Lucky von DiDW: Interview mit einem ehemaligen JVA-Insassen

Lucky von DiDW: Interview mit einem ehemaligen JVA-Insassen

In einem Interview gibt ein ehemaliger JVA-Insasse preis, wie seine Begenung mit Lucky von DiDW verlief und klärt über Haft-Interna auf.

Wir haben uns kürzlich mit einem Zellennachbarn von Alexander U. getroffen. Lucky, wie er sich im Deepweb nannte, war bis zu seiner Verhaftung Betreiber und technischer Administrator des Forums Deutschland im Deep Web (DiDW). Der Befragte saß mit ihm in der JVA Karlsruhe.

Hintergrund zu Lucky

Der Haftalltag bringt einschneidende Veränderungen mit sich und geht mit einem totalen Kontrollverlust über das eigene Leben einher. Da das Gericht noch kein Urteil gefällt hat, gilt zwar in der Untersuchungshaft zunächst jeder Arrestant als unschuldig, dennoch wird der Tagesablauf auch hier streng vorgegeben. Alle Tage verlaufen in etwa nach dem selben Schema wie die vorangegangenen, Freiräume sind kaum vorhanden.

Wir haben mit einem ehemaligen JVA-Insassen gesprochen, der in Karlsruhe inhaftiert war. Genau dort sitzt auch Lucky aka Alexander U., der einstige Betreiber der Darknet-Plattform „Deutschland im Deep Web“ (DiDW) und vormaliger Karlsruher Informatik-Student, ein. Im folgenden Interview gibt uns unser Gesprächspartner darüber Auskunft, wie sein Haftalltag verlaufen ist. Er informiert uns aber auch speziell über sein Zusammentreffen mit Alex.

U-Haft wegen Raub und Diebstahl

Wie empfandest du persönlich die Umstellung, plötzlich in Untersuchungshaft zu sein?

Ich wurde am 15. November ca. um 21:30 Uhr direkt an der Autobahn verhaftet. Die Polizei hat gleich unser Auto nach Drogen durchsucht. Das war verbunden mit einer einstündigen Wartezeit. Mir wurde meine Jacke, der Rucksack und mein Wohnungsschlüssel abgenommen. Die Sachen habe ich bis zum heutigen Tag nicht zurückbekommen. Wegen fehlender Jacke war mir natürlich kalt. Mir wurde lediglich gestattet, im Kreis laufen zu dürfen, um mich ein wenig aufzuwärmen. Dann ging es weiter zur Kripo. Die wollten eine Aussage von mir und auf einem Formular eine Unterschrift. Ich verweigerte das aufgrund eines Formfehlers. In Folge kam ich in eine Gewahrsamzelle, durfte niemanden anrufen. Ich hatte 23 Stunden nicht geschlafen, mir war immer noch kalt. Besonders fehlten mir meine Zigaretten…

Wie kam es zu seiner Inhaftierung?

Möchtest du darüber sprechen, wie es bei dir zur Inhaftierung gekommen ist?

Video-Chats Bundesverfassungsgericht

Ja, ich sage dazu etwas. Ich bin um 6 Uhr morgens losgefahren. Es ging von Leipzig über München nach Stuttgart und dann nach Karlsruhe. Dort war es geplant, uns mit einem Bitcoinhändler, der ganz offensichtlich Steuern sparen wollte, in einer Kneipe, dem Chicken House, zu treffen. Vereinbart hatten wir mit ihm, dass er für 10.000 Euro Bargeld von uns im Gegenwert Bitcoin erhält.

Allerdings waren meine Kumpels anderer Meinung. Sie nahmen ihm sein Geld ab, drückten ihn dabei an die Wand, stiegen wieder in das Auto und ich fuhr los. Der betrogene Betrüger verfolgte uns jedoch und erkannte noch einen Teil unseres Nummernschildes. Er alarmierte sofort die Polizei, wir wurden aufgegriffen. Hinzu kam noch, dass der Mann jeden einzelnen Schein seines Geldes fotografiert hatte. Ich selbst war als Fahrer nicht an der eigentlichen Tat beteiligt, man legte mir zwar räuberische Erpressung und auch Habgier zur Last. Das stimmt jedoch so nicht. Ich erhielt bei der folgenden Gerichtsverhandlung eine Bewährungsstrafe, ging aber in Revision. Mein eigentliches Motiv, da überhaupt mitzumachen, war Neugier.

JVA Karlsruhe: sehr karge Einrichtung

Wie kamst du mit dem Zwang zurecht, auf kleinstem Raum eingesperrt zu sein, wie waren die hygienischen Gegebenheiten?

In der Gewahrsamzelle befand sich ein karges Holzbett, ich hatte nur eine Decke zum Zudecken, ein Kopfkissen fehlte völlig. Später wurde ich in die JVA Karlsruhe gebracht. Dort waren wir zu dritt in einer Zelle untergebracht. Lucky ging es natürlich genauso. Wenigstens hatte ich noch ein Guthaben über 80 Euro einstecken. Davon konnte ich mir endlich Zigaretten kaufen. Auffällig in der JVA war der große Teil an inhaftierten Ausländern.

Zu duschen war uns nur zweimal in der Woche gestattet, immer montags und donnerstags für üppige 7 Minuten Duschzeit in einer Gemeinschaftsdusche. Die Toilette befindet sich teilweise ohne Abtrennung im Raum, aber das ist je nach Zelle unterschiedlich. Bei einigen gibt es Vorhänge, bei anderen wieder nicht, nur die 4-Mann-Zellen haben ein separat abgetrenntes WC. Einmal pro Woche konnte man die Wäsche zum Waschen abgeben, man bekam dann neue zum wechseln, das war bereits sehr grenzwertig. Nach drei Wochen wurde ich in eine 2-Mann-Zelle verlegt.

Haftbedingungen

Wie waren für dich die Haftbedingungen in Karlsruhe?

Schrecklich, die Wände waren vollgetackt, vergilbt, das Bett war ein ausgemustertes Bundeswehrbett, Essen war eklig. Ich bin auf Moslemkost umgestiegen, um überhaupt was essen zu können. Zu trinken gab es nur Tee mit beigefügtem Testosteronhemmer oder Muckefuck. Nachts bei den Minusgraden draußen hatten wir 13-14 Grad Zellentemperatur.

Wir haben zusätzliche Decken beantragt. Bei Extrawünschen geben sich die Wärter allerdings genervt. So gingen ganze drei Wochen ins Land, ehe wir die Decken bekamen. Um 7 Uhr wurden wir täglich geweckt, die “Lebendkontrolle” durch die Justizbediensteten erfolgte. Danach gab es Frühstück. Gegessen wurde stets auf der Zelle. 17 Uhr gab es Abendessen, am Wochenende bereits 16 Uhr.

Keine Bücher, kaum Input

Hattet ihr Zugang zu kulturellen Werten, wie Büchern oder einen Fernseher, wie sind die Besuchszeiten geregelt?

Bücher gab es bei uns keine. Erst auf Antrag war es jedoch möglich, sie sich von außen schicken zu lassen. Die erste Zeit hatte ich keinen Fernseher, nur ein Radio. Zeitung kann man ausschließlich nur auf dem täglichen Hofgang lesen. In der 2-Mann-Zelle teilten wir uns die Kosten für einen Fernseher. Pro Monat waren dafür 20 Euro fällig. Besuchszeiten sind im Monat auf zwei mal 30 Minuten beschränkt und das nur unter strenger Aufsicht.

Gingst du einer Beschäftigung nach? Was hast du gemacht?

Wir hatten die Möglichkeit, einen Antrag auf Arbeit zu stellen. Es gab dann verschiedene Einsatzgebiete. Entweder wurde man in der JVA-eigenen Produktionsstätte eingeteilt zum Herstellen von Hängeregistern, als Putzkraft innerhalb der JVA oder im Küchendienst. Ich machte die Hängeregister, faltete dazu Ordner für Krankenhäuser oder für Continental. Außer mir arbeiteten da nur zwei Deutsche, alles andere waren Ausländer. Die Arbeit hatten, durften dann auch dreimal duschen, nämlich montags, mittwochs und freitags.

Tabak und Kaffee als eigene Währung

Was hast du verdient, hattet ihr Läden im Gefängnis, wie teuer waren die angebotenen Waren im Verhältnis zu euerem Verdienst?

Die Arbeitszeiten gingen bei uns von 7.30 Uhr bis 15.20 Uhr, einschließlich Frühstücks-, Mittags und Kaffeepausen. Wir haben für unsere Arbeit 43 Euro pro Monat verdient. Einen eigenen Laden hatte die JVA Karlsruhe nicht. Es gab aber die Möglichkeit für uns, über eine ausgegebene Liste, die über Edeka lief, einzukaufen. Darauf wurde angekreuzt, was man möchte, allerdings haben teilweise die Auslieferungen nicht gestimmt. Im Gefängnis gab es beispielsweise nur Äpfel, die Liste gab einem die Gelegenheit, noch was anderes an Obst dazuzukaufen und dann vor allem Tabak und Kaffee.

Das galt ebenso als Währung im Gefängnis. Es gab keinen hauseigenen Frisör. Allerdings erklärte sich ein Syrer bereit, Haare zu schneiden. Er wurde dann mit Tabak bezahlt. Die Einkaufspreise waren so akzeptabel, nur kam man nicht hin mit dem Verdienst. Meine Freundin schickte mir jeden Monat was zusätzlich. Damit kam ich dann über die Runden. Hygieneartikel wurden in der Regel für Bedürftige vom Gefängnis gestellt. Wer Arbeit hatte, musste sie jedoch selbst bezahlen. Zu Weihnachten bekamen alle Insassen 2 Tüten Tabak, 2 Schachteln Zigaretten, eine Tüte Kaffee und auch Lebkuchen. Das war mal was Besonderes.

Waren Kontakte zu anderen Mitinsassen generell erlaubt? Oder habt ihr euch nur auf dem Hofgang getroffen?

Es gab keinen Aufschluss, Kontakte waren folglich nur auf dem Hofgang möglich oder auf der Arbeit. Der Hofgang fand täglich von 12 bis 13 Uhr statt, ansonsten hatten nur die Arbeitsbereiche untereinander Kontakt.

Lucky: alles oder nichts!

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Du hast dort Lucky, den ehemaligen Betreiber der Darknet-Plattform „Deutschland im Deep Web“ (DiDW) kennengelernt. Sein Prozess hat ja einiges Aufsehen erregt, fand doch gerade auf diesem Market der entscheidende Waffenkauf statt, der den Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016 erst ermöglicht hat.

Dieser hat neun Todesopfer gefordert, fünf Menschen wurden verletzt. Lucky wurde im Resultat zu 6 Jahren Haft verurteilt. Viele halten ihm ja zugute, dass auf seinem Portal ein ungehinderter, unzensierter Meinungsaustausch möglich gewesen ist. Wie siehst du ihn, nachdem du ihn kennengelernt hast? Wer ist Lucky für dich?

Ich habe Alex auf dem Hofgang kennengelernt. Wir kamen auch ins Gespräch. Er erzählte mir von “Deutschland im DeepWeb”. Er äußerte:

“Entweder man ist DiDW und macht alles oder man lässt es ganz.”

Damit meinte Lucky, dass er offen war für Geschäfte wirklich aller Art, wie eben auch die Waffenverkäufe. Alex Seite war sicher, sein VPN perfekt. Auf seine Spur kamen die Ermittler, indem sie der Spur des Geldes folgten. Alex nahm im Monat zwischen 3.000 und 6.000 Euro allein an Spendengeldern ein. Auch die Polizei hat Geld gespendet und dann den Weg nachvollzogen. Gewöhnlich nutzte Alex den Helix by Grams Bitcoin Mixer, jedoch mitunter vergaß er das.

Ohne die Spenden durch einen Bitcoin-Mixer zu schicken oder für nur 100 Euro eine Bitcoin Debitkarte zu kaufen oder die Spenden sonstwie zu verschleiern, hat sie Alex einfach nur auf sein legales, auf seinen bürgerlichen Namen registriertes, Fidorkonto geleitet. An der falschen Stelle gespart zu haben, hat sich dann als folgenschwerer Fehler erwiesen. Im Gefängnis war Lucky für den Küchendienst eingeteilt. Da er ja für längere Zeit einsitzt, hat er auch im Gefängnis den für diese Arbeit notwendigen Hygieneausweis bekommen. Er kam sehr selbstbewusst rüber, hatte fast schon ein großspuriges, arrogantes Auftreten.

DiDW Zwei Mauer Deutschland im Deepweb Lucky

Happy End – auch für Lucky?

Nach 95 Tagen im Gefängnis, hieß es kurz vor dem Abendbrot lapidar: “Sie können jetzt gehen.” Da stand ich da, ohne Jacke und wusste nicht einmal, wie ich von dort fortkommen sollte. Ich habe dann eine Sozialjacke bekommen, die sah wirklich schrecklich aus. Nun hatte ich endlich mein Leben zurück und nach der Verhandlung kann ich auch endlich wieder Pläne für meine Zukunft machen.

Bildquelle: whoalice-moore, thx! (Pixabay Lizenz)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.