Wie das LG Regensburg in einem Fall von Diebstahl urteilte, sei eine Katalogtat für eine Funkzellenabfrage nicht zwingend erforderlich.
In einem Fall von Diebstahl soll eine Funkzellenabfrage dabei helfen, einen Täter zu entlarven. Einen diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft lehnte das Amtsgerichts Straubing jedoch ab. Es war der Auffassung, es fehle hier an der notwendigen Voraussetzung einer Katalogtat. Das Landgericht (LG) Regensburg hingegen setzte sich mit seinem Beschluss vom 05.09.2024 (Az. 8 Qs 30/24) über das getroffene Urteil hinweg. Aktuell ist es Ermittlern somit gestattet, Handy-Daten auszuwerten.
Ursprünglich vertritt der 2. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) eine restriktive Rechtssprechung. Er legte damit hohe Hürden für eine Funkzellenabfrage. In einem vergleichbaren Fall entschied er erst im Januar dieses Jahres, dass für eine Funkzellenabfrage der Verdacht einer besonders schweren Straftat vorliegen müsse. Bei Diebstählen als gewöhnliche Straftat wäre dies keineswegs gerechtfertigt.
Das Landgericht (LG) Regensburg befasste sich aktuell mit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing. Diese legte Widerspruch hinsichtlich eines Beschlusses des Amtsgerichts Straubing vom 22.08.2024, Az. 3 Gs 592/24, zur Anordnung einer Funkzellenabfrage im Rahmen eines Diebstahlverfahrens ein. Gemäß Staatsanwaltschaft wäre eine Katalogtat für die Anordnung der Funkzellenabfrage nicht zwingend erforderlich.
Dem Antrag auf Funkzellenanfrage liegt ein gegen Unbekannt gerichtetes Ermittlungsverfahren zugrunde. Ein oder mehrere bislang unbekannte Täter sollen sich unbefugt Zugang zum Gelände einer Servicewerkstatt verschafft haben. Mit dort vorhandenem Werkzeug öffneten sie infolge zwei Tresore. Darin fanden sie Fahrzeugschlüssel und Bargeld vor. Im Ersatzteillager der Werkstatt entwendeten die Täter dann „wenigstens zwei Sätze AMG Felgen und 16 Katalysatoren“. Der beschriebene Sachverhalt wäre strafbar als Diebstahl.
AG Straubing stellt Fehlen einer notwendigen Katalogtat fest
Die Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, beantragte gemäß dem Tatbestand den Erlass eines Beschlusses über eine Funkzellenabfrage. Allerdings lehnte der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts (AG) Straubing dies ab. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass es an der erforderlichen Katalogtat des § 100g Abs. 2 StPO fehle. Es schloss sich insofern der Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs aus dessen Beschluss vom 10.01.2024 (2 StR 171/23) an.
LG Regensburg lässt Funkzellenabfrage als erfolgversprechendes Ermittlungsinstrument für mindere Delikte zu
Im weiteren Verlauf hob das LG Regensburg die Entscheidung des Amtsgerichts auf und genehmigte die angeordneten Maßnahmen zur Funkzellenabfrage. Bereits zuvor hatte das LG Hamburg in einer Entscheidung vom 06.06.2024 (Az. 621 Qs 32/24), einen ähnlichen Ansatz gewählt. Darauf berief sich das LG Regensburg. Es urteilte, dass:
„nach Abwägung der Bedeutung des Tatverdachts und des öffentlichen Interesses an der Aufklärung der mutmaßlichen Straftat einerseits und des Eingriffes in die informationelle Selbstbestimmung der von dem Eingriff betroffenen (unbestimmten) Vielzahl von Personen andererseits […], der Eingriff hier verhältnismäßig ist. […]
Bei Berücksichtigung der konkreten Tatumstände handelt es sich um eine Straftat von erhöhter Kriminalität, an deren Aufklärung ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Insbesondere aufgrund der gezielten und professionalisierten Vorgehensweise durch
Umgehung oder Ausnutzung eines aufwändigen Schließsystems durch sog. Chip-Lesegeräte besteht hier auch wegen des erheblichen Wertes der potenziellen Tatbeute ein besonderer öffentlicher Fokus und ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung solcher Taten. […] Die Erhebung der Daten im Zeitraum von lediglich 36 Stunden steht in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache.Der Eingriff ist zur Aufklärung der mutmaßlichen Straftat auch erforderlich, da es nach dem Vermerk der KPI S. vom 19.08.2024 derzeit keine anderweitigen, ausreichend erfolgversprechende Ermittlungsansätze gibt. Ohne die Funkzellenabfrage wären die Ermittlungen wesentlich erschwert, wenn nicht gar aussichtslos.“
Der Beschluss gestattet demnach die Erhebung von Verkehrsdaten verschiedener Telekommunikationsanbieter in einem vorher bestimmten geografischen Bereich und Zeitraum. Offenbar entschied das LG im Sinne der Ermittlungseffizienz und war deshalb zu einer breiteren Gesetzesauslegung bereit. Die Entscheidung wird zudem Auswirkungen auf zukünftige Ermittlungsverfahren haben.
Funkzellenabfrage birgt Überwachungsrisiken und offenbart Bewegungsprofile auch von Unbeteiligten
Das LG Regensburg ging bei der Urteilsfindung auch auf das Problem der Datenerfassung von Unbeteiligten ein. Bei einer Funkzellenabfrage lassen sich immerhin Bewegungsprofile von Personen erstellen, die nicht in das Strafverfahren involviert sind. Rechtsanwalt Jens Ferner führt in seinem Blogbeitrag dazu aus:
„Dennoch hält es [das LG Regensburg] die Abfrage für gerechtfertigt, da die Erhebung der Daten auf einen konkreten Tatzeitraum und eine bestimmte Örtlichkeit beschränkt sei. Durch diese Beschränkungen werde das Risiko minimiert, dass Bewegungsprofile von Unbeteiligten übermäßig umfangreich oder willkürlich erstellt werden. Zudem verweist das Gericht auf die gesetzlich vorgeschriebene Verhältnismäßigkeitsprüfung, die sicherstellen soll, dass eine solche Maßnahme nur dann ergriffen wird, wenn sie für die Aufklärung der Tat unerlässlich ist.
Die Gefahr, dass solche Abfragen zu einer unverhältnismäßigen Massenüberwachung führen könnten, wird durch diese restriktive Anwendung eingedämmt. Dies sieht das LG Regensburg als hinreichenden Schutz der Rechte unbeteiligter Dritter an.“