Bürogebäude von Yandex in Moskau
Bürogebäude von Yandex in Moskau
Bildquelle: kapustin_igor, Lizenz

Yandex: „Russlands Google“ erwägt Rückzug aus seiner Heimat

Die geopolitische Lage zwingt den Tech-Konzern Yandex zur Abspaltung einiger Geschäftsbereiche und einen teilweisen Rückzug aus Russland.

Aufgrund der angespannten geopolitischen Lage ist offenbar auch Yandex der Herausforderung des russischen Marktes nicht mehr gewachsen. Nun erwägt der Konzern eine Abspaltung einiger Geschäftsbereiche. Dazu kommt ein Rückzug mancher Bereiche aus dem Heimatland. Viele eigene Mitarbeiter, ebenso wie andere Tech-Konzerne, haben Russland längst verlassen.

Geopolitische Lage zwingt Yandex zum Handeln

Das Unternehmen Yandex, oftmals auch als „Russlands Google“ bezeichnet, hat Schritte angekündigt, um sich aus seinem Nationalstaat zurückzuziehen. Seinen Hauptsitz hat die Holdinggesellschaft Yandex NV bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in den Niederlanden.

Wie sein Vorbild aus dem Silicon Valley, begann das Technologieunternehmen mit einer Suchmaschine und weitete sein Angebot schließlich auf zahlreiche andere Geschäftsbereiche aus. Darunter Werbung, E-Commerce, Cloud und sogar Software für selbstfahrende Kraftfahrzeuge.

In einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung gab Yandex bekannt, einen strategischen Prozess eingeleitet zu haben, „um Optionen zur Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse und der Unternehmensführung der Gruppe im Lichte des aktuellen geopolitischen Umfelds zu prüfen„.

Yandex
Yandex Logo.

Ein spezieller Ausschuss des Verwaltungsrats von Yandex erwägt demnach folgende Szenarien:

● Entwicklung der internationalen Geschäftsbereiche bestimmter Dienstleistungen (einschließlich selbstfahrender Technologien, Cloud Computing, Data Labelling und Ed-Tech) unabhängig von Russland.

● Veräußerung des Eigentums und der Kontrolle von Yandex N.V. über alle anderen Geschäftsbereiche der Yandex-Gruppe (einschließlich Suche und Werbung, Mobilität, E-Commerce, Lebensmittellieferung, Zustellung, Unterhaltungsdienste und andere in Russland und auf internationalen Märkten), einschließlich der Übertragung bestimmter Elemente der Unternehmensführung an das Management.

Yandex Pressemitteilung

Auch eine Umbenennung des Konzerns steht demnach zur Debatte, „wobei das zu veräußernde Geschäft die Exklusivrechte für die Nutzung der Marke Yandex behält„.

Viele Mitarbeiter sind bereits aus Russland geflohen

Die russische Nachrichtenagentur TASS interpretierte die Ankündigung als Abschied von Yandex aus Russland. Angesichts der geopolitischen Lage ist dies kaum verwunderlich. Auch andere Unternehmen kehrten dem von Putin regierten Staat infolge zahlreicher Sanktionen bereits den Rücken zu. Denn grenzüberschreitende Geschäfte sind für russische Unternehmen inzwischen eine echte Herausforderung.

Yandex scheint mittlerweile keine andere Möglichkeit mehr zu sehen, außerhalb Russlands zu operieren. Eine Ausgliederung wichtiger Geschäftszweige ist daher die logische Konsequenz.

Was der Konzern mit seinen bestehenden russischen Mitarbeitern macht, ist bisher noch ungewiss. John Boynton, der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Yandex, gab jedoch zu verstehen:

„Dies sind außergewöhnlich schwierige Zeiten. Seien Sie versichert, dass wir bei der Analyse verschiedener strategischer Optionen alles tun werden, um den Wert für unsere öffentlichen Aktionäre zu schützen und die Chancen für die 20.000 Mitarbeiter zu wahren, die Yandex zu einem der erfolgreichsten Technologieunternehmen in Europa gemacht haben.“

John Boynton, Vorsitzender des Yandex-Verwaltungsrats

Wie The Register berichtet, sollen jedoch einige Yandex-Mitarbeiter bereits aus Russland ausgereist sein. Auch das erscheint wenig verwunderlich, da Tech-Mitarbeiter in anderen Ländern mit einer weitaus angenehmeren Arbeitsumgebung ebenfalls stets gefragt sind.

Die Tatsache, dass auch andere Tech-Konzerne Russland längst verlassen haben, dürfte dabei ebenso eine Rolle spielen. Denn dadurch stehen dort immer weniger Karrieremöglichkeiten für die normalerweise gut bezahlten Fachkräfte zur Verfügung.

Über

Marc Stöckel hat nach seiner Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und einem Studium im Bereich der technischen Informatik rund 5 Jahre als Softwareentwickler gearbeitet. Um seine technische Expertise sowie seine Sprachfertigkeiten weiter auszubauen, schreibt er seit dem Sommer 2022 regelmäßig Artikel zu den Themenbereichen Software, IT-Sicherheit, Datenschutz, Cyberkriminalität und Kryptowährungen.