Russlands Versuche das Tor-Netzwerk zu blockieren, blieben bisher erfolglos. Lesen Sie hier, wie Tor sich zur Wehr setzt.
Russland versucht seit Dezember 2021, das Tor-Netzwerk zu blockieren. Doch dieses weiß sich zu wehren. Ein Katz und Maus Spiel um die Freiheit des Internets.
Russland verstärkt seine Zensurbemühungen
Schon seit Jahren gilt das Tor-Netzwerk als der sicherste Weg, um im Internet anonym zu bleiben und Zensurmaßnahmen zu umgehen. Dafür verschlüsselt Tor den Datenverkehr und transferiert ihn über eine Reihe von Knotenpunkten, sodass die Verbindung nicht zurückverfolgt werden kann. Für autoritäre Regierungen ist diese Technik jedoch oftmals eine Bedrohung, weshalb auch Russland zuletzt seine Bemühungen verstärkte, das Tor-Netzwerk zu blockieren.
Die russische Medienaufsichtsbehörde erließ im Dezember 2021 eine Gerichtsverordnung, mit der Internetserviceprovider (ISPs) angewiesen werden können, die Tor-Webseite zu blockieren und die Dienste des Tor-Netzwerkes einzuschränken. Das stößt natürlich auf Widerstand: Nutzer von Tor drängen seitdem darauf, das Tor-Netzwerk online zu halten, um den Menschen in Russland den Zugriff auf das unzensierte Internet zu ermöglichen.
Da die Infrastruktur in Russland relativ dezentralisiert ist, sind Blockaden weitaus weniger effektiv, als dies beispielsweise in China mit einer stärker zentralisierten Infrastruktur der Fall ist. Die ISPs in Russland erhalten zwar Sperraufträge, deren Umsetzung liegt jedoch in der Macht der einzelnen Unternehmen. Das führt dazu, dass das Tor Netzwerk für einige Menschen blockiert ist und für andere wiederum nicht. Und das selbst wenn sie in der gleichen Stadt leben.
Das Tor-Netzwerk schlägt zurück
Laut Gustavo Gus, dem Leiter des Community-Teams des Tor-Projekts, haben russische Beamte ihre Taktik angepasst. Doch die Anti-Zensur-Ingenieure des Tor-Projekts halten dagegen. Durch Aktualisierungen konnten sie bisher erfolgreich verhindern, dass das Tor-Netzwerk in Russland blockiert wird. „Der Kampf ist noch nicht vorbei„, sagt Gus. „Menschen können sich mit Tor verbinden. Menschen können die Zensur leicht umgehen.„
Laut von Tor erhobenen Daten, ist die Zahl der Menschen, die in Russland mit dem Tor-Netzwerk in Verbindung stehen, stark zurückgegangen. Durch das Anti-Zensur-Tool Snowflake und von freiwilligen geführten Brücken ist die Verbindung mit Tor dennoch möglich. Die Verwendung dieser Maßnahmen findet auch immer mehr Zuspruch, wie extern erhobene Daten zeigen.
Laut Gus gab es zwei größere Zwischenfälle gegen Tors Snowflake. Der erste im Dezember war innerhalb von 10 Tagen gefixt. Für den zweiten, im Mai diesen Jahres, gab es ebenfalls kurz nach seiner Entdeckung einen Patch. Viele der Zensurbemühungen aus Russland, werden laut Gus von Hand ausgeführt. Er geht davon aus, dass einige Beamte sich Tor herunterladen und selber Brücken einrichten, um dann den Zugang zu blockieren.
Die neuste Version 11.5 des Tor-Browsers führt eine neue Funktion ein. Durch diese versucht das Programm, die Zensur automatisch anhand des Standortes des Benutzers zu umgehen. Benutzer, die in Russland dennoch blockiert werden, können dies außerdem melden, so dass das Team hinter dem Tor-Projekt entsprechende Maßnahmen einleiten kann. Die Verteilung von Details zu Tor-Brücken über Telegram hat sich bisher als sehr wirksam erwiesen. Daher plant Tor in Zukunft auch deren Verteilung über weitere Messenger wie Signal und WhatsApp.
Auch abseits neuer Funktionen lohnt es sich, seinen Tor-Browser stets aktuell zu halten. Denn Updates schließen auch immer wieder kritische Sicherheitslücken.
Zensur des Tor-Netzwerkes auch in der Ukraine auf dem Vormarsch
Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, hat Russland einige neue Gesetze zur Kontrolle des Internets in die Wege geleitet. „Russland versucht, mögliche Quellen wahrheitsgemäßer alternativer Informationen über den Krieg und darüber, was intern in Russland vor sich geht, zu beseitigen„, sagt Natalia Krapiva, technische Rechtsberaterin der NGO Access Now.
Selbst in einigen Gebieten der besetzten Ukraine setzt Russland seine Zensur bereits durch. So werden beispielsweise in der Stadt Cherson sämtliche Internetverbindungen über russische Netzwerke umgeleitet. Somit greifen dort automatisch die in Russland aktiven Zensur- und Überwachungsmaßnahmen.
Auch auf rechtlicher Ebene ein andauernder Kampf
Laut Sarkis Darbinyan, dem Leiter der Rechtspraxis der russischen Gruppe für digitale Rechte Roskomsvoboda, wurden seit der Invasion in der Ukraine mehr als 5500 Webseiten in Russland blockiert. „Um russischen Benutzern Zugang zu wahrheitsgemäßen Informationen zu verschaffen, ist es jetzt wichtig, Tools wie VPN und Tor zu haben, mit denen Menschen ihre verletzten Rechte schnell und effektiv wiederherstellen können„, sagt Darbinyan.
Roskomsvoboda vertritt Tor in seinen Rechtsfällen gegen russische Behörden. Roskomnadzors Entscheidung vom Dezember, das Tor-Netzwerk zu blockieren, konnte aufgrund von Verfahrensfehlern vorerst aufgehoben werden. Doch es gibt weitere Gerichtsverfahren, die noch nicht abgeschlossen sind. Der Kampf geht also weiter.