ihres Gesetzesvorhabens würde sich May quasi eigenhändig neue Überwachungskompetenzen geben. Es wäre ihr als Premierministerin vorbehalten, die Aufsichtsämter zu besetzen, welche die rechtmäßige Sammlung der Vorratsdaten kontrollieren. Außerdem hätte sie die Berechtigung, Überwachungsmaßnahmen gegen die Mitglieder des britischen Parlaments anzuordnen.

Fazit

Trotz ihres bedenklichen gegenwärtigen Kurses in Richtung Überwachung trat May in der Vergangenheit auch für Bürgerrechte ein. In ihrer Anfangszeit als Innenministerin verfolgte sie das Ziel, die von der Labour-Regierung geschaffenen Überwachungsgesetze außer Kraft zu setzen. Eine ihrer größten Errungenschaften war dabei die Abschaffung des National Identity Registers. Bis zum Widerruf speicherte dieses rund fünfzig Datenkategorien über britische Bürger. Das Register hatte man ebenfalls den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht. Unter den Daten befanden sich unter anderem Fingerabdrücke, Gesichtsscans und Irisbilder.

Welchen Weg Theresa May in ihrer neuen Rolle einschlagen wird, bleibt abzuwarten. Das meint auch Dr. Gus Hosein, Executive Director der britischen NGO Privacy International, gegenüber netzpolitik.org:

„Es gibt jedoch Hoffnung und wir warten gespannt, welche Theresa May wir als Premierministerin erleben werden. Wir könnten eine autoritäre May sehen, die jede Möglichkeit nutzt um Menschen- und Bürgerrechte als lästige Hindernisse darzustellen. Eine die Systeme baut, die diese Rechte unterwandern. Wir könnten jedoch auch eine liberale Politikerin erleben, die sich während ihrer Oppositionszeit gegen Überwachungsdatenbanken einsetze und Bürgerrechte in den Fokus der Gesetzgebung stellt.“

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.