Eine neue Betrugsform kursiert aktuell in Internet-Singlebörsen und sozialen Netzwerken. Bayerns Justizminister warnt vor Tinder-Trading-Scam.
Gemäß Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) gibt es weltweit einen rasanten Anstieg einer neuen Betrugsform. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus vorgetäuschter Liebe und auf gefälschten Internetseiten in Aussicht gestellte hohe Gewinne in Form von Kryptowährungen. Ermittler sprechen von Tinder-Trading-Scam, die Täter nennen die Masche „Pig Butchering“, übersetzt auch bekannt als „Schweineschlachten“.
Kriminelle erschleichen sich Millionen-Gewinne mit Tinder-Trading-Scam
Laut einer Pressemitteilung des bayerischen Staatsministeriums für Justiz ist ein in hohem Tempo weltweites Ansteigen von Tinder-Trading-Scam zu verzeichnen. Einen ihrer Ursprünge hatte die Cybercrime-Methode in Asien. Von da aus breitete sie sich während der Corona-Pandemie aus. In Südostasien betreiben die Hintermänner „regelrechte Betrugsfabriken“. Eisenreich informiert:
„Wenn IP-Adressen in diesen Betrugsfällen ermittelt werden können, stammen diese häufig aus Thailand, Laos, Myanmar oder Kambodscha. Entsprechende Rechtshilfeersuchen sind erfahrungsgemäß schwierig. Unsere Ermittlerinnen und Ermittler versuchen, den Austausch mit den dortigen Behörden zu verstärken.“
Die Täter kontaktieren ihre Opfer insbesondere über soziale Netzwerke, wobei die überwiegende Mehrheit der Geschädigten männlich ist. Die Delinquenten verschleiern ihre Identität dabei hinter Fotos von Influencern. Teilweise nutzen sie auch künstlich generierte Bilder (sog. „Deepfakes“). Georg Eisenreich verdeutlicht:
„Die Verbreitung digitaler Fälschungen nimmt zu. Die Justizministerkonferenz hat sich auf Antrag Bayerns dafür ausgesprochen, dass die Gefahren von Deepfakes in den Blick genommen werden und Handlungsbedarf im Strafgesetzbuch geprüft wird.“
Die bisherige Bilanz im Zusammenhang mit Tinder-Trading-Scam weist sogar zwei Todesopfer aus. Diese hätten sich „aus Verzweiflung das Leben genommen“. Ansonsten erstatteten seit dem Jahr 2021 260 Personen bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern Anzeige. Sie führten an, die Täter hätten sie um Teile ihres Vermögens oder um ihre gesamten Ersparnisse gebracht.
Hohe finanzielle Schäden zeugen vom Erfolg der Betrugsmasche
Das bayerische Staatsministerium für Justiz informiert über einen durchschnittlich angezeigten Schaden pro Opfer von ca. 70.000 Euro. Allerdings sei hier nicht nur der finanzielle Verlust groß, auch die psychischen Folgen für die Geschädigten wären mit einzubeziehen. Eisenreich konkretisiert:
„260 Anzeigen auf 230 Plattformen, die seit 2021 bei der ZCB eingegangen sind, haben Bezüge nach China, Hongkong und Südostasien. Im Jahr 2023 sind bereits 55 Anzeigen mit Spuren in diese Länder eingegangen, zwei Geschädigte verloren jeweils mehr als eine Million Euro. Viele bringen die Tat aus Scham nicht zur Anzeige. Es drohen Depressionen und Angstzustände. Teils treiben die Täter die Geschädigten sogar in den Suizid: Zwei Geschädigte waren so verzweifelt, dass sie sich in diesem Jahr das Leben nahmen.“
Im Gegensatz zum Love-Scam, bei dem die Betrüger Geldnöte vortäuschen, drängen sie beim Tinder-Trading-Scam auf Aktien- oder Kryptowährungs-Deals. Unter Vorgabe hoher Gewinnversprechen regen sie ihre Opfer zu eigenen Investitionen an. Aber auch hier nähern sich die Scammer Menschen gezielt über das Internet an. Sie „schaffen eine emotionale Abhängigkeit oder simulieren eine Beziehung, um sie finanziell auszunehmen“. Eisenreich warnt:
„Betrüger erschleichen sich Millionen mit perfiden Methoden. Häufig beginnt es mit einem romantischen Match auf Tinder. Erst bauen die Täter eine emotionale Bindung auf. Dann überreden sie ihre Opfer, in Kryptowährungen auf gefälschten Internetseiten zu investieren. Am Ende ist alles weg – das Geld und die Liebe. Allein der bislang bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) angezeigte Gesamtschaden beläuft sich auf etwa 20 Millionen Euro.“
Tinder-Trading-Scam läuft in drei Phasen ab
Das bayerische Staatsministerium der Justiz unterrichtet über einen in drei Phasen ablaufenden Tathergang:
Phase 1: „Finding the pig“ („Ein Schwein finden“)
Über Singlebörsen und soziale Netzwerke wird Kontakt zur Zielperson im Sinne einer „Beute“ aufgenommen. Meist folgt schnell der Wechsel zu einem Messenger. Dort werden die Opfer mit Liebes- und Geldversprechen gelockt.
Phase 2: „Fattening the pig“ („Das Schwein mästen“)
Im weiteren Verlauf wird der Gesprächsinhalt gekonnt auf vermeintlich lukrative Investitionsmöglichkeiten im Internet gelenkt. Sind die Betroffenen auf einer der Plattformen eingestiegen, werden ihnen hohe Gewinne vorgegaukelt. Das Ziel: Die Opfer zu noch größeren Investitionen – unter Einsatz sämtlicher Ersparnisse – zu bewegen.
Phase 3: „Butchering the pig“ („Das Schwein schlachten“).
In Phase 3 versuchen die Täter, den letzten Cent aus den Betroffenen „herauszupressen“. Wenn das Opfer um eine Aus- oder Rückzahlung bittet, wird dieser vertröstet, eine hohe Zusatzgebühr für die Abhebung gefordert und zuletzt der Kontakt abgebrochen. Das gesamte (angeblich) investierte Kapital ist verloren.
Hinweise für Betroffene
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich rät Betroffenen:
„Schauen Sie online genau hin, wer Sie anschreibt – vor allem, wenn die Person nach dem Erstkontakt schnell vom Dating-Portal zu Messenger-Diensten wechseln möchte und nie für ein persönliches Treffen oder ein Videotelefonat zur Verfügung steht. Seien Sie misstrauisch, wenn von Ihnen Zahlungen in Kryptowährungen verlangt werden. Noch ein Tipp: Mit Internetsuchmaschinen lassen sich Fake-Profile unter Umständen aufdecken. Besonders wichtig ist mir: Zeigen Sie die Täter an. Jeder kann Opfer dieser Betrugsmasche werden. Selbst Topmanager sind schon auf Tinder-Schwindler hereingefallen.“