Das Moskauer Startup-Unternehmen NTechLab entwickelte FindFace: Eine Gesichtserkennungs-App, die verspricht, quasi jeden zu enttarnen.
Ein Moskauer Startup-Unternehmen bekommt derzeit mit der App FindFace internationale Aufmerksamkeit: Die beiden Russen Artem Kukharenko (26) und Alexander Kabakov (29) haben die Firma NTechLab gegründet. Sie entwickelten den Gesichtserkennungsalgorithmus FaceN, der alternative Verfahren um Längen schlägt. Der Algorithmus kann in Sekundenschnelle Millionen an Fotos miteinander abgleichen. Die Gefahr ist gegeben, dass dadurch die Privatsphäre im Internet abschafft wird.
Kabakow, ein 29-jährige Russe gehört zusammen mit dem 26-jährigen Programmierer Artjom Kucharenko zu den Erfindern der App „Findface“, die gerade weltweit für Aufsehen sorgt. Mit der App kann man einen beliebigen Menschen auf der Straße fotografieren und sein Gesicht mit 300 Millionen Profilbildern in Russlands größtem sozialen Netzwerk VK.com (ehemals vkontakte.ru), der russischen Alternative zu Facebook, vergleichen. Der Algorithmus kann Fotos und Filme abspeichern, sie live mit dem Internet und mit Polizeidatenbanken abgleichen. Das Programm findet die Social-Media-Profile von Tätern und Opfern, stellt die Kontaktdaten fest. Mit einer Genauigkeit, die laut Betreibern bei 70 Prozent liegt, findet man das Profil des Menschen und seinen Namen. Die App könnte das Ende der Anonymität im öffentlichen Raum bedeuten: „Wir können den Fortschritt ohnehin nicht stoppen“, äußert sich Kabakow dazu.
Findface in der Kritik
Die beiden haben schon in der Vergangenheit der Polizei in Moskau geholfen, Verbrechen aufzuklären. 150.000 Überwachungskameras arbeiten dort bereits mit der Software von NTechLabs, Zweifel an den russischen Sicherheitsbehörden haben die Gründer nicht. Sie argumentieren vor allem mit den Sicherheitsvorteilen durch ihr Produkt. Besonders in Europa sei die Gefahr durch Terrorismus doch gerade so hoch. Kabakov war bereits auf einer Sicherheitskonferenz in der EU und lässt uns wissen. „Wir haben auch mit Firmen verhandelt, die im europäischen Grenzschutz involviert sind“. Welche, möchte er aber nicht sagen. Sicherheitsbehörden lieben Anonymität, wenn es um sie selbst geht.
In Russland kann die App FindFace ungehindert benutzt werden. Weder Behörden noch das soziale Netzwerk Vkontakte unternehmen etwas dagegen. Nach der Einschätzung von Juristen des russischen Verbandes Agora werden solche neuen Technologien vom russischen Datenschutzgesetz nicht genau erfasst. Die Betreiber selbst geben sich gewiss, dass ihr Angebot legal sei. „Wir speichern ja keine Bilder“, sagt Kabakow. „Wir führen nur eine Suche durch, wie Google das auch macht.“
Andere Rechtslage innerhalb der EU
In Deutschland dagegen sieht die Rechtslage doch anders aus: Mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken würde eine solche Suche nicht funktionieren. Auch aus rechtlicher Sicht wäre in der EU eine solche Anwendung nicht zulässig, sagt der ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar. „Das neue europäische Datenschutzrecht sagt ausdrücklich, dass biometrische Angaben, die zur Identifizierung der Betroffenen benutzt werden, zu den besonders sensiblen Daten gehören.“ Wegen der strikteren Datenschutzgesetze hat Facebook etwa seine Foto-App „Moments“ in der EU ohne Gesichtserkennung freigeschaltet.
„Es macht keinen Sinn, dagegen zu kämpfen“, sagt Kabakow zu den europäischen Gesetzen. „Wir leben schon in einer Welt, in der unser Smartphone unzählige Daten über uns sammelt.“ Er ist überzeugt, dass Gesichtserkennungstechnologien mehr nutzen als schaden. „Findface“ mache diese Innovation für alle Menschen verfügbar. „Wir haben den Leuten gezeigt, dass sie überall ganz einfach identifiziert werden können“, sagt er. Vielen Menschen sei nicht bewusst gewesen, dass es solche Möglichkeiten gibt. Im Gespräch mit WIRED äußerte sich Kabakov wie folgt: „Man kann unsere Technologie auch für schlechte Zwecke einsetzen, aber daran können wir nichts ändern“.
Datenschützer warnen vor dramatischen Folgen
Für den Datenschutzexperten Schaar sind die negativen Aspekte von FindFace gravierender. „Das führt dazu, dass man sich in einem Panoptikum befindet, in einer völlig überwachten Welt“, sagt er. „Das könnte dramatische Folgen haben, gerade weil sich Menschen in der Öffentlichkeit oft unbefangen zeigen, sich aber der Auswertungsmöglichkeiten und der damit verbundenen Folgen nicht bewusst sind.“ Doch da Technologien tatsächlich in der Welt seien, könne man mit Verboten der Gefahr lediglich die Spitze nehmen, sie aber nicht beseitigen. Die Gesellschaft werde sich fragen müssen, wie sie damit umgehen wolle. „Sollen wir alle maskiert rumlaufen? Oder ist die Konsequenz, dass man sich total anpasst? Oder sagt man, ich werde sowieso überwacht, also lasse ich mich davon nicht beeindrucken?“
Auch Medienanwälte äußern sich kritisch
Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei gulden röttger meinte zum Thema: „Die App bietet erhebliche Möglichkeiten in der Verbrechensbekämpfung, sorgt aber auch für Gefahren in Sachen Datenschutz und Privatsphäre…Ich sehe in der App „FindFace“ aber durchaus die Möglichkeit einer legalen Nutzung und auch eines legalen Angebots. Die Abgebildeten müssen nur weingstens einmal darauf hingewiesen worden sein, dass ihre Bilder auch von Dritten, wie Find Face verwendet werden könnten. Das ist bspw. bei allen Bildern der Fall, die Nutzer öffentlich auf Facebook hochladen…
Es ist legal, auf Netzwerke wie Facebook zuzugreifen und die Daten zusammenzuführen. Wem das nicht passt, sollte seine Privatsphäre Einstellungen in den Netzwerken abändern oder genau überlegen, welche Bilder öffentlich gepostet werden…Hinsichtlich der Anbindung an Überwachungskameras habe ich aber gewisse Bedenken, wenn diese Bilder an einen privaten Diensteanbieter wie Find Face übermitteln oder diesem zumindest den Zugriff auf die Bilder der Überwachungskameras gestatten. Hier sehe ich die Gefahr massiver Persönlichkeitsrechtsverletzungen…Die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche zur Schaustellung von Bildnissen ohne Einwilligung der Abgebildeten ist allein den Behörden gestattet – zum Zwecke der Rechtspflege oder der öffentlichen Sicherheit, § 24 Kunsturhebergesetz. Private und Unternehmen dürfen das nicht.“
Fazit:
500.000 User hat die App FindFace mittlerweile. Drei Millionen Suchanfragen gab es bislang. Die App durchsucht und gleicht blitzschnell die 200 Millionen User des Netzwerks ab. Auch die Großen wie Microsoft, Facebook und Google experimentieren mit derartiger Software. Menschen automatisch orten und im Netz wiederfinden zu können, das verspricht völlig neue Möglichkeiten für soziale Medien, Werbetreibende, aber auch Versicherungen und Behörden. Wo Datenschützer das ultimative Überwachungs-Tool vermuten, versprechen sich andere Profit und Sicherheit. Kein bereits existierender Ansatz hat das in den vergangenen Monaten so deutlich gemacht wie der von Kabakov und Kukharenko.
Apps und Internetanwendungen erleichtern uns das Leben. Doch sie bringen auch Probleme mit sich, denn die meisten Apps sind zwar kostenlos, aber eben nicht umsonst und auch das wird hier wieder mal sehr deutlich: Wir bezahlen mit unseren Daten mit allen Risiken, die das so mit sich bringt…
Tarnkappe.info