Rundfunkgebühr
Rundfunkgebühr
Bildquelle: Wirestock, Lizenz

Rundfunkgebühr-Missbrauch? – ARD-Chefin tritt zurück

Patricia Schlesinger soll sich aktuell zu Vorwürfen äußern. Bestand u.a. Rundfunkgebühr-Missbrauch bezüglich privater Dienstwagen-Verwendung?

Bereits seit letztem Monat stehen gegen die RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger Vorwürfe wegen eines Verdachts der Vorteilsnahme im Raum. „Business Insider“ deckte anhand vorliegender Informationen gleich mehrere Sachverhalte auf. Seither mehren sich die Vorwürfe über fragwürdige Spesen, der Vergabe dubioser Beraterverträge, einem teueren Neubau bis hin zu der Frage eines Rundfunkgebühr-Missbrauchs durch private Nutzung ihres Nobel-Audi A8 Dienstwagens mitsamt Massagesitzen und zweier Chauffeure.

Konkret erstreckten sich die Vorwürfe u.a. auf eine möglicherweise fehlerhafte Abrechnung von dienstlichen Abendessen bei Schlesinger in der privaten Wohnung. Business Insider deckte dabei anhand der Rechnungen eines lokalen Feinkost- und Catering-Services auf, auch hier flossen Gelder aus der Rundfunkgebühr-Kasse. Aber damit nicht genug. Aus Dokumenten, die Business Insider vorliegen, ging hervor, dass „der Catering-Service auf Bitten des Senders RBB in mehreren Fällen Rechnungen veränderte, bevor sie bei der Intendanz eingingen. Im Vergleich zu den ursprünglichen Angeboten reduzierte der Dienstleister auf den späteren Rechnungen die Anzahl der bewirteten Personen. Die Gesamtsummen, die der RBB bezahlte, blieben dagegen unverändert“.

Des Weiteren stehe die Beschäftigung von Beratern für ein RBB-Immobilienprojekt auf dem Prüfstein. Diese sollen aus dem Umfeld des Verwaltungsratschefs Wolf-Dieter Wolf stammen. Wolf-Dieter Wolf fungiert eigentlich als Verwaltungsratsvorsitzender. Als solcher ist er damit beauftragt, die Geschäftsführung Schlesingers zu überwachen.

Zugleich jedoch steht er dem Aufsichtsrat der landeseigenen Messe Berlin vor. Daher hätte Schlesingers Ehemann einen lukrativen Auftrag an Land gezogen. Somit hätte Wolf, dem eigentlich die Amtsführungs-Kontrolle Schlesingers obliegt, Schlesingers Ehemann, Gerhard Spörl, seit Ende 2020 Aufträge zugeschanzt. Für Beratungsleistungen und publizistische Tätigkeiten soll er nach Medienangaben insgesamt rund 140.000 Euro an Messe-Geldern bisher kassiert haben. Ein klarer Fall von Interessenskonflikten? Wolf-Dieter Wolf jedenfalls lässt sein Amt derzeit während der Untersuchung ruhen. Dorette König übernahm inzwischen die Amtsgeschäfte.

Verdacht der Vorteilnahme steht im Raum

RTL urteilte darüber:

„Es geht auch um die Vermengung von Privatem und Beruflichem. Im Kern wurde durch die Berichterstattung die Frage in den Raum gestellt, ob im beruflichen Verhältnis zwischen Schlesinger und der RBB-Verwaltungsratsspitze bestimmte Grenzen überschritten worden sein könnten und ein zu laxer Umgang mit Kollisionen von Interessen vorherrsche.“

Im Gespräch mit RTL führte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, an:

„Als Amtsträgerin darf man nicht einmal den Anschein erwecken, dass man bestechlich ist oder sogar Vorteile annimmt. Und da hat sie zumindest einigen Erklärungsbedarf.“

Zudem werfen die rasant ansteigenden Ausgaben für das neue geplante Digitale Medienhaus, dessen Fertigstellung bis 2026 geplant sei, Fragen auf. Noch im März 2020 hieß es hierzu, dass sich die Kosten im mittleren bis oberen zweistelligen Millionenbereich belaufen würden. Inzwischen spricht man bereits von einem momentan geschätzten Betrag im unteren dreistelligen Millionenbereich.

Gemäß Schlesingers Stellungnahme dazu, stammten die von der Presse bekannt gegebenen Zahlen aus einer Simulation. Eine reale, endgültige Berechnung liege frühestens im kommenden Jahr vor. Erst dann wolle die rbb-Geschäftsleitung auch über den Bau entscheiden. Derzeit ist das Bauvorhaben wegen der Vorwürfe allerdings ohnehin auf Eis gelegt.

Ein weiterer Punkt, den Business Insider ansprach, bezieht sich auf eine erst kürzliche Gehaltserhöhung Schlesingers:

„Vor Kurzem wurde bekannt, dass das Gremium ihr Grundgehalt um 16 Prozent auf 303.000 Euro erhöht hat. Kein anderer Intendant der Republik konnte ein derart starkes Lohnplus verzeichnen. Wie hoch der Bonus von Schlesinger dagegen ausfällt, wissen nur ganz wenige und wird von nur einer Person entschieden: Wolf-Dieter Wolf.“

Rundfunkgebühr für teuren Dienstwagen genutzt?

Bezüglich des Audi A8-Dienstwagens, der inklusive Massagesitze 145.000 Euro gekostet hätte, stehe der Verdacht der Vorteilsnahme im Raum. Das Auto soll sie mitsamt Chauffeuren auch privat verwendet haben, so ein weiterer der zahlreichen anderen Vorwürfe. Für den Dienstwagen hätte der Autohersteller zudem einen sehr hohen Rabatt von 70 Prozent eingeräumt.

Compliance-Verfahren eingeleitet

Zur Wahrheitsfindung und auf den Fall bezogener Recherchen schaltete sich auch das ZDF ein. So möchte das Investigativmagazin „Frontal 21“ darüber berichten. Diesbezüglich habe die ZDF-Redaktion den ARD-Landesanstalten einen Fragen-Katalog zu den Vorwürfen zukommen lassen, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Ein vom RBB eingerichtetes Whistleblower-System solle zudem Licht auf die Anschuldigungen werfen. Anonyme Meldungen wären darüber möglich. Zudem solle eine externe Anwaltskanzlei zur Aufklärung beitragen. Ergebnisse dazu erwarte man allerdings erst in einigen Wochen.

Auch Brandenburgs Landtag beschäftigen inzwischen die Vorwürfe gegen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. Allerdings erschien zu einer Sondersitzung des Hauptausschusses in Potsdam niemand vom RBB. Fraktionsübergreifend äußerten die Parteien darüber ihren Unmut. Der Ausschuss beschloss, die Beteiligten zum persönlichen Erscheinen in einer weiteren Sitzung aufzufordern. Bis dahin sind die Politiker damit beauftragt, einen Fragenkatalog zusammenzustellen. Dem Land Brandenburg obliegt die Rechtsaufsicht über den RBB.

Vorwürfe führten schließlich zum Rücktritt

In einem Interview mit dem Tagesspiegel gab Schlesinger bezüglich der Catering-Affäre noch an: „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“. Rücktrittsforderungen wies sie zu dem Zeitpunkt zurück. Die 61-Jährige bekräftigte „Ich arbeite seit Jahrzehnten im öffentlich-rechtlichen System, dessen zutiefst überzeugte Anhängerin ich bin. Ich werde diesem System weiterhin mit aller Kraft zur Verfügung stehen.“. Allerdinge bestünde Verhandlungsspielraum über Vertrag und Gehalt. Des Weiteren sprach sie davon, dass die Anschuldigungen, „mittlerweile Kampagnencharakter“ angenommen hätten. Es seien „Kräfte am Werk, die uns schaden wollen“.

Schließlich beugte Schlesinger sich heute doch dem öffentlichen Druck. Gemäß Tagesschau-Information tritt die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt als ARD-Vorsitzende zurück. Als Intendantin des RBB jedoch will sie im Amt bleiben. Sie führte an:

„Die öffentliche Diskussion um in meinen Verantwortungsbereich fallende Entscheidungen und Abläufe im rbb berührt inzwischen auch die der ARD. Die Geschäftsleitung des rbb und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen.“

Bis zum Jahresende übernimmt den ARD-Vorsitz kurzfristig der Westdeutsche Rundfunk (WDR) mit Intendant Tom Buhrow. Ab kommendem Jahr hat der Südwestrundfunk seine Bereitschaft signalisiert, diese Aufgabe im Anschluss anzugehen.

Frankreich stimmte für Abschaffung der Rundfunkgebühr

Während französische Abgeordnete noch im Juli diesen Jahres für die Abschaffung der Rundfunkgebühr, der Hauptfinanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, stimmten, zahlen wir in Deutschland seit August 2021 einen Rundfunkbeitrag von bereits 18,36 Euro im Monat. Mit dem Betrag fließen dem RBB rund 430 Millionen Euro jährlich zu.

Die Erhöhung von ursprünglich 17,50 Euro sei hierbei, nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, eine Zwischenlösung, bis ein neuer Medienstaatsvertrag in Kraft tritt. Zudem kassiert der Staat die Pauschale pro Haushalt und unabhängig davon, ob dort empfangsbereite Geräte zur Verfügung stehen.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.