Seit kurzem wird der E-Mail-Dienst Protonmail erneut in Russland blockiert, aber auch für Mailbox.org hat Roskomnadsor eine Sperre beantragt.
Die russische Telekommunikationsbehörde Roskomnadsor sperrt derzeit im Auftrag des Geheimdienstes FSB ausländische Mail-Provider. Darüber berichtete die Nachrichtenagentur reuters. Demgemäß hat Roskomnadsor in den vergangenen Monaten angekündigt, gegen verschiedene Provider vorgehen zu wollen und ebenso Sperren gegen Startmail und mailbox.org angekündigt. Aktuell teilte die russische Nachrichtenagentur TASS am 29. Januar mit, dass der Schweizer E-Mail-Dienst ProtonMail blockiert wurde. ProtonMail legt besonderen Schwerpunkt auf den Schutz der Privatsphäre. Wegen der angebotenen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung war der Dienst auch vorwiegend bei Journalisten und Aktivisten nachgefragt.
Russischer Inlandsgeheimdienst sperrt E-Mail-Anbieter
TASS informierte darüber, dass
„aufgrund einer Vorlage der Generalstaatsanwaltschaft vom 29. Januar 2020, Roskomnadzor den Zugang zu dem E-Mail-Anbieter Protonmail.com im Gebiet der Russischen Föderation gesperrt hat“. Das teilte der FSB mit. Die Maßnahme begründete man damit, um das „Versenden wissentlich falscher Nachrichten bezüglich Bombendrohungen“ zu verhindern. Man wolle so das Internet in der Russischen Föderation vor der Verbreitung von Informationen schützen, die den Bürgern schaden, die aufrechterhaltene Ordnung stören oder das Funktionieren von lebenserhaltenden Einrichtungen, Transportmitteln oder sozialer Infrastruktur bedrohen könnten.“ […] Den Mail-Absendern zufolge sollen sich die Bombendrohungen auf 830 Objekte der Sozial- und Verkehrsinfrastruktur erstreckt haben, darunter Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Transporteinrichtungen und Einkaufszentren. Alle diese Bedrohungen erwiesen sich als falsch.“
Am 23. Januar kündigte man ebenso die Sperrung der in den Niederlanden registrierten Ressource Startmail.com wegen ähnlicher Drohungen an.
Die russische Telekommunikationsbehörde Roskomnadzor bestätigte die Sperrung. Auch hier begründete man die Aktion damit, dass „dieser E-Mail-Dienst von Angreifern schon 2019, aber auch besonders aktiv, im Januar 2020 für Bombendrohungen missbraucht wurde.“ Die Aufsichtsbehörde teilte mit, sie habe ProtonMail um Hilfe bei der Identifizierung der Kontoinhaber gebeten, Das Unternehmen habe dies jedoch verweigert.
ProtonMail bezeichnet Blockade als „irreführende Maßnahme, die nur normalen Menschen schadet“
ProtonMail gab daraufhin bekannt, keine solche Anfrage von russischen Behörden erhalten zu haben. In einem Statement gab der E-Mail-Anbieter bekannt:
„Das Sperren des Zugriffs auf ProtonMail ist eine ineffektive und unangemessene Reaktion auf die gemeldeten Bedrohungen. Es wird Cyberkriminelle nicht daran hindern, Bedrohungen mit einem anderen E-Mail-Dienst zu versenden. Die Cyberkriminellen werden wahrscheinlich auch in der Lage sein, die Blockade mit Tor oder einem VPN zu umgehen, und sie werden mit ziemlicher Sicherheit über diese technische Fähigkeit verfügen. Die Sperrung verweigert jedoch den regulären, gesetzestreuen Bürgern Russlands den Zugang zu sicheren E-Mails und Privatsphäre. Deshalb verurteilen wir diesee Blockade als eine irreführende Maßnahme, die nur dazu dient, normalen Menschen zu schaden.“
ProtonMail rät zur Nutzung des Tor-Netzwerks
ProtonMail empfiehlt vorerst die Verwendung des TOR-Netzwerks (über den TOR-Browser), um auf ihre Dienste weiterhin zuzugreifen zu können. Sie wollen sich „mit den zuständigen Behörden in Verbindung, um die Blockade so schnell wie möglich aufheben zu lassen“.
Auch E-Mail-Anbieter mailbox.org von möglicher Sperrung bedroht
Aber auch der E-Mail-Anbieter mailbox.org ist von dem Rundumschlag betroffen. Ähnlich wie bei ProtonMail, steht auch bei mailbox.org die Sicherheit der User an erster Stelle. Hier werden sämtliche auf den Servern des Dienstes gespeicherte E-Mails mit einem eigenen PGP-Schlüssel abgesichert. Bereits seit 2016 bietet der Dienst zudem seinen Kunden eigene Tor-Exit-Node an. Roskomnadsor hat am 29. Dezember 2019 vor einem Moskauer Gericht die Sperrverfügung von mailbox.org beantragt. Die Telekommunikationsbehörde fordert, dass sich Mailbox.org in das Verzeichnis der russischen Telekommunikationsanbieter eintragen soll. Schließlich wäre der E-Mail-Dienst auch aus Russland erreichbar. Mailbox.org reagiert darauf mit Ablehnung: „Wir hingegen sehen das anders, da wir weder über eine russischsprachige Webseite verfügen noch IT-Systeme in Russland unterhalten noch russische Kundenkreise ansprechen. Aus diesem Grund sehen wir keinerlei Verpflichtung zur Registrierung“.
Wie mailbox.org angibt, wollen sie sich:
„gegen das Vorgehen von Roskomnadsor juristisch wehren. Daher werden wir uns im anstehenden Prozess am kommenden 5. Februar 2020 von einem Anwalt vertreten lassen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, hier aus grundsätzlichen gesellschaftlichen Erwägungen diesem Treiben etwas entgegen zu setzen und für eine freie, sichere Kommunikation einzutreten. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Rechtsanwälte gute Argumente anführen können, um eine etwaige Sperrverfügung des Gerichts zu verhindern.“
Das Unternehmen gibt sich zuversichtlich und erwidert angesichts der möglichen Blockade:
„Sollte es trotzdem zu einer Sperre in Russland kommen, wird mailbox.org dies mit seine 30 Jahren Erfahrung parieren können. Unser Team hat in den letzten drei Wochen verschiedene Zensur- und Sperrmöglichkeiten analysiert und entsprechende Gegenmaßnahmen konzipiert. Auch unser eigener Tor-Exit-Node wird die Verfügbarkeit von mailbox.org für unsere internationalen Nutzer sicherstellen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Roskomnadsor mit seinem Sperrversuch scheitert…“
Reporter ohne Grenzen analysiert die Hintergründe
Reporter ohne Grenzen beobachtet die Entwicklung der Internetzensur bereits seit ihren Anfängen, quasi seit der Wahl Wladimir Putins im Jahr 2000 zum russischen Präsidenten . In einer Vielzahl von Berichten dokumentiert die international tätige Nichtregierungsorganisation die Vielzahl der seither verabschiedeten Gesetze, die Inhalte verbieten. Solche Gesetze verstärken die Überwachung des Datenverkehrs und sollen anonyme Online-Kommunikation, wie verschlüsselte E-Maildienste, unmöglich machen. Die Sperre von ProtonMail ist offenbar noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.
Foto sarangib, thx!
Tarnkappe.info