Ein Mitarbeiter von Chetu weigerte sich, während eines Trainings seine Webcam aktiv zu lassen. Die anschließende Entlassung war rechtswidrig.
Ein Arbeitnehmer einer niederländischen Niederlassung des US-amerikanischen Softwareentwicklungsunternehmens Chetu weigerte sich, während eines virtuellen Trainings seine Webcam permanent eingeschaltet zu lassen, da dies seiner Ansicht nach ein unrechtmäßiger Eingriff in seine Privatsphäre sei. Nach seiner fristlosen Entlassung aufgrund von „Arbeitsverweigerung“ verklagte er das Unternehmen – und bekam recht.
Chetu kündigte seinen Mitarbeiter aufgrund von „Arbeitsverweigerung„
Das in Florida ansässige Unternehmen Chetu stellte im Januar 2019 in seiner Niederlassung in Rijswijk einen niederländischen Mitarbeiter ein, der eigenen Angaben zufolge über 70.000 Euro pro Jahr an Gehalt, Provision, variablem Bonus und Urlaubsgeld verdiente. Doch rund 1,5 Jahre nach Beginn seiner Tätigkeit forderte sein Arbeitgeber ihn auf, an einem virtuellen Training teilzunehmen. Währenddessen verpflichtete man ihn dazu, permanent eingeloggt zu bleiben und seine Bildschirmfreigabe sowie seine Webcam aktiv zu lassen.
Doch dem willigte der neue Marketing-Mitarbeiter nicht ein, da er seine Privatsphäre schützen wollte. Ein Argument, das viele Menschen heutzutage sogar dazu bewegt, ihre Webcams abzukleben, damit diese nicht heimlich aufzeichnen können. Wie die NL Times berichtet, erhielt der rebellische Arbeitnehmer schließlich am 26. August 2020 die fristlose Kündigung. Als Gründe nannte der Arbeitgeber „Arbeitsverweigerung“ und „Ungehorsam„.
Der Mitarbeiter wehrte sich und bekam recht
Das ließ sich der Niederländer jedoch nicht gefallen. Er reichte einige Wochen später Klage ein, da seiner Ansicht nach „kein dringender Grund vorlag, der die fristlose Entlassung rechtfertigen würde„. Daher sei die Kündigung von Chetu unverhältnismäßig und die vorangegangene Aufforderung, seine Webcam aktiv zu lassen, verstoße gegen geltende Datenschutzbestimmungen.
Und damit bekam er recht. Denn wie das Gericht verlauten ließ, verstieß die Anweisung, seine Kamera eingeschaltet zu lassen, „gegen das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privatlebens„. Außerdem habe Chetu die Gründe für die Entlassung nicht deutlich genug dargelegt und das Unternehmen sei nicht in er Lage gewesen, Beweise für eine Arbeitsverweigerung vorzulegen.
Das Gericht berief sich dabei auf Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention sowie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Demnach sei die Beobachtung von Arbeitnehmern an strenge Bedingungen geknüpft. Die permanent eingeschaltete Kamera sei ein unangemessener Eingriff in die Privatsphäre des Klägers.
Chetu darf über 70.000 Euro bezahlen
Chetu Inc. darf dem gekündigten Mitarbeiter nun ein noch ausstehendes Gehalt in Höhe von 2.700 Euro auszahlen, 8.375 Euro für die unrechtmäßige Kündigung, 9.500 Euro an Übergangsgeld sowie 50.000 Euro an zusätzlicher Entschädigung. Auch eine noch offene Urlaubsvergütung, 23 noch nicht genommene Urlaubstage sowie Verzugszinsen darf das Unternehmen begleichen.
Gerichts- und Anwaltskosten sind ebenso von Chetu zu bezahlen. Obendrein erklärte das Gericht noch die Wettbewerbsverbots- und Vertraulichkeitsklauseln im Arbeitsvertrag für ungültig.