Die EU plant mit „e-Evidence“ den nächsten großen Angriff auf das freie Internet und juristischen Standards. Allerdings weiß kaum jemand davon.
Bisher haben die meisten von der „e-Evidence-Verordnung“ noch nichts gehört oder sich nicht wirklich mit ihr auseinandergesetzt. Dabei ist es nach dem „Artikel 13“ der nächste große Angriff des EU-Parlaments auf die Freiheit des Internets und ein Freifahrtschein, um die bisherigen juristischen Standards der EU Mitgliedsstaaten zu umgehen. Erst seit gestern gibt es ein kleines Echo zur neuen Verordnung, aber bisher ist die Debatte um die neue Maßnahme der EU eine mediale Randerscheinung.
EU-weiter Daten-Zugriff für Ermittler
Juristischer Standard der meisten europäischen Demokratien bei der Sammlung digitaler Beweise ist der Gang über den Richter. Geht es um elektronische Beweismittel im Ausland muss ein Rechtshilfegesuch beantragt und die Zustimmung der zuständigen Justiz abgewartet werden. Die EU-Kommission möchte das nun ändern und den Prozess verkürzen. Anstelle dessen soll es Behörden in der EU durch die neue Verordnung möglich sein, durch kurze Anfragen ohne richterlichen Beschluss die angeforderten Daten zu erhalten. Im praktischen Fall bedeutet das, Anbieter wie Facebook müssen auf Anfrage eines Ermittlers innerhalb von 10 Tagen (bei Eile in sechs Stunden) die Daten herausgeben. Bei Zuwiderhandlung sollen nach aktuellem Entwurf vom E-evidence saftige Strafen bezahlt werden.
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e-Evidence öffnet Tür und Tor für Willkür gegen Journalisten und Aktivisten
Auch wenn es den Prozess der Strafverfolgung vielleicht drastisch vereinfachen mag und zu mehr Erfolgen führen könnte, fehlt laut Kritikern jegliche Verhältnismäßigkeit. Was im EU-Staat A illegal ist, ist im EU-Staat B erlaubt. Dennoch müsste ein Hoster oder Soziales Netzwerk in B die Daten an Behörden in A weitergeben. Dies trifft beispielsweise Aktivisten und Regierungskritiker, aber natürlich auch Journalisten. Diese laufen Gefahr, dass ihre Mail-Kommunikation mit vermeintlichen Straftätern (bspw. für ein Interview) von einer Behörde mitgelesen werden könnten. Auch hier müsste der Provider mit den Behörden kooperieren ohne dass die User oder Gerichte davon erfahren. Jeder Ermittler hätte damit sehr viel mehr Macht als bisher und diese birgt immer die Gefahr von Missbrauch. Ohne juristisches Mitwissen und kritische Kontrollen wäre solch einer Willkür schwer beizukommen und auch Kontrolle zwischen Behörden wären damit passé.
Vormarsch zu mehr Zugriffsmöglichkeiten der Behörden – e-evidence nur der Anfang?
Die neue Verordnung steht stark in Kritik. In einem von Netzpolitik.org veröffentlichtem Hintergrundpapier des Bundesjustizministeriums werden etwaige Beispiele für Missbrauch durchgedacht. Viele Fragen sind offen und so langsam regt sich Widerstand gegen das Vorhaben der EU. Bereits im Herbst steht dann die neue Verordnung zur Verhandlung mit dem EU-Rat an. Und während noch nicht einmal ein Kompromiss über die Verordnung ausgehandelt worden ist, plant die Kommission bereits die Ausweitung von e-Evidence mit den USA.
Beitragsbild Markus Spiske , thx! (Unsplash License)
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