Der satirische Monatsrückblick - diesmal unter anderem mit Krypto-Währungen, Chelsea Manning und Lügen rund um eine Piraterie-Studie.
Es geht weiter im Jahreskreis und so hat bereits der Herbst Einzug gehalten. Passend zu Regen, dunklen Abenden und bunten Blättern herrschte auch bei den Reichen, Mächtigen, Berühmten und denen, die es nur allzu gerne werden wollen, herbstliche Stimmung. Statt allerdings am Lagerfeuer zu sitzen oder im Herbstwald spazieren zu gehen, setzten diese Damen und Herren das Thema anders um. Wie, zeigt unser satirischer Monatsrückblick.
Stell dir vor, es ist Cyberkrieg, und keiner geht hin
Der Herbst ist traditionell auch die Zeit der Melancholie und des Nachdenkens über Verlust und Vergänglichkeit. Dieser Tage denken viele Menschen darüber nach, wer oder was ihnen fehlt. Nehmen wir beispielsweise das neue IT-Kompetenzzentrum Zitis. Dessen Chefs verspüren aktuell eine schmerzhafte Leerstelle, denn es fehlt der neu gestarteten Behörde noch an so einigem. So hat die Hacker-Behörde eines zum Beispiel nicht: Hacker. Viel zu viele Stellen seien noch unbesetzt, klagen die Verantwortlichen. Ob es an der tollen Bezahlung liegt oder an der hehren Aufgabe, zu überwachen und Trojaner zu programmieren? Man weiß es nicht…
Nun ja, dergleichen kann ja mal passieren. Es ist keineswegs so, als sei dieser Vorfall peinlich oder problematisch. Schließlich sind Aussagen wie „Ich habe eine großartige Armee – zwar keine Soldaten, aber die Kaserne ist toll und ich habe schon einen Angriffsplan in der Tasche“ auch ganz normal, oder? Oder?
Des Cybers Lehr- und Wanderjahre
Lange Herbst- und Winterabende sind auch der Zeitpunkt für das Erzählen von Geschichten am Kamin- oder Lagerfeuer. Dabei allerdings vermischen sich häufig Realität und Fiktion. Egal, ob es angebliche eigene Heldentaten, Seemannsgarn, Jäger- oder Anglerlatein sind – oder die gruseligen Untiefen des elektronischen Neulands. So glauben tatsächlich viele Menschen, dass Krypto-Währungen tatsächlich etwas mit Cybercrime zu tun haben. Ähm, klar. Ist ja schließlich das selbe Internet. Außerdem habe ich gehört, dass auch extremistische Cybers gerne in Bitcoin zahlen. Also dann, Kinder, spitzt die Ohren. Es war einmal… im Cyberspace…
Reality is scarier than fiction
Ebenfalls gerne im Herbst erzählt werden Gruselgeschichten und Horrormärchen. Was gibt es schaurig-schöneres als Grusel zwischen Herbstnebel, langen Nächten, dem „ES“-Kinostart und der Vorfreude auf Halloween?
Weniger schön ist allerdings, wenn der Grusel nicht in der Erzählung, auf den Seiten oder auf der Leinwand bleibt. So fühlte sich Chelsea Manning, kürzlich aus dem Gefängnis entlassen, in ihren ersten Monaten in Freiheit nach eigenen Angaben in einen „dystopischen Roman“ versetzt. Nun, wir wissen jetzt zumindest, wieso Manning sich im US-Militär nie so recht zuhause fühlte – wenn sie solche Ausdrücke kennt, verwundert das nicht weiter…
Inhaltlich jedoch muss man Manning leider zustimmen. Ein Land, regiert von einem verrückten Reichen, der sich mental irgendwo zwischen dem pickeligen Internettroll aus der 10b, dem peinlichen Reichsbürger-Onkel, der betrunken auf Familienfeiern faschistische Theorien zum Besten gibt und seinen Aluhut allenfalls zum Duschen abnimmt, und einem mittelmäßig geschriebenen Bond-Schurken aus den 1960ern bewegt. Eine Gesellschaft, in der die Grundrechte mehr und mehr abgeschafft werden. Und, last but not least: Menschen, denen man 2017 tatsächlich immer noch erklären muss, dass Whistleblower keine Verräter sind. Klingt schon ziemlich dystopisch. Ich glaube, da nehmen wir lieber wieder die Horrorclowns.
Fake News von höchster Stelle
Wo wir gerade bei erfundenen Geschichten sind: dass Politikerinnen und Politiker mitunter zur Wahrheit ein eher lockeres Verhältnis haben, ist an und für sich in etwa so eine neue Erkenntnis wie die, dass bei herbstlichen Temperaturen mehr Heißgetränke verkauft werden. Mitunter finden sich jedoch so spektakuläre Beispiele für die mangelnde Wahrheitsliebe der herrschenden Klasse, dass es durchaus noch zu erstaunen vermag.
Jüngstes Beispiel: eine Piraterie-Studie, die blöderweise einfach nicht das von der Regierung gewünschte Ergebnis erzielte. Sie kam nämlich zu dem Schluss, dass illegale Streams und Downloads keineswegs den Untergang des Abendlandes bedeuten (auch eine etwa so bahnbrechende Entdeckung wie „krass, seit die Temperaturen einstellig sind, trinken die Leute doppelt so viel Chai Latte“, aber sei es drum).
Dieses Ergebnis nun passte natürlich eher so bedingt zur politischen Agenda. Natürlich hätte man es trotzdem im Sinne der Wahrheit und des Lernens umgehend veröffentlicht – wäre es nicht zu einem bedauerlichen Zwischenfall gekommen. Dummerweise fiel die Studie nämlich auf dem Weg zur Veröffentlichung in den Papierkorb. Mit Anlauf. Mehrere Meter horizontal. Ohne, dass es jemand merkte. Kann ja jedem mal passieren.
Und diese Regierung will Fake News bekämpfen? Ich denke, das sagt alles über die Absurdität der Wirklichkeit.
Deutschland im Herbst
Wie wir sehen, ist die Jahreszeit auch schon voll in den Köpfen der Mächtigen angekommen. Ob das erfreulich ist, sei dahingestellt. Jedenfalls können wir prophezeihen, dass die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen den Wahnsinn noch auf die Spitze treiben werden. Denn auch dafür steht ja der Herbst: die Rückkehr ins politische Tagesgeschäft. Für Unterhaltung ist also gesorgt. Wir werden euch auf dem laufenden halten. Bis dahin macht es gut und genießt den Herbst, womöglich mit einem Heißgetränk eurer Wahl.