Handy-Spionage, Stille SMS
Handy-Spionage, Stille SMS

Stille SMS wieder stark angestiegen: Handyspionage

Aus einer Anfrage von Andrej Hunko geht hervor, dass der Verfassungsschutz im ersten Halbjahr 2018 mehr als 103.000 Stille SMS verschickt hat.

Aus einer Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) geht hervor, dass alleine der Verfassungsschutz im ersten Halbjahr 2018 mehr als 103.000 Stille SMS verschickt hat. Das waren fast doppelt so viele wie noch vor vier Jahren. Damit können Bewegungsprofile erstellt und der Standort der Mobilfunkgeräte abgefragt werden.


Handyspionage eine notwendige Maßnahme?

Die Große Koalition hat in den letzten Monaten die digitale Überwachung deutlich ausgeweitet. Die Polizei spricht naturgemäß von „notwendigen Maßnahmen“, die ergriffen wurden. Laut einer Anfrage der Linksfraktion wurden in den ersten sechs Monaten sehr viel mehr Stille SMS zur Ortung von Smartphones verschickt. Die Empfänger bekommen davon nichts mit. Die Ermittler können damit nicht nur den augenblicklichen Standort der Geräte ermitteln, sondern auch Bewegungsprofile von Verdächtigen erstellen.

Auch BKA setzt vermehrt Stille SMS ein

Nicht nur der Verfassungsschutz, auch das BKA setzt die Stille SMS immer häufiger ein. Im ersten Halbjahr 2017 wurden vom BKA alleine 31.000 Stück verschickt. Laut einem aktuellen BGH-Urteil ist die Ortung von Straftätern mit diesen Mitteln erlaubt. Die Mitarbeiter des BKA dürfen jetzt allerdings auch auf die Fluggastdaten zugreifen, die EU-weit erhoben werden.

Außerdem soll das Bundeskriminalamt sehr viel häufiger Funkzellenabfragen einsetzen, um alle Geräte innerhalb eines näheren Umkreises festzustellen. Damit kann man beispielsweise festhalten, wer sich alles mit eingeschaltetem Handy auf einer Demonstration aufgehalten hat. Gegenüber dem Handelsblatt rechtfertigte BKA-Chef Holger Münch die verschärften digitalen Maßnahmen wie die stille SMS etc.

Rechtsdurchsetzung bzw. Strafverfolgung anders nicht möglich?

Laut Münch könne es nicht sein, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei. Um Bürger und Unternehmen in Deutschland schützen zu können, müsse man online ermitteln. Laut Handelsblatt soll der Staatstrojaner zur Überwindung der Verschlüsselung von WhatsApp und anderen Messengern bereits fertig entwickelt sein. Nach erfolgter Infektion werden alle Eingaben des Nutzers und alle paar Sekunden Screenshots an die Server der Ermittler übertragen. Instrumente wie eine staatliche Schadsoftware müsse höchste Sicherheitsstandards erfüllen, um vor Gericht als Beweismittel zugelassen zu werden, so der Chef des BKA.

Für Bedenken oder gar eine  Klage gegen den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung (VDS) hat die Polizei kein Verständnis. Man brauche die VDS für ihre Ermittlungen. Immer häufiger müsse man diese einstellen, weil man zu spät dran war. In dem Fall kann man zur festgestellten IP-Adresse beim Internet-Anbieter keinen Anschlussinhaber abfragen.

Stille SMS = „Elektronischer Spitzelapparat“

Der Aachener Abgeordnete der Linksfraktion, Andrej Hunko, der die Anfrage eingereicht hat, bezeichnet die staatlichen Institutionen als „regelrechten elektronischen Spitzelapparat“. Man bewege sich damit häufig in einer rechtlichen Grauzone. Der Verfassungsschutz sei seit jeher von den Parlamenten nur sehr schwer zu kontrollieren.

P.S.

Wer zu dem Thema mehr erfahren möchte: Wir haben in einem Hintergrundbericht alle Instrumente der staatlichen Handy-Spionage ausführlich erläutert. Dazu gehören auch IMSI-Catcher und die Funkzellenauswertung. Wir erläutern zudem, wie man sich gegen die Überwachung zur Wehr setzen kann.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.