Facebook muss den Eltern eines toten Mädchens Zugang zu dem Nutzerkonto der Tochter gewähren. Das stellte ein BGH-Beschluss erneut klar.
Facebook muss den Eltern eines toten Mädchens Zugang zu dem Nutzerkonto der Tochter gewähren. Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil bereits im Juli 2018 entschieden. Wie dieser Entscheid jedoch konkret umzusetzen ist, damit beschäftigte sich aktuell der BGH erneut. Demgemäß ist ein den Eltern übergebenes unstrukturiertes PDF-Dokument als unzureichend eingestuft worden, berichtet die Tagesschau.
BGH urteilt erneut in Sachen Vererbung von Facebook-Accounts
Ein Rechtsstreit zwischen den Eltern einer 15-jährigen verstorbenen Tochter und Facebook beansprucht den BGH nun bereits zum zweiten Mal. In dem Grundsatzurteil befand der BGH, digitale Inhalte in der Erbfolge gleich zu behandeln wie analoge Dokumente, die man ohne weiteres vererben könne. Nach diesen im Juli 2018 ergangenem Entscheid, übergab Facebook den Eltern ausschließlich einen USB-Stick und glaubten damit dem Urteil nachgekommen zu sein. Darauf enthalten war ein 14.000-seitiges PDF-Dokument.
Der Anwalt der Eltern, Christlieb Klages, bezeichnete das Dokument als „völlig unstrukturiert“. Die Eltern befanden die PDF-Datei als unzureichend. Sie entschieden, dagegen erneut gerichtlich vorzugehen. Gemäß ihrer Forderung nach einem vollen Konto-Zugang urteilte deshalb der BGH in einem Beschluss (Beschl. v. 27.08.2020, Az. III ZB30/20), dass der Begriff „Zugang“ so zu interpretieren sei, sich in das Konto auch „hineinbegeben“ zu können. Damit wäre ihnen die gleiche Einsicht wie der Erblasserin gewährt, allerdings mit der Einschränkung, das Konto nicht aktiv nutzen zu können.
„Der Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto beinhaltet die Möglichkeit […], vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können.“
Facebook sperrte Account des Mädchens
Facebook hatte das Konto der Verstorbenen in einen Gedenkzustand umgestellt. Damit ist der Profil-Zugang, selbst mit den richtigen Anmeldedaten, für Außenstehende gesperrt. Zwar bleibt das Profil online, ist aber nur für die Nutzer sichtbar, die auch vorher bereits Einblick hatten. Auf Nachfrage der Eltern weigerte sich Facebook mit der Begründung, dass der Gedenkzustand nicht nur die Rechte toter Nutzer schütze, sondern auch die von ihren Facebook-Kontakten, das Konto freizugeben. Die Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass die ausgetauschten Nachrichten privat blieben. Ehssan Khazaeli, Anwalt bei der Berliner Kanzlei von Rueden, kommentiert das Urteil vom BGH wie folgt:
Das bloße Übersenden einer 14.000 Seiten starken PDF-Datei reicht offenbar nicht aus, um das Urteil des Landgerichts Berlin umzusetzen. Vielmehr müssen die Erben vollen Zugriff auf den Account der Verstorbenen erhalten. Das ist auch deswegen richtig, weil sich die Erben in dem vorliegenden Verfahren durch den Zugriff auf den Account ihrer verstorbenen Tochter Erkenntnisse über einen möglichen Suizid erhofften. Dies ist nur dann möglich, wenn die Erben in gleicher Weise über die Benutzeroberfläche durch das Profil navigieren können, wie es ihre Tochter konnte.
Eltern wünschten sich mit Account-Zugang Aufklärung über Todesursache ihrer Tochter
Hintergrund des Rechtsstreits vor dem BGH war ein tragischer Unfall, der sich Ende 2012 in einem Berliner U-Bahnhof ereignete. Dort wurde ein 15-jähriges Mädchen von einem Zug erfasst. Offen blieb die Frage, war es ein Unfall oder hatte das Mädchen möglicherweise Suizid begangen. Die Eltern erhofften sich durch einen Einblick in das Facebook-Konto ihrer Tochter Aufschluss über die Todesumstände der 15-Jährigen.
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