Die MV-Initiative zur Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat erhielt durch den Bundesratsausschuss für Frauen und Jugend eine klare Absage.
Mecklenburg-Vorpommerns (MV) Innenminister Lorenz Caffier (CDU) forderte am vergangenen Freitag im Bundesrat eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS). Dazu solle die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine Mindestspeicherpflicht vorbereiten. Jedoch steht der Vorstoß Mecklenburg-Vorpommerns nun bereits vor dem Aus. Der Bundesratsausschuss für Frauen und Jugend beschloss am Mittwoch mit großer Mehrheit, „die Beratung der Vorlage bis zum Wiederaufruf zu vertagen”, berichtet das News-Portal Golem.de.
Vor dem Hintergrund des Kampfes gegen Kinderpornografie und Rechtsextremismus sollte auf Antrag Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) der Bundesrat die Bundesregierung bereits vor einer anstehenden Klärung durch den EuGH dazu veranlassen, die Einführung einer „verfassungsrechtlichen und europarechtskonformen“ Mindestspeicherpflicht vorzubereiten. In einer, im Entschließungsantrag enthaltenen Begründung verwies man darauf, dass die Identifizierung von Personen im Internet im Kampf gegen Kinderpornografie und rechtsextremistische Straftaten zu häufig an der Realität scheitern würde. Allein im Jahr 2017 ließen sich ca. 8.400 Verdachtshinweise nicht aufklären, hieß es. Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) informierte darüber, das sei darauf zurückzuführen, „da die jeweiligen deutschen IP-Adressen mangels Umsetzung der Mindestspeicherpflichten keinen konkreten Personen mehr zugeordnet werden konnten“.
VDS-Vorstoß von Mecklenburg Vorpommern kassiert Schlappe vor Bundesratsausschuss für Frauen und Jugend
Bezüglich der MV-Initiative zur Vorratsdatenspeicherung hat der Ausschuss für Frauen und Jugend am vergangenen Mittwoch getagt. Aus einem Ausschussdokument, das Golem.de vorliegt, geht hervor, dass man beschlossen hat, auf Antrag Baden-Württembergs mit großer Mehrheit, „die Beratung der Vorlage bis zum Wiederaufruf zu vertagen“. Einigen konnte man sich, gemäß Protokollerklärung der Länder Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz, darauf, dass „richtungsweisende Gerichtsurteile zur Vorratsdatenspeicherung“ zunächst abgewartet werden. Im Familienausschuss stimmten allein Bayern, Sachsen und das Saarland dem Vorschlag Mecklenburg-Vorpommerns zu, Stimmenthaltungen gab es bei Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Im Rechts- und Innenausschuss der Länderkammer hingegen fand der Entschließungsantrag noch eine Mehrheit. Das bedeutet infolge, das Thema wird gar nicht erst auf der Tagesordnung erscheinen. Lorenz Caffier äußert, vom Ergebnis enttäuscht, entsprechend:
„Dass ausgerechnet ein Familienausschuss, dem es doch vorrangig um den Schutz der Kinder gehen muss, so votiert, hätte ich nicht erwartet“.
MV-Initiative stieß auf Kritik
In der Protokollerklärung verwies man lt. Golem darauf: Eine Vorbereitung neuer Gesetzgebung auf Grundlage von Mutmaßungen „erscheint nicht sinnvoll”. Erst mit Kenntnis der ausstehenden Klärung von bisher noch offenen Fragen zur VDS durch den EuGH, kann beurteilt werden, „ob eine Speicherung der Daten der gesamten Bevölkerung zum Zwecke der Verfolgung einzelner Straftaten überhaupt zulässig ist”. Hinsichtlich der von Mecklenburg-Vorpommern angeführten Zahlen zu den im Jahr 2017 insgesamt 8.400 unaufgeklärten Verdachtshinweisen hieß es, im Antrag würde mit Zahlen operiert, die „nicht nachvollzogen werden“ könnten.
Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik vom Jahr 2017 gingen nämlich rund 6.500 erfasste Fälle „von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften und eine Aufklärungsquote von 89,5 Prozent“ hervor. Die Aufklärungsquote steigerte sich sogar bis zum Jahr 2019 auf 93,4 Prozent. „Dies zeigt, dass auch ohne das Instrument der Vorratsdatenspeicherung Erfolge bei der Verfolgung von Kinderpornografie erzielt werden können“, so die Schlussfolgerung. Den Fokus auf die Vorratsdatenspeicherung zu richten, lenke folglich „von zielführenderen Möglichkeiten ab, Kinder besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen“.
Für Peter Ritter, Linke-Landtagsabgeordneter von Mecklenburg-Vorpommern, stellten sich hinsichtlich des Vorstoßes von MV gleich einige Fragen:
„Warum macht sich MV für eine auf Mutmaßungen beruhende und damit spekulative Gesetzgebung stark? Die entscheidenden Gerichtsurteile zur Vorratsdatenspeicherung liegen noch nicht vor. Warum wird der Entschließungsentwurf des Landes mit Zahlen des Bundeskriminalamts unterlegt und begründet, die im Ergebnis wohl auch noch unzutreffend sind? Warum belegt der Innenminister die Initiative nicht mit Zahlen und Fakten der hiesigen Landespolizei?” […] „Ich gehe davon aus, dass wir sexuellen Missbrauch von Kindern mit allen bereits zur Verfügung stehenden Mitteln entschieden bekämpfen, und hoffe, dass der großspurige Bundesratsauftritt diesem Anliegen am Ende nicht schadet.“
Vorratsdatenspeicherung: neue Pro-Stimmen werden laut
Ungeachtet dieser Bundesratsausschuss-Entscheidung werden bereits neue Stimmen laut, die sich ihrerseits für eine Vorratsdatenspeicherung stark machen. Demgemäß fordert Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), eine VDS. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gibt er an, diese wäre unverzichtbar:
„Das Thema Vorratsdatenspeicherung bleibt für uns aktuell. Ein wesentlicher Punkt ist die Nachverfolgbarkeit der IP-Adresse und die Frage, von welchem Gerät eine bestimmte Aktion ausgeführt wurde. Man sieht das beim sexuellen Missbrauch von Kindern. Im letzten Jahr konnten wir mehr als 2.000 Hinweise aus den USA und Kanada nicht weiterverfolgen. Schlichtweg waren keine Daten mehr gespeichert, dies wäre aber der einzige Ermittlungsansatz gewesen. […] Wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung, um auch in solchen Fällen digital erfolgreich Strafverfolgung betreiben zu können.”
Gleichermaßen äußerte sich sich auch erst unlängst der Deutsche Richterbund. Zudem reiht sich Georg Eisenreich (CSU), Bayerns Justizminister in die Pro-Vorratsdatenspeicherung-Stimmen mit ein. Nach einem Treffen der Unionspolitiker führte er aus:
„Der Schutz unserer Kinder duldet keinen Tag länger Aufschub. Es ist unverständlich, dass Strafverfolger Hinweise auf Kindesmissbrauch aus den USA nicht weiterverfolgen können, weil in Deutschland keine Daten mehr gespeichert sind und sie der einzige Ermittlungsansatz gewesen wären.“
Eisenreich verlangt nun von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), das Thema auf europäischer Ebene auf die Tagesordnung zu setzen und entsprechenden Druck auf die EU-Kommission auszuüben, wie Zeit Online berichtete. So findet das Ersuchen neben Bayern noch die Zustimmung von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Hessen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Vorratsdatenspeicherung aktuell bis zur Klärung durch EuGH ausgesetzt
Eigentlich wären die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste genötigt gewesen, spätestens ab dem 01.07.2017 die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) nach §§113a-g des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zu erfüllen und umzusetzen. Dies würde eine Speicherpflicht der Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger für zehn Wochen und der Standortdaten für einen Monat beinhalten.
Diese Daten hätten sie bereithalten müssen, falls Behörden darauf zugreifen wollten. Jedoch ist es dem Münchener Provider Spacenet gelungen, dies gerichtlich anzufechten. Mit Unterstützung des IT-Branchenverbands Eco hat das Unternehmen erfolgreich gegen die Vorgaben der Bundesnetzagentur geklagt. Die Bundesnetzagentur legte dagegen Sprungrevision ein, über die nun in Leipzig verhandelt wird.
Am 20.04.2018 hat auch das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschieden, dass die Deutsche Telekom nicht verpflichtet ist, im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung die Telekommunikationsverbindungsdaten ihrer Kunden zu speichern. Mit dieser Entscheidung gab das VG einer Klage des Bonner Konzerns statt. Laut dem Gericht verstößt der entsprechende Paragraf (§ 113a und b) im deutschen Telekommunikationsgesetz gegen das Europarecht. Bis zur endgültigen Klärung ist der Rechtsstreit zwischen der Bundesnetzagentur und der Telekom sowie dem Internetprovider SpaceNet ausgesetzt.
Ist deutsche Lösung mit europäischen Grundrechten vereinbar?
Trotz des EuGH-Urteils vom Dezember 2016, indem das Gericht feststellte, dass die EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung gegen Grundrechte verstößt und man das Vorhaben daraufhin stoppte, sieht die Bundesregierung darin keine offensichtliche Rechtslage. Die EuGH-Entscheidung von 2016 bezog sich auf die Praxis in Schweden und Großbritannien. Die deutschen Regelungen wären im Vergleich dazu reduziert, erklärte das Bundesverwaltungsgericht.
In Deutschland wäre die vorgeschriebene Speicherdauer kürzer. Zudem wäre auch der Schutz der gespeicherten Daten sowie der Zugang zu ihnen strenger geregelt. Der EuGH soll demnach vor diesem Hintergrund endgültig klären, ob die deutsche Vorratsdatenspeicherung gegen europäisches Recht verstößt. Denn damit wäre sie auch von den EuGH-Grundsatzentscheidungen betroffen.
Tarnkappe.info