Verfassungsgericht Bundestrojaner
Verfassungsgericht Bundestrojaner

Verfassungsgericht Österreich unterbindet Bundestrojaner-Einsatz

Der österreichische Verfassungsgericht hat Teile des "Sicherheitspakets" der ehemaligen Regierung für verfassungswidrig erklärt.

Die Klage gegen das von der ehemaligen österreichischen Regierungskoalition ÖVP und FPÖ beschlossene „Sicherheitspaket“ vor dem österreichische Verfassungsgerichtshof, hatte Erfolg. Abgeordente der SPÖ und Neo haben sie eingereicht. Das Verfassungsgericht erklärte am 11. Dezember 2019 gleich mehrere Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig. Ursprünglich war geplant, den Staatstrojaner im April 2020 einzusetzen. Er sollte benutzt werden bei Verbrechen mit einer Höchststrafe von mehr als zehn Jahren. Aber auch bei Terrorverdacht, bei Straftaten gegen Leib und Leben und Sexualdelikten mit einer Höchststrafe von über fünf Jahren.

Bundestrojaner
der Zwilling aus .de

Die von Verfassungsgericht aufgehobenen Bestimmungen betreffen:

  • die verdeckte Erfassung und Speicherung von Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen

Hier bezeichnet der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die „mit der Befugnis der Sicherheitsbehörden zur Ermittlung von personenbezogenen Daten bewirkten Eingriffe im Lichte des verfolgten Ziels als unverhältnismäßig, […] weil die Ermittlungsmaßnahme (auch) zur Verfolgung und Abwehr von Vorsatztaten der leichtesten Vermögenskriminalität gesetzt werden darf.“

  • die Verarbeitung von Daten aus Section-Control-Anlagen durch die Sicherheitsbehörden

Das Verfassungsgericht stellt fest, dass „der Zugriff von Sicherheitsbehörden auf personenbezogene Daten aus Section-Control-Anlagen einen Eingriff in die Geheimhaltungsinteressen und das Recht auf Achtung des Privatlebens von erheblichem Gewicht“ darstellt. Man könne nicht ausschließen, dass dabei auch Personen betroffen sind, die man grund- oder anlasslos überwacht. Es besteht die Möglichkeit, dass die Daten so oder so gespeichert werden. Und nicht nur wenn dies der Aufklärung schwerer Straftaten diene.

  • die verdeckte Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms auf einem PC sowie die Ermächtigung, zum Zweck der Installation dieses Überwachungsprogramms in Räumlichkeiten einzudringen. Man darf auch keine Behältnisse durchsuchen oder spezifische Sicherheitsvorkehrungen überwinden.

bundestrojanerGemäß Auffassung des VfGH ist die vertrauliche Nutzung von Computersystemen und digitalen Nachrichtendiensten „wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens. Die verdeckte Überwachung der Nutzung von Computersystemen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die geschützte Privatsphäre dar. Sie ist nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz entsprechend gewichtiger Rechtsgüter zulässig.“ Dem Einsatz des Bundestrojaners käme, gemessen an Art und den Umfang der Überwachung, „eine besondere – den anderen Überwachungsmaßnahmen der Strafprozessordnung nicht gleichzuhaltende – Intensität zu“. Das Verfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass die bei verdeckter, laufender Überwachung eines Computersystems gewonnenen Daten auch Rückschlüsse auch auf die persönlichen Vorlieben, Neigungen, Orientierung und Gesinnung sowie Lebensführung des Nutzers gewähren würden.

Gegenüber anderen Überwachungsmaßnahmen trete hier eine „signifikant erhöhte (Streu-)Breite“ auf und würde damit „eine Vielzahl an auch unbeteiligten Personen“ treffen. Bei Überwachung verschlüsselter Nachrichten wäre nicht gewährleistet, dass die Überwachungsmaßnahmen nur dann erfolgen, „wenn sie zur Verfolgung und Aufklärung von hinreichend schwerwiegenden Straftaten dient.

Der Verfassungsgericht urteilt weiterhin, dass das „Eindringen in Wohnungen, Durchsuchung und Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen zwecks Installation des „Bundestrojaners“ gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Hausrechts verstößt. Diese Regelung ermächtigt – so der VfGH – auch zur Durchführung von Hausdurchsuchungen, ohne dass der Betroffene davon Kenntnis erlangt.

Dies widerspricht jedoch dem Hausrechtsgesetz 1862. Demnach sind Hausdurchsuchungen, die ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden, diesem im Nachhinein – innerhalb der nächsten 24 Stunden – mitzuteilen sind.“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wertet die Entscheidung als „Erfolg für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Österreich“. Diese würde die freie Gesellschaft schützen. Für den stellvertretende Neos-Chef Niki Scherak kommt das Urteils einer „klaren Absage an die umfassenden Überwachungsfantasien“ gleich.

Foto LunarSeaArt, thx!

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.