Threema und WhatsApp gegen die EU-Chatkontrolle, 1984 is now
Threema und WhatsApp gegen die EU-Chatkontrolle, 1984 is now
Bildquelle: Markus Spiske, Lizenz

Threema und WhatsApp appellieren gegen die EU-Chatkontrolle

Threema und WhatsApp appellieren gegen die EU-Chatkontrolle. Ob Threema bei der Einführung den EU-Raum verlassen würde, ist nicht bekannt.

Letzte Woche Mittwoch hatte Signal erneut angekündigt, Europa zu verlassen, sollte die EU die Aushebelung jeglicher Verschlüsselung durch Einführung der Chatkontrolle durchsetzen. Die Betreibergesellschaft von Threema hat sich dazu schon im April sehr kritisch geäußert. Bei WhatsApp teilte man immerhin auf Anfrage mit, der neueste Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft der EU gefährde die Privatsphäre, Freiheit und digitale Sicherheit aller Teilnehmer.

Threema und WhatsApp gegen die EU-Chatkontrolle

Wie wir berichtet haben, versucht Dänemark teils auch mit unlauteren Mitteln Druck auf die Parlamentarier auszuüben, damit die Chatkontrolle EU-weit eingeführt werden kann. Schon im Februar diesen Jahres hatte Meredith Whittaker angekündigt, sollte man eine Hintertür für Behörden in die eigene Verschlüsselung implementieren müssen, würde sich der Dienst zweifellos aus allen EU-Ländern zurückziehen. Für Whittaker seien die Pläne ohnehin nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen. Sie bezeichnete das Vorhaben als einen Marketinggag. Wofür sollte ein Messenger eine neuartige Verschlüsselung einführen, die wahrscheinlich nicht einmal für Quantencomputer knackbar ist. Und dann fügt man der Software ein künstliches Loch für Strafermittlungsbehörden hinzu, damit diese wahllos auf alle Chatinhalte zugreifen können?? Das wäre sinnlos, dann hätte man sich die ganze Mühe von Anfang an sparen können. Doch auch Threema und WhatsApp appellieren gegen die EU-Chatkontrolle.

Message for you

Threema: Massenüberwachung ist kein Instrument der Demokratie!

Threema appellierte schon im Frühjahr dafür, von den EU-Plänen Abstand zu nehmen. Bei einer Massenüberwachung wird nicht so wenig sondern so viel gespeichert, wie irgend möglich. Und das auch so langfristig wie möglich. Und dies nur, damit die Behörden bei einer Meldung freien Zugriff auf die Informationen haben. Natürlich auch auf solche, die Threema für die Bereitstellung ihrer Dienstleistung gar nicht benötigt. Eine Massenüberwachung in dieser Ausprägung sei zudem nicht mit einer Demokratie vereinbar. Das klinge mangels Gewaltenteilung nach Totalitarismus und nicht nach einem demokratischen Staat!

Zu bedenken sei auch das technologische Sicherheitsrisiko. Dies entsteht automatisch, wenn man den Behörden eine Hintertür in den eigenen Messenger einbauen muss. Sollte die Chatkontrolle kommen, will die Betreibergesellschaft von Threema zunächst alle Optionen prüfen. Ob der Dienst den Nutzern in allen EU-Ländern die Leitung kappen würde, hat man nicht gesagt. Dazu muss man auch bedenken, dass Signal weitaus internationaler ausgerichtet und weltweit benutzt wird. Es gibt keine zuverlässige öffentliche Statistik, doch die Länder, in denen Threema am häufigsten gekauft wurde, sind die Schweiz, Deutschland und Österreich. Von daher hätte man im Gegensatz zur US-amerikanischen Organisation Signal auch sehr viel mehr zu verlieren.

TeleGuard

Teleguard fühlt sich an Orwells Dystopie erinnert

Doch nicht nur Threema und WhatsApp wenden sich gegen die EU-Chatkontrolle. Andreas Wiebe, der CEO vom Konkurrenten Teleguard, die Firma ist ebenfalls in der Schweiz beheimatet, fühlt sich bei dem Thema an George Orwells Dystopie 1984 erinnert. Jeder Bürger habe das Recht auf Privatsphäre, führt Wiebe aus, das wäre mit der Chatkontrolle überhaupt nicht vereinbar. Was wäre, wenn es Hackern gelingen sollte, die gesammelten Daten in ihre Hände zu bekommen, um sie für kriminelle Zwecke zu missbrauchen? Auch die behördliche Backdoor könnte natürlich von Cyberkriminellen ausgenutzt werden.

Andreas Wiebe ist bekennender Familienmensch und schützt Minderjährige im Internet. Seine Suchmaschine Swisscows zeigt im Gegensatz zu Bing oder Google grundsätzlich keine jugendgefährdenden Inhalte an, auch keine pornografischen Werke. Doch die Sicherheit und Privatsphäre der Nutzer müsse weiterhin oberste Priorität haben. Deswegen hofft Wiebe auf ein Einsehen der Parlamentarier bei den Abstimmungen.

suspect

Meta hat zum Thema Chatkontrolle bis dato keinen Blogbeitrag veröffentlicht

Meta, der Betreibergesellschaft des Messengers WhatsApp, war das Thema Chatkontrolle keinen Blogbeitrag und keine einzige Pressemitteilung wert. Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen! Auf Anfrage der Kollegen von Netzpolitik.org gab eine Meta-Sprecherin immerhin bekannt, dass sich die Regierungen aller Länder für eine stärkere Sicherheit einsetzen sollten, was aber in Kombination mit der Chatkontrolle unmöglich sei. Auch der aktuelle (also der alte) Vorschlag Dänemarks untergrabe die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, weswegen dies „die Privatsphäre, Freiheit und digitale Sicherheit aller“ gefährde.

Von einem möglichen Ausstieg von WhatsApp aus dem EU-Raum als Reaktion auf die mögliche Einführung der Chatkontrolle ist im Beitrag keine Rede. Man darf leider davon ausgehen, dass Meta keinesfalls freiwillig auf die vielen Anwender des hierzulande führenden Messengers verzichten wird.

Sichere Messenger statt WhatsApp, Eine Zeitung, die mit WhatsApp auf dem Boden liegt.
WhatsApp respektiert Deine Privatsphäre – Wer’s denn glaubt!??

WhatsApp besitzt in Deutschland eine Monopolstellung

Laut einer Verbraucherbefragung der Bundesnetzagentur nutzten im Jahr 2023 92 % der Nutzer auch WhatsApp als ihren Online-Kommunikationsdienst. Das ist ein Quasi-Monopol, das Meta keinesfalls freiwillig aufgeben wird! Ebenfalls zugehörig zu Meta ist der Facebook Messenger auf dem zweiten Platz mit einem Nutzungsanteil von 36 %. Das ist beängstigend, weil man dort außer bei geheimen Chats ausschließlich unverschlüsselt kommuniziert. Die Instagram Direct Messages erreichten dahinter einen Nutzungsanteil von 27 Prozent. Signal landete weit abgeschlagen auf Platz 9. Threema bildete das Schlusslicht mit Platz 15. Der Messenger Teleguard ist in Deutschland für eine Platzierung viel zu unbekannt. Teleguard blieb somit im Bericht komplett unerwähnt.

Fazit: Trübe Aussichten!

Was haben wir also unter dem Strich? Bisher hat sich tatsächlich nur Signal öffentlich dazu bekannt, die europäischen Nutzer aufzugeben, sollte sich die EU tatsächlich zu dem geplanten Überwachungs-Szenario durchringen. Threema prüft die Optionen. Ihnen wird aber wohl kaum eine andere Wahl bleiben, als zähneknirschend die gesetzlichen Grundlagen umzusetzen. Threema kann schlichtweg nicht auf den großen EU-Markt verzichten. Auch dann nicht, wenn man die Chatkontrolle einführen sollte.

Für Meta hat das Thema eh keine Bedeutung, sonst hätte man sich in all den Monaten zumindest einmal öffentlich dazu geäußert. Tja, alle anderen Anbieter werden wohl ebenfalls bleiben. Das sind überaus trübe Aussichten für eine sichere und verschlüsselte Kommunikation, sollte die Chatkontrolle tatsächlich eingeführt werden.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.