Berliner Polizei
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Berliner Polizei: Zugriff auf 130 Datenbanken und 100.000 Hinweise

Auf eine Anfrage teilte die Senatsinnenverwaltung mit, die Berliner Polizei könne auf über 130 Datenbanken zurückgreifen.

Vor dem Hintergrund eines potenziellen Datenmissbrauchs liefert eine parlamentarische Anfrage Antworten über die Recherche-Reichweite Berliner Ermittler in polizeilichen Informationssystemen. Ein Überblick verschafft Klarheit darüber, auf welche Datenbanken die Berliner Polizei konkret zugreifen kann und welche Personenmerkmale gesondert erfasst werden, berichtet Netzpolitik.org.

Berliner Polizei griff umfangreich auf Daten zu

Auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux teilte die Senatsinnenverwaltung mit, die Berliner Polizei könne für ihre Ermittlungsarbeiten auf über 130 Datenbanken des Landes und des Bundes zurückgreifen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr, aber auch der allgemeinen Verwaltung stehen berechtigten Dienstkräften nicht nur lokale oder bundesweite, sondern zudem europäische und weltweite Datenbanken zur Verfügung.

Neben dem nationalen Polizeisystem Inpol kann die Berliner Polizei zur Erlangung von Informationen auch die Datenbanken des internationalen Verbunds Interpol, das Schengener Informationssystem (SIS), das Ausländerzentralregister (AZR) oder das Visa-Informationssystem (VIS) der EU zusätzlich nutzen. Des weiteren ist ein Zugang unter anderem in die europäische Fingerabdruckdatei Eurodac, in das Europol-Informationssystem, in ein Verzeichnis zu Wirtschaftskriminalität, in das Melderegister oder in die Abfrage von KfZ-Kennzeichen gegeben.

Andere, spezielle Datenbanken gewähren u.a. Einblicke in den „Trickbetrug durch falsche Polizeibeamte“, „Graffiti“ oder in die Datenbank „Nachtleben“, eine ehemalige Rotlicht-Datei. Datenbanken mit ethnischem Bezug wären z.B. MEKONG (Illegaler Zigarettenhandel und –schmuggel und damit einhergehende Delikte), „Wohnungseinbruch durch chilenische Banden“ oder die ESOK (Organisierte Kriminalität ehemalige Sowjetunion).

Personengebundene Hinweise (PHW) sollen zum Schutz der Einsatzkräfte beitragen

Zusätzlich können 49 verschiedene personengebundene Hinweise (PHW) abgefragt werden. Diese Hinweise sollen dem Schutz der einschreitenden Polizeikräfte im Arbeitsalltag dienen. Sie erscheinen bei personenbezogenen Datenabfragen im bundesländerübergreifenden Informationssystem der Polizeien (INPOL) oder in den jeweiligen Datenbanken der Länderpolizeien als „Warnhinweis“ für die Einsatzkräfte. Aufgrund der Informationen erlangen die Ermittler beispielsweise Hinweise darüber, ob jemand gewalttätig ist oder Drogen konsumiert. Gemäß Netzpolitik.org hat die Berliner Polizei ca. 100.000 Mal in den vergangenen zehn Jahren ein PHW in eine Datenbank eingetragen. Da auch Mehrfachnennungen vorkommen, kann man aus dieser Anzahl nicht darauf schließen, wie viele Personen tatsächlich erfasst sind.

Datenbanken als öffentlicher Pranger

Die Betroffenen erhalten keinerlei Informationen über die Speicherung eines personengebundenen Hinweises. Sie können bereits als ‚Straftäter‘ eigeordnet werden ohne Verurteilung. Auch werde der Hinweis nicht allein bei einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vergeben. Es genüge hier bereits ein „begründeter Anfangsverdacht“, dass eine entsprechende Straftat begangen werden könnte. Demgemäß könne sich für Betroffene bereits eine simple Verkehrskontrolle zu einer Durchsuchung mit Drogentest ausweiten, sollten sich entsprechende Meldungen darüber vorfinden.

Berliner Polizei in der Kritik

Für linke Abgeordneten und Innenpolitiker Niklas Schrader gibt diese Handhabe Anlass zur Kritik:

„Es wäre an der Zeit, im polizeilichen Datenbestand gründlich auszumisten. […] Auch innerhalb der jeweiligen Zugriffsrechte ist natürlich Missbrauch möglich. So gab es immer wieder Fälle, bei denen Beamte für private Zwecke auf Datenbanken zugegriffen haben. Hier gibt es offenbar wenig Kontrolle und eine dementsprechend geringe Gefahr, dabei erwischt zu werden. Gut wären beispielsweise stichprobenartige Kontrollen der Zugriffe im gesamten Polizeiapparat“

Demgemäß sollte man nicht mehr erforderliche Datenbanken löschen. Insbesondere bemängelt Schrader die praktische „Umsetzung und Kontrolle der Zugriffsbeschränkungen“. Dabei verweist er auf mangelnde Schutzvorkehrungen, auf die Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk bereits im vergangenen Jahr aufmerksam machte. Hauptkritikpunkt war, dass man seit 2013 keine Einträge mehr aus der polizeilichen zentralen Datenbank bei Poliks mehr gelöscht hat. So bleiben dauerhaft auch Daten von Unbeteiligten gespeichert. Polizist:innen haben darauf jederzeit völlig unkontrollierten Zugriff.

Auch Benedikt Lux, der grüne Anfragensteller, urteilt über die Berliner Polizei.

„Bei fast allen personengebundenen Hinweisen (PHW/EHW) ist der Rechtsschutz für die Betroffenen höchst problematisch. Sie müssen aktiv gegen die Speicherung vorgehen, ohne zu wissen, dass Informationen über sie gespeichert sind.“

Insbesondere spiegelten Hinweise auf „Betäubungsmittelkonsument“, „Psychische Verhaltensstörung“ und „Ansteckungsgefahr“, nur kurze Lebensspannen einer Person wider, würde jedoch dem gegenüber unverhältnismäßig lange bei der Polizei gespeichert. „Eine Lösung wäre, die Betroffenen bestimmter PHW grundsätzlich zu informieren, die Überprüfungsfristen zu verkürzen und sich vor allem auf Gewalt und echte Gefahren für Körper und Gesundheit der Polizisten im Einsatz zu konzentrieren.“ Im Berliner Koalitionsvertrag war eine Streichung einiger PHW bereits vorgesehen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hätte sich damit jedoch nicht einverstanden erklärt.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.