Morgen diskutieren auf dem Electric Book Fair Autoren und Verleger darüber, wie man aus Buchpiraten Konsumenten machen kann. Doch wie ?
Als Vorbereitung auf das morgige Panel auf dem Electric Book Fair hier noch einige zusätzliche Gedanken zum Thema Buchpiraten. Worin liegt die mangelnde Zahlungsmoral im Web begründet? Wie könnte man daran drehen? Zahlen wir den Preis auch gerne für DRM-Schutzmaßnahmen, oder den jüngst von manchen E-Book-Portalen erzwungenen Verzicht auf unser Widerrufsrecht?
Am morgigen Samstag findet in Berlin die deutschlandweit erste Messe zum Thema E-Books statt. Ab 12 Uhr tauschen sich Autoren, Künstler, Unternehmensberater, Journalisten und anwesenden Gäste darüber aus, wie man aus Buchpiraten Konsumenten machen kann.
Wollen Buchpiraten Geld für E-Books ausgeben?
Warum nur warum zahlen sie nicht für die angebotenen Werke, werden sich die Verleger fragen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon liegt in der Natur der Sache. Nein, vielmehr in der Natur des Webs. Als BTX 1982 in Deutschland eingeführt wurde, wusste jeder Nutzer, dass die anfallenden Kosten für verschiedene Seitenaufrufe auf der Hauptseite eingeblendet wurden. Wer Bildschirmtext nutzte, achtete peinlichst genau auf das Feld, wo der Preis in DM stand. Die Gebühren für den Besuch besonderer BTX-Seiten wurden automatisch zusammen mit der Telefonrechnung vom Girokonto abgebucht. Das war auch der Grund, warum der „BTX-Hack“ vom CCC im Jahr 1984 so populär war.
Dem Chaos Computer Club gelang es, ein Guthaben von 135.000 DM zu erzeugen, welches später der Hamburger Sparkasse (Haspa) zurückerstattet wurde. Da die Passwörter der Haspa via BTX unverschlüsselt übertragen wurden, loggte man sich kurzerhand mit deren Account ein und besuchte immer wieder eine kostenpflichtige Seite des CCC. So wurden über Nacht Kosten in unglaublicher Höhe generiert. Und das obwohl zuvor von der Deutschen Bundespost behauptet wurde, die Nutzung von BTX sei absolut sicher. Doch um derartige Aussagen des damaligen Bundespostministers geht es hier gar nicht. Es geht darum, dass jedem Benutzer von Bildschirmtext klar war, dass er neben den kostenlosen Angeboten auch kostenpflichtige nutzen konnte. Jeder war also auf der Hut, wo er sich aufhielt.
Wir zahlen mit unseren Daten!
Und heute? Wir zahlen kein monatliches Abo bei Facebook. Auch für die Nutzung von WhatsApp, Twitter oder Google Mail wird uns nichts vom Konto abgebucht. Das Internet funktioniert schlichtweg anders. Uns wird Werbung angezeigt und dafür sammelt man das Maximum an Daten, um die Werbung so zielgerichtet wie möglich ausliefern zu können. Die Daten unseres Nutzerverhaltens können die Betreiber zudem gewinnbringend an Dritte veräußern, die uns wiederum mit Werbung behelligen wollen. Würde Marc Zuckerberg monatlich 5 Euro berechnen, wäre Facebook ganz schnell leer. Die meisten Surfer würden kurzfristig zum nächsten Anbieter wechseln, wo die Nutzung gratis ist.
Tja. Und dann möchte man zeitgleich etwas über das Internet veräußern, was nicht gegenständlich (haptisch) ist. Das ist gelinde gesagt schwierig. Dazu kommt: Softwarepiraterie ist kein Delikt von wenigen Außenseitern oder Kriminellen. Mittlerweile ist der illegale Bezug von Musik, Filmen oder E-Books im Mainstream angekommen. Die Leute machen es und beschweren sich höchstens, wenn sie dabei erwischt werden und die Gebühren einer Abmahnung bezahlen sollen. Die Musikindustrie hat damals fast zehn Jahre die Zeichen der Zeit verschlafen. Als mit Napster 1999 die weltweit erste Tauschbörse im Internet aufkam, hätte man sofort mit ähnlich attraktiven legalen Alternativen kontern müssen. Das ist leider nicht passiert. Es ist jetzt sehr schwer, die Nutzer zum Umdenken zu bewegen.
Legale Anbieter müssen mit Service und niedrigen Preisen punkten! Buchpiraten nicht.
Und das ist auch die Kernaussage. Wer etwas legal über das Internet verkaufen will, muss so bequeme und günstige Konditionen wie möglich anbieten. Jede DRM-Verschlüsselung oder sonstige Hürde, die das Einkaufen und den Konsum unbequem gestaltet, muss abgebaut werden. Wer das nicht tut, fördert indirekt die Piraterie. Eine aktuelle Studie zum Thema E-Commerce zeigt, dass Kunden vom ersten Besuch bis zur Lieferung ihrer Ware einen reibungslosen Ablauf gänzlich ohne Hürde erwarten. Der gesamte Kaufprozess unterliegt mittlerweile extrem hohen Anforderungen. Online-Händler sind gefordert, ein Höchstmaß an Convenience zu bieten. Die Buchpiraten haben das längst verstanden.
Ähnliches schrieb schon vor zwei Jahren der spanische Autor Alfredo Álamo, der sich in seinem Blogbeitrag sehr darüber wunderte, dass sein damals neues Buch schon bei den Buchpiraten angekommen war. Álamo glaubt, dass man mit dem digitalen Vertrieb eines gedruckten Buches nicht zu lange warten darf. Ansonsten wird es von eingescannt und schwarzkopiert. Er weist auch zu Recht darauf hin, dass jeder Verkaufspreis jenseits der 10 Euro inakzeptabel ist. Bei mehr als 10 Euro ist es sehr schwierig, Käufer für das eigene Werk zu finden. Vor allem dann, wenn man kein bekannter Autor ist. Ein guter Preis für alle Formate muss her. Leider haben die Autoren das nicht immer in der Hand!
Wenige Großverdiener, viele Autoren jobben nebenher
Doch was längst hätte passieren müssen, ist den Konsumenten und vor allem den ausgemachten Fans klarzumachen, dass sie als Schwarzkopierer selbst aktiv dazu beitragen, dass es von ihrem Lieblingsautor demnächst möglicherweise keine neuen Bücher mehr geben wird. Warum? Der Autor gibt auf und fährt fortan Taxi, weil man selbst damit mehr Geld verdienen kann. Utopie? Mitnichten. Ähnlich wie in der Musikindustrie gibt es auch hier einige wenige Superstars bei den Autoren, die weiterhin problemlos ihre Umsätze einfahren. Doch das ist die totale Ausnahme, nicht die Regel. Auch das scheint kaum jemandem klar zu sein. Ihr wollt weiterhin gute Bücher lesen? Dann kauft wenigstens hin und wieder eines eures Lieblingsautors. Auch wenn Konzerne wie Google oder Amazon für Inhalte am liebsten nichts zahlen würden: Von nichts kann kein Autor, Musiker oder Schauspieler leben.
Verlage bei der Bekämpfung von Buchpiraten uneins
Wichtig ist es auch den Konsumenten deutlich zu machen, dass es keine in Reih und Glied stehende Content-Industrie gibt. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Auch bei den Verlagen kocht jeder sein eigenes Süppchen. Die einen beauftragen für viel Geld die GVU, die meisten ziehen es aber vor das Problem lieber gar nicht nicht zu behandeln. Wieder andere Verleger wenden sich an Unternehmen wie Lisheennageeha oder File Defense, um bei den Sharehostern dafür zu sorgen, dass einige ihrer Titel nicht mehr illegal verfügbar sind. Außerdem gibt es nicht nur die gut laufenden Majors, sondern eine Vielzahl kleiner Firmen, deren Existenz direkt bedroht ist oder schon war. Bedroht durch die Kopiererei sind Arbeitsplätze und letztlich auch Kulturgut.
Das wäre in den letzten Jahren gute PR gewesen. Das hätte vielleicht noch etwas bewirkt. Und nicht die lächerlichen Kampagnen, die von der Filmwirtschaft bis heute vorangetrieben werden. Schwarzkopierer sind Verbrecher. Noch drei Mal singen, bis der Papa aus dem Knast kommt. Der Flirt in der Disco muss in fünf Minuten fertig sein, weil der Urheberrechtsverletzer sein halbes Leben im Knast verbracht und keine Zeit mehr übrig hat. Diesen Mist muss ich mir auch noch antun, sollte ich eine gekaufte DVD abspielen wollen. Diese fürchterlichen Anti-Raubkopierer-TV-Spots sind ehrlich gesagt das beste Argument, keine Filme mehr im Original zu kaufen.
Eine Servicewüste ist keine gute Werbung
Und was passiert stattdessen? Seit kurzem gibt es in Deutschland ein gesetzliches Widerrufsrecht für E-Books. Soll heißen, man darf diese innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben. Wie der Kollege bei Lesen.net berichtet, haben sich die Online-Händler Thalia und Weltbild eines Tricks bedient, um die Abnehmer um ihr Recht zu bringen. Dort muss man nämlich vor dem Abschluss des Kaufvertrages unfreiwillig alle Rechte abtreten. Wer nicht auf die vom Gesetzgeber kürzlich eingeführten Rechte verzichtet, dem wird der Kauf einfach unmöglich gemacht.
Wer bei Hugendubel oder Buecher.de zur Kasse gehen will, muss sogar vorher auf das eigene Widerrufsrecht verzichten. „Kauf es so, wie wir es wollen! Oder geh zu Ebook.de oder zum Leitwolf Amazon.“ Will man uns das tatsächlich sagen? Soll so die unglaubliche Marktmacht von Amazon noch weiter ausgebaut werden? Der US-Konzern hat zumindest verstanden, dass man beim Abnehmer nur mit Service, Service und nochmals mit Service punkten kann.
Ob es den Verlagen noch nicht weh genug tut, was im deutschsprachigen Raum passiert!?? Vielleicht müssen noch mehr Verlage vor die Hunde gehen, bevor sie verstehen, dass sie um die Gunst der Leser werben müssen. Wer uns solche Servicewüsten präsentiert, schreckt jeden Käufer ab und schickt sie zur illegalen Konkurrenz. Dort gibt es alles ohne Einschränkung und sogar umsonst.
Ehrliche Käufer müssen durch ihre Handlung einen Mehrwert erhalten und keinen Nachteil. Sonst klappt das nicht mit der Konvertierung von Schwarzkopierern in ehrliche Kunden. Oder liebe Buchpiraten, was meint ihr dazu?
Tarnkappe.info