kim dotcom, megaupload, Caught in the Web
Screenshot von Caught in the Act.

Rezension der Dokumentation „Caught in the Web“ über Kim Dotcom

Wir haben uns die Dokumentation "Caught in the Web" (the most wanted man online) von Annie Goldson und Alexander Behse für Euch genauer angeschaut.

Wir haben uns „Caught in the Web“ (the most wanted man online) von Filmemacherin Annie Goldson und Produzent Alexander Behse genauer angeschaut. Darin geht es um die Achterbahnfahrt (sprich: das Leben) des Kieler Internet-Unternehmers Kim Schmitz Wie sieht es aus: Kann man über den Megaupload-Gründer etwas Neues erfahren, selbst wenn man die Medien regelmäßig verfolgt hat? Wir verraten es Euch.

Rezension der Dokumentation Caught in the Web

Es ging all die Jahre ums Geld. Und ja, es ging und geht auch um aktive Einflussnahme und Politik. Die Dreharbeiten von „The Hobbit“ wurde von der US-Filmwirtschaft als Druckmittel eingesetzt, um die Regierung in Wellington von der Durchführung der hollywoodreifen Erstürmung der Dotcom Villa in Neuseeland zu überzeugen. Und ein führender Vertreter der MPAA sprach bei Barack Obama vor, um ihm klar zu machen, warum es so wichtig sei, die Arbeitsplätze der heimischen Filmwirtschaft mit derartigen Methoden zu schützen. Der ausgemachte Feind der ganzen Lobby-Vereinigungen war Megaupload. Ein Portal, welches in seinen besten Zeiten nicht weniger als vier Prozent des weltweiten Datenstroms auf sich vereinen konnte.

Mitbegründer und Aushängeschild des Sharehosters ist Kim Dotcom, der in Norddeutschland als Kim Schmitz geboren wurde. Angeklagt wurden aber u.a. auch der als genial geltende Chefprogrammierer Mathias Ortmann und Finn Batato, der bis heute bei Nachfolgefirmen für die Unternehmenskommunikation und das Marketing zuständig ist. Auch Ortmann ist im Team geblieben.

Überführen um jeden Preis: Geheimdienst GCSB involviert

Letztlich ging es in der Causa Megaupload auch um den Einsatz unlauterer Mittel, wie das systematische Ausspionieren einiger von der Kreativwirtschaft unerwünschter Figuren. Dem FBI und US-Justizministerium standen bei der Sammlung ihrer Beweismittel gegen das Filesharing-Portal nicht weniger als die Unterstützung des neuseeländischen Government Communications Security Bureau (GCSB) zur Seite. Kim Dotcom, seines Zeichens leidenschaftlicher Egoshooter-Fan, will beim Zocken mit der Xbox geringfügige Verzögerungen registriert haben, die er sich lange nicht erklären konnte. Später, als die Rolle des Geheimdienstes seiner Wahlheimat Neuseeland bekannt wurde, war ihm klar, dass man seine Daten umgeleitet hat, um diese auszuwerten. Auch das wird bei Caught in the Web beleuchtet.

Hat er sich selbst zur Zielscheibe gemacht?

Kim geht sogar davon aus, dass der GCSB sein iPhone zu einer Wanze umfunktioniert hat, um ihn 24 Stunden am Tag abzuhören. Natürlich auch in den Momenten, wenn er seine Freizeit mit seiner früheren Partnerin Mona und den Kindern verbracht hat. Eine im wahrsten Sinne des Wortes dicke Zielscheibe für Musik- und Filmindustrie mag Kim ja gewesen sein. Doch Geheimdienste haben gemeinhin nichts mit dem Copyright zu tun. Sie sollen eigentlich dabei helfen, jegliche Staatsfeinde, Terroristen oder Akteure feindlicher Geheimdienste zu identifizieren und ihre Verfolgung zu unterstützen.

Privatsphäre war unter den Umständen keine mehr gegeben, DOJ & FBI konnten alles mithören und mitlesen. Und das was verschlüsselt war, wie zum Beispiel Skype-Chatprotokolle zwischen den Betreibern, wurden dekodiert und vor Gericht von der leitenden Staatsanwältin vorgelesen. Einer der Verteidiger gab später unumwunden vor der Kamera zu, dass deren Schuldeingeständnis von jetzt auf gleich seine ganze Verteidigungsstrategie über den Haufen geworfen habe. Die versteinerten Blicke der Männer auf der Anklagebank taten ihr Übriges. Im Gruppen-Chat hatten sie sich unfreiwillig selbst überführt. Man glaubte halt, man konnte sich unbeobachtet austauschen.

 

Blick in die Psyche Dotcoms

Das Leben von Kim Schmitz war voller Hoch- und Tiefpunkte. Seine schlimmste Zeit hatte er wohl als Kind, bevor es endlich zur überfälligen Trennung zwischen seinem Vater und seiner Mutter kam. Niemand schaut als Kind gerne zu, wenn der eigene Vater charakterlich im Suff eine 180-Gradwende vollzieht. Noch weniger mag jemand zusehen, wenn die eigene Mutter gedemütigt und geschlagen wird. Kim versucht auf den Kinderfotos zu lächeln, glücklich sieht er dabei nicht aus. Sein Lächeln wirkt künstlich, beinahe gequält.

Dokumentation hält sich bei jeglicher Bewertung zurück

Fanta 4-Mitglied Smudo fragt ihn dann auch, warum er bei den rauschenden Partys, die er immer wieder auf Yachten oder in Villen gab, nie mitgefeiert hat. Dotcom umgibt sich offenbar gerne mit schönen, bekannten oder reichen Menschen. Doch er selbst hat bei diesen Veranstaltungen nie einen einzigen Tropfen angerührt. Er wusste zu gut, wie sehr einen der Alkohol verändern kann. Das wollte er in Anbetracht seines Kindheitstraumas nie am eigenen Leib erleben. Zuzuschauen und dabei zu sein, reichte ihm wohl aus, um die ausgelassenen Feiern genießen zu können.

Fazit von Caught in the Web

Filmemacherin Annie Goldson hält sich bei der Gestaltung ihrer Dokumentation angenehm zurück. Kims deutsche Vorgeschichte, die Verurteilung wegen Insiderhandels im Fall Letsbuyit.com zeigt man zwa. Doch bewerten muss man das Verhalten des Protagonisten selbst. Andere Filmemacher haben aus dem Stoff eine waschechte Räuberpistole gebastelt und keine Gelegenheit ausgelassen, Dotcom vorzuführen. Drei Jahre hat sich Goldson Zeit bei der Erstellung von „Caught in the Web“ gelassen. Sie hatte dabei umfangreichen Zugriff auf das schier unendliche private Filmarchiv des gebürtigen Kielers. Die ständig präsente Kamera war Teil seines PR-Konzepts. Was fotografiert und gefilmt werden konnte, wurde aufgenommen und auf der eigenen Webseite veröffentlicht. Lange vor dem Megaupload-Song (siehe Video am Ende des Beitrages) musste man als Außenstehender glauben, dass Kim mit diversen Hollywoodgrößen und Sängern bekannt war. Doch das war vielfach gar nicht der Fall.

Die Doku zeigt übrigens auch sehr menschliche Züge des deutsch-finnischen Internet-Unternehmers. Am Wahlabend räumte er im September 2014 nicht nur die Niederlage gegen Premierminister John Key ein. Er gab außerdem spontan zu, dass das Scheitern der Mana Party untrennbar mit seiner Person und seinem Image als Bad Boy verknüpft war. Das kommt sehr authentisch rüber und es ist gleichermaßen überraschend. Kim ist bekanntlich kein Kind von Traurigkeit, kein Opferlamm. Doch der Film rückt trotzdem einiges gerade, was in den Medien schief dargestellt wurde. Dotcom ist nicht nur ein Partymeister und Aufschneider, der gerne die Motoren aufheulen lässt. Er ist gleichzeitig auch ein Vater, der sehr liebevoll mit seinen Kindern umgeht. Jemand, der selbstkritisch ist und über seine eigene Rolle nachdenkt. Ein Mann, der wegen seines Aussehens weiß, was er einer Frau bieten kann und was nicht.

Kann man in „Caught in the Web“ viel Neues erfahren?

Ja, das kann man. Allerdings muss man der englischen Sprache mächtig sein, bis auf Smudo und zwei Betreiber einer Edeldisco spricht niemand Deutsch. Davon abgesehen wird das Leben des wohl meist gehassten Mannes sehr gut in beinahe zwei Stunden zusammengefasst. Klar hätte man noch Kims Beziehung zu Günter Freiherr von Gravenreuth oder dem Chaos Computer Club näher beleuchten können. Doch bei 112 Minuten ist einfach Schluss, der Film ist auch so schon mehr als lang genug.

Wen wir neugierig machen konnten: Bei iTunes ist der Download für knapp 10 Euro verfügbar. Wer weniger bezahlen will, die DRM-verknechtete Fassung für maximal 48 Stunden kostet bei vimeo etwa die Hälfte.

Und wem das noch immer nicht reicht: Ein paar mehr Infos sind auf der offiziellen Webseite der Doku verfügbar.

 


Ein Ohrwurm als Song, viele bekannte Gesichter & ein stimmiges Video, was übrigens vor Gericht als Beweismittel verwendet wurde.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.