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Bildquelle: Anh Hoang, Lizenz

Vietnam bildet Spezialeinheit zur Bekämpfung von Piratenseiten

Mehrere Ministerien aus dem Vietnam schließen sich zusammen, um künftig mit einer Spezialeinheit effektiver gegen Piratenseiten vorzugehen.

Die Behörden in Vietnam machen Ernst. Das vietnamesische Ministerium für Information und Kommunikation will in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus sowie dem Ministerium für öffentliche Sicherheit eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von Piratenseiten einrichten.

Dass die Behörden überhaupt die Begriffe „organisiertes Verbrechen“ und „Urheberrechtsverletzung“ im selben Satz verwenden, ist verwunderlich. Erst recht in Vietnam, einem Land, das viele der weltweit beliebtesten Piratenseiten beherbergt. Als sicherer Hafen für Online-Piraterie gilt Vietnam schon seit ein paar Monaten nicht mehr.

Vietnam: Die Entwicklung kann man nicht vorhersagen

Eine genaue Vorhersage, wie, wann und wo die nächste Welle von Piratenseiten auftaucht, ist schwierig. Zu jedem Zeitpunkt kann einer von mehreren Faktoren ein Land für ein paar Jahre ausschließen oder es direkt in die Pole Position katapultieren. Von der rasanten Entwicklung der Internet-Infrastruktur bis hin zu einer neuen Generation, die mit den richtigen Fähigkeiten gesegnet ist und genau zum richtigen Zeitpunkt in die Arbeitswelt eintritt, ist im wogenden Sand der Piraterie alles möglich. Von daher kann man mit seiner Vorhersage schnell daneben liegen.

zoro.to, Vietnam

Die MPA hat schon vor vielen Jahren prognostiziert, dass Vietnam zu einer Brutstätte der Online-Piraterie werden könnte. Doch trotz aller denkbaren Bemühungen, Websites wie Fmovies und Aniwatch (ehemals Zoro.to), die jeden Monat fast eine Viertelmilliarde Besuche verzeichnen, zu stören, gehen die Fortschritte im Vergleich zu den Bemühungen in anderen Regionen nur langsam voran. Aktuell ist Vietnam die Heimat einiger der beliebtesten Piratenseiten der Welt, die zusammen mindestens zwei Milliarden Besuche pro Monat verzeichnen. Möglicherweise aber noch viel mehr.

Was kann man gegen die Piratenseiten unternehmen?

Im Anschluss an einen Bericht vom September, in dem die Piraterie von Live-Sportübertragungen in Vietnam beleuchtet wurde, veranstaltete das Ministerium für Information und Kommunikation am vergangenen Wochenende einen Workshop. Dort diskutierten die Beteiligten Fragen im Zusammenhang mit Piratenseiten.

Die berüchtigten Sport-Streaming-Seiten, die unter dem Namen „Xoi Lac“ firmieren, wurden aufgrund ihrer ungewöhnlichen Widerstandsfähigkeit und ihres Gesamtanteils am „Piraten“-Markt mehrfach erwähnt. Xoi Lac hat sich in den letzten fünf Jahren jeder Störungsmaßnahme entzogen. Gleichzeitig hat man Tausende von Kilometern entfernt die falsche Aufmerksamkeit der Rechteinhaber auf sich gezogen.

Websites aus Vietnam gerieten in den Fokus der Rechteinhaber

In einem aktuellen Bericht an die United States State Representative (USTR) erklärte die englische Premier League, dass sie Xoi Lac für eine der schlimmsten Plattformen hält, die sie je gesehen hat. Die Behörden in Vietnam hatten die Domains der Website mehrfach gesperrt.

xoilac tv, Vietnam

Und trotz der weit verbreiteten Berichterstattung über die Rechtsverletzungen auf den Websites werden dort weiterhin Verstöße begangen. Insgesamt haben die Betreiber über 300 Domains innerhalb der Xoilac-Familie eingerichtet, um die Störungsversuche der Behörden zu umgehen.

Piratenseiten können sogar von der Publicity profitieren, die mit dieser Art von Aufmerksamkeit einhergeht, wie The Pirate Bay bei vielen Gelegenheiten sagte. „Das wird uns nur mehr Traffic bringen, wie immer. Danke für die kostenlose Werbung“. Damit haben sie nicht Unrecht.

„Sie sind mit dem organisierten Verbrechen verbunden“

In der USTR-Vorlage der Premier League heißt es, dass die Betreiber von Xoi Lac in der Hauptstadt ansässig zu sein scheinen. Aber der darauf folgende Kommentar ist möglicherweise noch interessanter. Große Rechteinhaber aus dem Ausland behaupten, die Identität der Personen zu kennen, die hinter mehreren in Vietnam ansässigen Websites stehen. Ungeachtet dessen operieren viele von ihnen scheinbar ungestraft weiter.

Die Betreiber der Website scheinen ihren Sitz in Hanoi, Vietnam, zu haben. Sie kümmern sich anscheinend wenig um die Durchsetzung des Urheberrechts“, heißt es in der Stellungnahme. Während dies für die Rechteinhaber eine große Sorge darstellt, könnten die während des Workshops gemachten Äußerungen ein Zeichen für künftige Veränderungen sein. Dies orakelte der P2P-Blog TorrentFreak.

Aniwatch, Vietnam

„Das Problem der Urheberrechtsverletzungen wird mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht. Der Kanal Xoi Lac beispielsweise ist nicht nur eine Form des Live-Streamings im Internet. Sie sind auch mit Online-Betrug, Online-Glücksspiel und Kredithaien für Fußballwetten verknüpft.“ Dies sagte Nguyen Thanh Lam, Vietnams stellvertretender Minister für Information und Kommunikation. Solche Äußerungen sind ungewöhnlich. Vor allem, weil sie mit einer Verpflichtung zur Bekämpfung der Piraterie einhergehen.

Ministerien bilden gemeinsam eine Spezialeinheit

Lam teilte auf dem Workshop mit, dass das Ministerium für Information und Kommunikation, das Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus und das Ministerium für öffentliche Sicherheit eine Spezialeinheit einrichten werden, die sich mit Urheberrechtsfragen befassen soll. Der Minister betonte auch die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, warum sie Piratenseiten meiden sollte.

Das ist interessant. Denn abgesehen von der beliebten staatlichen Lotterie hat man das Glücksspiel in Vietnam stark eingeschränkt. Wer bei der Vermittlung illegaler Glücksspiele erwischt wird, kann im Gefängnis landen. Geldverleih mit überzogenen Zinsen ist ebenfalls illegal und ein erschwerender Faktor bei der Verfolgung illegaler Glücksspiele. Diejenigen, die einfach nur am illegalen Glücksspiel teilnehmen, werden bestraft, wenn man sie erwischen kann. Doch selbst das hat sich nicht als besonders abschreckend erwiesen.

beoutq

Glücksspiele, Kredithaie und Fußballstreams in einen Topf geworfen

Geht man davon aus, dass die Behauptungen des Ministers über Xoi Lac wahr sind und die Leute trotzdem auf die Websites strömen, so ist es wahrscheinlich, dass einige von ihnen sich Geld von Kredithaien leihen, um an illegalen Glücksspielen teilzunehmen. Es gibt nur wenige Szenarien in einem Land, in dem das für den verschuldeten Spieler gut ausgeht. Die Menschen in Vietnam und Umgebung wissen das und lassen sich trotzdem nicht abschrecken.

Das wirft die Frage auf, welche Art von Nachrichten die Menschen davon abhalten könnte, sich raubkopierte Fußballstreams anzusehen, wenn die Maßnahmen gegen Glücksspiel so offensichtlich gescheitert sind. Einem lokalen Bericht zufolge könnte die Übertragung der Botschaft von der Polizei unterstützt werden. Man hofft das Problem damit in den Griff zu kriegen.

„In naher Zukunft wird das Ministerium für Information und Kommunikation einen Plan haben, den es mit der Polizei besprechen wird, um einen Spitzenangriff zu starten und die Kriminalität in diesem Bereich zu bekämpfen“, heißt es in dem lokalen Bericht. Fest steht, die Luft in Vietnam wird zunehmend dünner für Piraten. Für einige große Vertreter war dies dennoch bisher kein Grund, das Land zu verlassen.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.