Rohrstock ersetzt Richterhammer – Singapurs Antwort auf Online-Betrug.
Rohrstock ersetzt Richterhammer – Singapurs Antwort auf Online-Betrug.
Bildquelle: ChatGPT

Scammer in Singapur erhalten Stockschläge – harte Abschreckung gegen Online-Betrug

Singapur verschärft den Kampf gegen Online-Betrug drastisch. Vorgesehen sind bis zu 24 Stockschläge für Scammer und Syndikatsmitglieder.

Scammer in Singapur erhalten nun gesetzlich verankert Stockschläge zusätzlich zu Haft- und Geldstrafen. Ein neues Gesetz sieht für Scammer und Syndikatsmitglieder zwingend körperliche Züchtigung vor. Das Parlament hat entschieden, dass Online-Betrug als massive Bedrohung für Gesellschaft und Wirtschaft gilt. Menschenrechtlich hoch umstritten, politisch jedoch knallhart, sendet die Regierung damit ein Signal mit globaler Sprengkraft.

Während Europa noch über bessere Aufklärungskampagnen, Spamfilter und KI-gestützte Warnsysteme diskutiert, geht Singapur mit maximaler Härte gegen Online-Betrug vor. Wer künftig im Stadtstaat Online-Betrug begeht, riskiert nicht nur Geldstrafen oder Haft, sondern bis zu 24 Stockschläge mittels Rattanstock auf das nackte Gesäß. Das Parlament hat die Strafgesetze verschärft und erklärt Online-Betrug offiziell zur Schwerkriminalität. Scams gelten als nationale Bedrohung, und Nachsicht ist damit vorüber. Kritiker sprechen von mittelalterlichen Methoden, die Regierung von notwendiger Abschreckung.

Pflicht-Caning für Online-Betrüger und Syndikatsmitglieder

Pflicht-Caning, umgangssprachlich auch als Auspeitschen bezeichnet, ist in Singapur bereits seit seiner Einführung während der britischen Kolonialzeit Teil des Strafrechts und wurde bisher bei einer Reihe schwerer Vergehen eingesetzt. So ist die körperliche Züchtigung für männliche Verurteilte unter 50 Jahren gesetzlich vorgesehen, etwa bei schweren Gewaltdelikten wie Raub, Vergewaltigung oder Drogenhandel, aber auch bei Eigentumsdelikten wie Vandalismus oder bestimmten Immigrations- und Waffenvergehen.

Die Strafe wird zusätzlich zu Gefängnisstrafen verhängt und körperlich im Gefängnis ausgeführt. Bekannte Fälle wie die Caning-Verurteilung des US-Teenagers Michael Fay 1994 wegen Vandalismus sorgten international für Schlagzeilen und zeigen, dass Singapur diese Praxis auch bei Ausländern durchsetzt. Darüber hinaus erhalten verurteilte Straftäter bei Gewalt- oder Gruppendelikten regelmäßig mehrere Stockschläge im Rahmen ihrer Urteile.

Am 4. November beschloss das Parlament das Criminal Law (Miscellaneous Amendments) Bill, mit der Singapur sein Strafrecht umfassend verschärft. Seit Ende Dezember 2025 ist das Gesetz in Kraft getreten. Wer also künftig in Singapur Online- oder Telefonbetrug begeht, muss mit mindestens sechs und bis zu 24 Stockschlägen rechnen.

Betroffen sind nicht nur klassische Täter, sondern auch Mitglieder organisierter Betrugssyndikate sowie deren Rekrutierer. Für diese Gruppen ist die Prügelstrafe zusätzlich zu Freiheitsstrafen und empfindlichen Geldbußen zwingend vorgeschrieben. Damit rückt Online-Betrug in eine Kategorie, die bislang vor allem schweren Gewalt-, Drogen- und Sexualdelikten vorbehalten war und wird als realer Angriff auf die Gesellschaft gewertet.

Helfer und „Scam-Mules“: Strafe mit Abstufung

Das Gesetz unterscheidet jedoch zwischen verschiedenen Rollen innerhalb der Betrugsökonomie. Neben den Haupttätern geraten auch sogenannte Scam-Mules ins Visier, also Personen, die Konten, SIM-Karten oder digitale Identitäten bereitstellen. Für sie sieht das Gesetz eine körperliche Züchtigung von bis zu zwölf Stockschlägen vor, über deren Anwendung die Gerichte im Einzelfall entscheiden.

Maßgeblich ist der Grad der Schuld. Wer wissentlich hilft oder grob fahrlässig handelt, kann körperlich bestraft werden. Echte Opfer, die selbst getäuscht wurden, sollen hingegen nicht kriminalisiert werden. Das betonte Senior Minister of State (Außenministerium & Innenministerium) Sim Ann mehrfach im Parlament. Gemäß Mothership versicherte sie:

„Echte Opfer, die nachweislich durch Täuschung zur Bereitstellung eines Helfers für einen Betrug verleitet wurden, würden von der Einführung der Prügelstrafe als Strafe nicht betroffen sein“.

Laut Sim gibt es derzeit 96 Straftaten, die eine Auspeitschung nach Ermessen des Gerichts nach sich ziehen und 65, für die eine obligatorische Auspeitschung vorgesehen ist. Nach der Reform wird das Innenministerium davon auch acht Bestimmungen ändern, um die obligatorische Prügelstrafe für Vergehen, einschließlich Vandalismus, abzuschaffen:

„Da sich unser gesellschaftlicher Kontext und die Kriminalitätslage weiterentwickelt haben, ist die Prügelstrafe bei manchen Delikten möglicherweise nicht mehr notwendig. Es handelt sich hierbei im Allgemeinen um Straftaten, die weder die vorsätzliche Schädigung einer Person noch die Verursachung eines erheblichen Schadens für die Öffentlichkeit beinhalten und für die wir die anderen Strafen als angemessen erachten.“

Statt einer zwingenden Strafe sollen Gerichte bei Vandalismusfällen damit künftig flexibler über Art und Umfang der Sanktion entscheiden.

Singapur Parlament verschärft Gesetze gegen Online-Betrug
Singapur Parlament verschärft Gesetze gegen Online-Betrug

Milliardenverluste als politischer Treiber

Die Entscheidung stützt sich dabei auf alarmierende Statistiken. Zwischen 2020 und Mitte 2025 meldeten die Behörden rund 190.000 Scam-Fälle. Der finanzielle Schaden beläuft sich auf etwa 3,7 Milliarden Singapur-Dollar, rund 2,8 Milliarden US-Dollar (ca. 2,383 Mrd. Euro).

Scams machen inzwischen etwa 60 Prozent aller angezeigten Straftaten im Stadtstaat aus. Sim Ann sprach im Parlament von der „mit Abstand häufigsten Kriminalitätsform“. Der Vergleich, den sie zog, war bewusst drastisch. Die Verluste entsprächen mehr als dem Dreifachen der Baukosten eines großen Krankenhauses.

Kambodscha-Syndikat als Auslöser der Debatte

Zusätzlichen Zündstoff erhielt die Gesetzesverschärfung durch Ermittlungen gegen ein in Kambodscha operierendes Scam-Syndikat. Die Gruppe soll Singapurer mit angeblichen Behördenanrufen betrogen und mindestens 41 Millionen Singapur-Dollar erbeutet haben.

Die Polizei fahndet derzeit nach 27 Singapurern und sieben Malaysiern, die sich mutmaßlich im Ausland aufhalten. Bereits zuvor wurden mehrere Verdächtige festgenommen und wegen Mitgliedschaft in einer organisierten kriminellen Gruppe angeklagt. Der Fall verdeutlicht, warum die Regierung auf maximale Abschreckung setzt. Auch im Ausland agierende Täter sollen wissen, dass ihnen bei Rückkehr nicht nur Haft, sondern zudem der Rohrstock droht.

Stockschläge für Scammer in Singapur: Parlament fordert Härte mit Augenmaß

Im Parlament gingen einige Stimmen noch weiter. Der Abgeordnete Xie Yao Quan plädierte dafür, Online-Betrug strafrechtlich auf eine Stufe mit Drogendelikten zu stellen, inklusive harter Mindeststrafen und körperlicher Züchtigung. Er führte aus:

„Wenn Drogen Leben zerstören, zerstören Scams Lebensersparnisse.“

Die Forderung läuft darauf hinaus, Scams nicht mehr als Vermögensdelikt, sondern als existenzbedrohende Kriminalität mit allen strafrechtlichen Folgen zu behandeln. Gleichzeitig gab es Warnungen vor Kollateralschäden. Gerade unter Scam-Mules finden sich oft Menschen aus prekären Verhältnissen. Die Regierung blieb jedoch selbst hier hart. Finanzielle Not sei keine Rechtfertigung für Kriminalität, auch nicht im digitalen Raum.

Mehr als Betrug: Doxxing und Sexualdelikte

Die Reform geht allerdings noch über Online-Betrug hinaus. Neu eingeführt wurden im Zuge der Reform härtere Strafen für die massenhafte Verbreitung sexueller Inhalte, ebenso ein erweiterter strafrechtlicher Schutz für Minderjährige und besonders schutzbedürftige Opfer. Künftig ist zudem ein eigener Straftatbestand gegen das Doxxing von Amtsträgern vorgesehen, sofern dabei bewusst falsche Behauptungen über die betroffenen Personen verbreitet werden. Damit wird das Strafrecht insgesamt verschärft. Caning bleibt dabei ein zentrales Instrument.

Stockschläge im 21. Jahrhundert – Abschreckung oder Symbolpolitik?

International gilt körperliche Züchtigung als menschenrechtlich hoch umstritten. In Singapur betrifft sie nur Männer unter 50 Jahren, die medizinisch als tauglich gelten. Wer davon ausgenommen ist, erhält stattdessen zusätzliche Haftstrafen.

Kritiker bezweifeln dennoch die Wirkung der neuen Caning-Strafen. In der Parlamentsdebatte wies etwa Workers’ Party-Abgeordnete Sylvia Lim darauf hin, dass die Wirksamkeit der Prügelstrafe als Abschreckungsmittel davon abhänge, wie eng sie tatsächlich durchgesetzt werde und dass harte Strafen allein nicht ausreichen, solange Täter glauben, sie könnten sich der Strafverfolgung entziehen. Viele Scam-Zentren operieren aus Staaten mit schwacher Rechtsdurchsetzung, häufig unter Zwangsarbeit. Die Peitsche trifft am Ende vor allem jene, die greifbar sind.

Die Regierung hält dagegen, dass schnelle, schmerzhafte Strafen eine nachweislich abschreckende Wirkung hätten, gerade in einem stark regelbasierten System wie Singapur.

Scammer in Singapur erhalten Stockschläge – Rechtsprechung am eigenen Leib

Als politisches Statement erhalten Scammer in Singapur Stockschläge. Online-Betrug wird damit künftig als Schwerverbrechen behandelt, mit allen Konsequenzen, auch körperlichen.

Ob diese Maßnahme internationale Betrugsnetzwerke nachhaltig schwächt oder vor allem ein innenpolitisches Signal sendet, bleibt offen. Sicher ist jedoch, Singapur setzt damit auf eine Härte, die international ihresgleichen sucht, mit Konsequenzen vor Gericht und am eigenen Leib, denn wer dort betrügt, zahlt künftig nicht nur mit Freiheit und Geld sondern zudem mit Schmerz.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.