Wo Klicks und Codes aufeinander treffen: Piraterie im digitalen Untergrund.
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Bildquelle: ChatGPT

Al Ángulo TV zerschlagen – Streaming-Pirat ‚Shishi‘ in Argentinien festgenommen

Al Ángulo TV zerschlagen: Argentinien verhaftet Streaming-Pirat Shishi. Alles zu den Hintergründen, Ermittlungen und Reaktionen.

Die argentinische Justiz hat Al Ángulo TV zerschlagen. Mit der Festnahme des 25-jährigen Betreibers Alejo Leonel Warles alias „Shishi“ wurde einer der größten illegalen Streaming-Dienste Lateinamerikas stillgelegt. Fußballspiele, Formel 1 und Boxkämpfe liefen über sein Netzwerk von 14 Domains und einer Android-App ohne über die entsprechenden Rechte zu verfügen.

Die Festnahme von „Shishi“

Am Mittwoch wurde Alejo Leonel Warles, besser bekannt unter seinem Alias „Shishi“, in der Stadt Paraná (Entre Ríos) durch lokale Behörden der argentinischen Stadt Paraná festgenommen. Ermittler durchsuchten sein Haus und beschlagnahmten Computer, Smartphones und technische Geräte, die vorgeblich für den Betrieb von Al Ángulo TV genutzt wurden. Die Operation war das Ergebnis der Ermittlungen unter der Leitung von Staatsanwalt Alejandro Musso, Leiter der Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft für die Untersuchung von Cyberkriminalität (Ufeic) in San Isidro.

Warles wird vorgeworfen, über mindestens 14 Domains und eine Android-App Fußballspiele, Formel-1-Rennen und Boxkämpfe illegal verbreitet zu haben. Damit positionierte sich Al Ángulo TV nach Magis TV als eine der größten Piraterieplattformen Lateinamerikas. Die Ermittlungen führte das 4. Juzgado de Garantías von San Isidro unter Leitung von Richter Esteban Eduardo Rossignoli, unterstützt von der Spezialeinheit UFEIC (Unidad Fiscal Especializada en Investigación de Ciberdelitos).

Al Ángulo TV zerschlagen – Streaming-Pirat ‚Shishi‘ in Argentinien festgenommen
Al Ángulo TV zerschlagen – Streaming-Pirat ‚Shishi‘ in Argentinien festgenommen

Von Mirror-Domains bis zur App: Das Geschäftsmodell von Al Ángulo TV

Laut Medinebericht von LaNacion war Al Ángulo TV professionell aufgezogen. Die Plattform setzte auf Mirror-Domains, über die Inhalte repliziert wurden. Mit einer eigenen Android-App erreichte man ein noch breiteres Publikum. Gemäß LaLiga erfolgte die Monetarisierung über inoffizielle Werbenetzwerke, die jedoch nicht nur Einnahmen generierten, sondern auch Malware-Risiken für User bargen. Einnahmen verwaltete der Betreiber über Krypto-Wallets, die bei der Razzia beschlagnahmt wurden.

Selbstinszenierung als Eigentor

Aufmerksamkeit erregte der Streamingdienst, weil der Betreiber von Al Ángulo TV unter dem Alias „Shishi“ in den sozialen Netzwerken ausgesprochen aktiv war. Auf X feierte er noch wenige Tage vor seiner Festnahme stolz die Marke von 100.000 Followern (aktuell sind es 126.5K Follower). Zudem veröffentlichte er Pressemitteilungen und gab sogar Interviews für verschiedene Medien.

Auf YouTube streamte er unter dem Namen W4RLES regelmäßig und nutzte dabei seine Reichweite, um die eigene Plattform offensiv zu bewerben. Gemäß MDZ fragte kürzlich die bekannte Reporterin, Lola del Carril, nach den Apps, mit denen ihre Follower Fußballspiele anschauten. Daraufhin konterte Shishi ironisch, er nutze ‚alle legalen Plattformen‘. Nur wenige Stunden später klickten bei ihm die Handschellen. Wie Infobae berichtet, hatte Warles an anderer Stelle selbst eingeräumt, dass sein Dienst illegal sei.

Diese Selbstinszenierung, gepaart mit provokanten Aussagen wie „Mich erwischt niemand“, lieferte den Ermittlern Ansatzpunkte für Ermittlungen. Was zunächst in Argentinien begann, zog internationale Kreise. Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Anzeige der Alianza contra la Piratería Audiovisual (ALIANZA), die dabei eng mit der spanischen LaLiga kooperierte. Wie LaLiga ausführte:

Nach einer umfassenden digitalen Untersuchung der Netzwerke, die von der Staatsanwaltschaft mit Unterstützung eines Branchentechnikers durchgeführt wurde , stellten die Ermittler fest, dass „ Shishi “ der „Gründer und alleinige Eigentümer“ der Site und Anwendung „ alangulotv “ ist...

Nach Angaben El Diario AR stellten ALIANZA und LaLiga den Ermittlern digitale Daten zur Verfügung, die zudem halfen, die Vorgehensweise von Al Ángulo TV bei der illegalen Weiterverbreitung von Sportinhalten aufzudecken.

Vom Streaming-Pirat zum digitalen Rebell – Reaktionen auf Social Media

In sozialen Netzwerken schlug die Nachricht hohe Wellen. Gegenüber Infobae erklärten Angehörige von Warles: „Ganz Paraná ist wegen dieser Angelegenheit in Aufruhr“. Sie starteten eine Spendenkampagne, um die Anwaltskosten zu decken. Sein Anwalt Fernando Madeo Facente sprach von einem Fall „David gegen Goliath“, ein junger Mann aus armen Verhältnissen gegen die mächtige internationale Lobby der Rechteinhaber.

Warles wird ein Verstoß gegen das argentinische Urheberrechtsgesetz 11.723 vorgeworfen. Theoretisch drohen ihm mehrere Jahre Haft. Er befindet sich vorerst in Untersuchungshaft. Sein Anwalt will jedoch eine Freilassung auf Kaution erwirken, da er keine Vorstrafen hat.

Fazit: Al Ángulo TV – Mehr als nur ein Schlag gegen Piraterie

Der Fall Al Ángulo TV zeigt die Kollision zweier Welten. Auf der einen Seite stehen mächtige Verbände wie LaLiga, die mit aller Härte gegen Piraterie vorgehen. Auf der anderen Seite ist ein junger Mann, der aus der Szene heraus einen populären Streamingdienst aufbaute und nun von vielen als digitaler Rebell gefeiert wird.

Ob die Verhaftung abschreckend wirkt oder die Szene nur kurzfristig erschüttert, bleibt abzuwarten. Die digitale Schattenwirtschaft bleibt flexibel. Wie die Erfahrung zeigt, entstehen für jeden zerschlagenen Dienst neue Plattformen.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.