Russische Verlagsgruppe Eksmo-AST veröffentlicht Nacherzählungen mangels Lizenzen
Russische Verlagsgruppe Eksmo-AST veröffentlicht Nacherzählungen mangels Lizenzen
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Eksmo-AST veröffentlicht Nacherzählungen mangels Lizenzen

Die russische Verlagsgruppe Eksmo-AST beschloss, Nacherzählungen von Weltbestsellern zu veröffentlichen. Damit wollen sie Sanktionen umgehen.

Die Eksmo-AST-Verlagsgruppe geht dazu über, Bücher von Verlegern, die Russland aufgrund von Boykottmaßnahmen verlassen haben, in Form des „саммари“-Formats, einer Zusammenfassung oder einer kurzen Nacherzählung ohne direkte Zitate zu verkaufen.

Aktuell sollen demgemäß noch im Februar 3.000 Exemplare von Prinz Harrys Memoiren „Spare“ als „Zusammenfassung, die die Nacherzählung seiner Hauptthesen beinhaltet“ auf der russischen Ladentheke erscheinen.

Eksmo-AST ist einer der größten Verlage Russlands. Dazu gehören Eksmo, AST, Bombora, Mann, Ivanov, Ferber und andere. Die Verlagsgruppe veröffentlicht etwa 30 Prozent aller Bücher des Landes.

Wie die russische Tageszeitung Kommersant berichtete, plant Eksmo-AST, ausländische Bestseller zusammenfassend nacherzählen zu wollen. Ansonsten kämen solche Werke gar nicht in russische Buchhandlungen. Westliche Unternehmen stellten die Zusammenarbeit als Sanktionsmaßnahme auch mit russischen Verlagen wegen des Krieges in der Ukraine ein.

Einen Monat nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine forderte Eksmo-AST ausländische Verlage auf, ihren Boykott russischer Verlage zu überdenken:

„Ich möchte Sie einladen, über unsere Mission nachzudenken: die Mission der Verleger, die Mission der Autoren und die Mission der Literatur im Allgemeinen. Ist es für Sie nur eine geschäftliche Angelegenheit oder geht es Ihnen vor allem darum, das geschriebene Wort zu einem führenden Werkzeug der Verständigung zu machen, um menschlichen Ideen zu helfen, an die Spitze der Weltagenda zu gelangen?

Eksmo-AST startet mit „Spare“-Nacherzählung von Prinz Harry

Als Auftakt des neuen Konzepts ging Eksmo-AST mit Prinz Harrys Memoiren „Spare“ an den Start. Das Buch erschien am 16. Februar als Audio-Book sowie als E-Book. Ende Februar soll es in gedruckter Form im Rahmen des CrossReads-Projekts des Bombora-Verlags herauskommen.

Die Erstauflage beträgt 3.000 Exemplare. Der Umfang der Nacherzählung umfasst dabei nicht mehr als 15 Prozent des Originals. Ein weiterer Verlag, Smart Reading, hat am 15. Februar eine Hörbuchzusammenfassung von „Spare“ auf der russischen E-Book-Verkaufsplattform LitRes bereitgestellt.

Im Vergleich dazu erschien „Spare“ in Deutschland bereits am 10. Januar. Penguin Random House, das die Rechte daran besitzt, stellte jedoch 2022 nach Putins Einmarsch in der Ukraine die Zusammenarbeit mit dem russischen Markt ein. Eksmo-CEO Evgeny Kapiev erklärte gegenüber Kommersant:

„Die Zusammenfassung wird die Kernideen des Buches widerspiegeln, ohne Auszüge daraus zu verwenden: Die Autorin der Zusammenfassung hat das Buch auf Englisch gelesen und in ihrer eigenen Sprache nacherzählt.“

Kapiev sieht in dem Projekt ein „Startup, das helfen wird, das Problem der Verfügbarkeit von Sachbuch-Neuheiten teilweise zu lösen und zudem als Alternative zu einer Zwangslizenz“.

Als Nächstes plant Eksmo-AST bereits eine Veröffentlichung auf der gleichen Basis von Jen Sinseros Buch „Not Noah“. Dessen Rechte endeten im vergangenen Frühjahr und man hat sie nicht verlängert. Ekaterina Kozhanova, Direktorin für strategische Kommunikation bei der Verlagsgruppe Eksmo-AST, ergänzt gegenüber TASS:

„Heute, wo eine Reihe von Urheberrechtsinhabern auf die Zusammenarbeit mit dem russischen Buchmarkt verzichten, ist die Zusammenfassung eine Alternative für den einheimischen Leser, da es unmöglich ist, sich in ihrer Muttersprache mit bestimmten Bestsellern, Neuheiten in vollem Umfang vertraut zu machen. […] Eine Zusammenfassung ist bisher nur für Sachbücher praktikabel. Dieses Format ist für Belletristik immer noch nicht anwendbar. Es existiert seit etwa 10 Jahren. Traditionell ist für die Nacherzählung keine Genehmigung der Urheberrechtsinhaber erforderlich. Unsere Verlagsgruppe ist jedoch nach wie vor für den Dialog und die Zusammenarbeit bereit, falls [die Autoren] Berufung einlegen.“

Maria Kopachevskaya, Chefredakteurin von Smart Reading, betonte, dass sich das Unternehmen seit zehn Jahren auf das Zusammenfassungs-Format spezialisiert hat. Allerdings sei dies erst aktuell besonders relevant geworden:

„Der Anteil an Buch-Zusammenfassungen, die ursprünglich nicht auf Russisch veröffentlicht wurden, wächst in unserem Katalog aufgrund der aktuellen Situation. Wir versuchen, uns auf das zu konzentrieren, was für russischsprachige Leser unzugänglich, aber dennoch wertvoll ist.“

Evgeny Selivanov, Leiter der Abteilung für Inhaltsentwicklung bei Liters Group, erklärte:

„Der Grund für die Popularität von Zusammenfassungen liege nicht nur in der Einschränkung von Rechten. Die Leser haben immer weniger Zeit, das eine oder andere Sachbuch vollständig zu lesen oder anzuhören.“

Ist Verlagsvorgehen rechtlich unbedenklich?

Yulia Yarnykh, Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Semenov & Pevzner mit Büros in Moskau und Sankt Petersburg, beleuchtete die rechtliche Seite der Verlagsprojekte. Demgemäß darf laut Gesetz:

„nur zu wissenschaftlichen, polemischen, kritischen, informativen und erzieherischen Zwecken auf diese Weise zusammengefasst werden. Im Streitfall muss ein russischer Verleger nachweisen, dass es sich nicht um Unterhaltung handelt.“

Sergey Zuykov, Patentanwalt und geschäftsführender Gesellschafter von Zuykov and Partners, führte dazu aus:

„Wenn die Zusammenfassung zwei oder drei Seiten umfasst, kann sie wahrscheinlich als Beschreibung des Buches betrachtet werden. Wenn ein Buch mit 500 Seiten eine „Nacherzählung“ von denselben 500 Seiten enthält und zwar so nah wie möglich am Originaltext, ist dies offensichtlich bereits eine Urheberrechtsverletzung. Die Entschädigung für die rechtswidrige Nutzung von Rechten betägt maximal den doppelten Wert der verkauften Bücher.“

Yulia Yarnykh ergänzt, dass es „viele ausländische Urheberrechtsinhaber vorziehen, jetzt keine Klagen vor russischen Gerichten einzureichen“.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.