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Großbritannien: Meinungen zum neuen Gesetz Investigatory Powers Act

Die britische Bürgerrechtsorganisation Liberty warnt in einem Youtube-Video vor dem neuen Gesetz Investigatory Powers Act, das im Dezember in Kraft trat.

Die britische Bürgerrechtsorganisation Liberty warnt in einem Youtube-Video vor dem neuen Gesetz Investigatory Powers Act, das im Dezember 2016 in Kraft trat. Es ist ein Gesetz zur Internetüberwachung und Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und soll der Regierung im Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen weiterhelfen. Darüber berichtete euronews.com.

Behörden erhalten durch Gesetz Einblick in private Internetverbindungen

Das Gesetz gestattet sowohl Polizei als auch Geheimdiensten und gut vierzig anderen Regierungsbehörden einen Einblick in private Internetverbindungen, ohne Durchsuchungsbefehl. Es haben selbst der nationale Gesundheitsdienst, die Lebensmittelaufsicht und die Rentenkasse Zugriff auf diese Daten. Zudem besteht eine Verpflichtung für Telekommunikations- und Internetanbieter, die Daten über Online-Aktivitäten ihrer Kunden zwölf Monate lang zu speichern.

Als zu weitgehend und für eine Demokratie nicht gerechtfertigt hat der Europäische Gerichtshof diese generelle, unterschiedslose Datenspeicherung verurteilt. Ihm zufolge wären nur gezielte Ermittlungen bei schweren Straftaten gerechtfertigt.

Beunruhigende Veränderungen

Liberty-Aktivistin Silkie Carlo ist beunruhigt und gibt weitere Details bekannt. “Unsere Kommunikationsdaten, E-Mails, Anrufe, SMS, an wen und wann, und all unsere Internet-Aktivität können selbst für Ermittlungen bei unerheblichen Straftaten eingesehen werden. Die Überwachungsstellen brauchen noch nicht einmal die Zielobjekte zu identifizieren – Polizei und Geheimdienste können also einen Computer oder tausende Computer hacken, ohne die Zielpersonen zu benennen. Zudem müssen sie diesen nicht mitteilen, dass sie überwacht wurden. Was bedeutet, dass tausende Menschen, in deren Privatleben eingegriffen wird, deren Telefone gehackt und deren Gespräche abgehört wurden, das nicht einmal wissen und nie davon erfahren werden.”

Neue Befugnisse für Internet-Anbieter sehr kostspielig

Telekommunikations- und Internetanbieter, wie Adrian Kennard beanstanden, das neue Gesetz sei technisch aufwändig für sie umzusetzen und damit kostspielig. Er bezweifelt auch den Nutzen: “Es besteht ein echtes Risiko, dass all dieses Geld ausgegeben wird, ohne dass es was hilft. Man sieht doch, wie Kriminelle das Gesetz umgehen können. Und die Normalbürger, die um ihre Privatsphäre besorgt sind, werden das auch lernen. Das Beste, was wir als Internet-Provider tun können, ist, unsere Kunden zu informieren und auszubilden. Ihnen zu helfen, ihre e-Mails zu verschlüsseln. Das ist noch nicht mal regierungsfeindlich: Die Regierung steht doch auf derselben Seite wie die Kriminellen. Sie versuchen, dich auszuspionieren und abzuhören. Es sind also dieselben Methoden, sich vor Kriminellen wie vor diesen Schnüfflern zu schützen.”

Warum das eigene Volk ausspionieren?

Der Journalist Jason Parkinson äußert sich dazu als Vertreter seiner Berufsgruppe zu dem Gesetz. “Die Nachrichtendienste sollten sich auf das konzentrieren, was eine wirkliche Bedrohung für die Öffentlichkeit und dieses Land darstellt. Uns auszuspionieren, nur weil wir die Regierung in die Verantwortung nehmen, ist ein gefährlicher Weg. Noch wichtiger ist, dass die Informanten und Whistleblower nicht mehr geschützt sind. Sie werden Angst haben, Journalisten zu kontaktieren, um auf Dinge hinzuweisen, die schieflaufen, denn sie müssen fürchten, geschnappt zu werden.”

David Anderson, Unabhängiger Gutachter der britischen Anti-Terror-Gesetzgebung, hingegen ist überzeugt, dass das Gesetz seine erhoffte Wirkung nicht verfehlt. Er hat die neuen Vorgaben überprüft: “Alle Befugnisse, die Polizei und Geheimdienste hierzulande nutzen oder nutzen wollen, sind jetzt klar schwarz auf weiß aufgelistet. Das war vorher nicht so, und das ist auch in den meisten Ländern der Welt nicht so. Meine Schlussfolgerungen auf Basis von rund sechzig detaillierten Fallstudien waren, dass diese Befugnisse wirklich nützlich sind. Zum Beispiel beim Schutz gegen Cyber-Kriminalität, gegen feindliche ausländische Mächte, bei Geiselnahmen, der Suche nach Vermissten und natürlich bei Ermittlungen in schwerwiegenden Straftsachen.”

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.