Wien. INGRESS ist ein Computerspiel auf dem Smartphone, welches man im Freien spielen kann und auch soll. Es ist dort, wo die Realität und die Internetwelt miteinander verschmelzen. Wir haben uns das einmal näher angesehen.
Dieses Spiel von Niantic Labs, ein Tochterunternehmen der Alphabet-Google Gruppe, ist nicht nur packend wie ein Krimi, sondern ideal zum Bewegen im Freien, wenn man ein paar Kilo zu viel hat. Wer keinen Hund besitzt oder auch weil man einen hat, ist es ein Grund mehr mit seinem Smartphone „Gassi“ zu gehen. In Österreichts Hauptstadt fanden letztes Wochenende die weltweiten INGRESS-Wettkämpfe statt. Ein Bericht vor Ort aus Wien.
Hintergrund
Vor mehr als drei Jahren eröffnete die Firma Niantic Labs, ein Google-Startup, mit Ingress ein ganz neues Genre. Augmented Reality-Spiele waren auf herkömmlichen Smartphones bis dahin nicht verfügbar. Man kennt das schon von der Google-Glass-Brille, ein Smartphone als Brille, welche einem im Alltag viele Informationen in Echtzeit vermitteln kann. Ingress spielen weltweit einige Millionen Menschen. Wichtig ist die Vernetzung in einem sozialen Netzwerk, in diesem Fall Google Plus.
Denn anders als bei normalen Computerspielen, muss man für manche Aufgaben auch die Spieler/innen in der Realität treffen. Genau aus dieser Konstellation können Freundschaften entstehen, beim Netzwerken kann man vielleicht einen neuen Job finden, oder auch privat eine neue Liebe. Was alle Ingressspieler auszeichnet: Sie sind kommunikativ, schlagen kein Bierchen aus. Sie sind mobil zu Fuß, mit dem Rad, in der Luft oder via Motorisierung unterwegs, stets auf der Suche nach Abenteuern im urbanen Großstadtdschungel oder in der freien Natur.
Schlüsselszene im INGRESS-Wettkampf: Die grüne Fraktion (Frösche), „die Erleuchteten“, im Wien-Belvedere bei Kaiserwetter.
Wem Geocaching oder Schnitzeljagd mehr sagt, der kann sich vielleicht in die Ingress-Welt hinein denken. Datenschutztechnisch sollte man sich aber auch bewusst sein, dass hier nichts mehr geheim ist. Man ist gläsern, wie man nur transparent sein kann. Denn bei allen GPS-gestützten Applikationen, den sogenannten Location Based Services, die vom Mobilfunkanbieter frei nutzbar sind, weiß man einfach wann und wo man sich gerade aufhält. Wenn man vor hat, kurz Zigaretten holen zu gehen oder daheim gesagt hat, dass man im Büro Überstunden machen muss, dann sollte man unterwegs vielleicht Ingress eher im „Silent“-Modus spielen. Also abgeschaltet, weil sonst jeder von einem Weg-Zeit-Diagramme zeichnen kann.
Bedenken von Datenschützern
Damit wären die Bedenken einer Vorratsdatenspeicherung gleich wieder präsent. Andererseits sollte man die Kirche im Dorf lassen, weil man muss im realen Leben auch mal an öffentliche Orte aufhalten, wo Kameras montiert sind oder Medien gerade Berichte machen, die später weltweit veröffentlich werden. Da ist man sich auch bewusst, dass das man gläsern ist. Es wird auch niemand gezwungen diese Spiele-App zu installieren. Daher sollte jeder selbstbestimmt entscheiden, ob er solche Spiele spielen mag und was er dabei preisgibt.
Exklusiv-Interview mit Anne Beuttenmüller von Niantic Labs.
Der Reiz an diesem Spiel ist es, vor allem Menschen hinter ihren Smartphones zu treffen und gemeinsam in ein Katz- und Mausspiel zu vertiefen. Ein Art „Mensch ärgere dich 2.0“, denn die Schadenfreude ist die Triebfeder dieses Spiels. Niantic Labs hat das erkannt und veranstaltet darüber hinaus über das ganze Jahr Wettbewerbe in verschiedenen Städten, genannt Anomalie.
Julia aus Wien spielt begeistert Ingress für die grüne Fraktion und hat das höchste Level 16 erreicht.
Was ist eine Anomalie?
Eine Anomalie ist eine Art olympische Disziplin, in der zwei Fraktionen in Geschicklichkeitswettbewerben möglichst viel Fläche für sich erobern. Gewonnen hat jene Fraktion, die nach Punkten und nach gewonnener Fläche vorne liegt. Da immer mehrere Städte weltweit darum kämpfen, ist der Punktestand auch im Gesamtklassement entscheidend, wer am Ende einer Saison (Serie) gewonnen hat.
Spielerinnen der blauen Fraktion (Schlümpfe) „Resistance“ beim Aufwärmen zum Wettkampf in Wien-St. Marx.
Neu bei dieser Anomalie sind Fitnesswettbewerbe von einem neuem Startup „GORUCK“ aus Amerika. Wer es etwas strenger mag und kein Problem damit hat, im Wettlauf gegen die Uhr 10 Personen auf die Schulter zu nehmen, der wird diese körperliche Herausforderungen sehr zum Vorteil der eigenen Fraktion nutzen können. Schon vor drei Jahren wurde eine Anomalie in Wien veranstaltet. Damals noch mit 300 Spieler/innen. Heuer aufgrund der großen Teilnehmer/innenzahl, wurde die Siegesfeier in die Großraumdisco „Praterdom“ verlegt.
Seit der Ausgliederung von Niantic Labs aus dem Mutterkonzern Google, ist die Firma angehalten auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. So sind Freemium-Modelle in das Spiel eingebaut worden. Man könnte auch Produktplazierung sagen, wenn sich Firmen eingekauft haben, mit ihrem Namen Gegenstände zu branden. Dafür ist aber das Spiel selbst kostenlos geblieben. Es gibt aber auch Gegenstände, die man nur kaufen kann um sich im Spiel Vorteile zu erschaffen.
Im Internetzeitalter nicht wegzudenken: Das Selfie darf auch bei INGRESS nicht fehlen. Tue Gutes und mach Dir selbst ein Bild. ;-)
Endgame kam als Buch heraus
Es wird auch schon an weiteren Computerspielen gearbeitet. So ist Endgame inzwischen als Buch zum Spiel erschienen. Es geht darum, dass man anfangs viele Rätsel lösen muss, bevor man sich dieses Spiel überhaupt installieren kann. Der Start von Endgame liegt noch in der Zukunft. Früher an den Start könnte eine neue Version von Pokemon und Ingress gehen. Es nennt sich „Pokemon GO“ und ist eine Kooperation zwischen Niantic Labs und der japanischen Computerspieleschmiede GAME FREAK Inc. Bei Pokemon GO wird man, genau wie bei Ingress im öffentlichen Raum spielen. Das heißt, die ganze Welt ist eine Spielkarte 1:1, basierend auf Google-Maps.
Spoiler: INGRESS goes Pokemon GO – Eine Vorschau!
Bei all den Spielen gibt es auch ein Storytelling. Bei Ingress basiert die Story auf einer Science Fiction-Handlung, die mit einer wöchentlichen Nachrichtensendung, dem Ingress-Report, ständig aufs Neue genährt wird.
Dokumentation
Wer sich jetzt nichts unter den Begriffen Erleuchtung oder Widerstand, beziehungsweise Fröschen und Schlümpfen vorstellen kann, dem sei die Dokumentation empfohlen.
Packende Dokumentation: Mehr als 5.000 Menschen, die (fast) nur auf ihr Smartphone schauen.
Info:
Die Begriffe Frösche und Schlümpfe sind liebevolle Umschreibungen der einen Fraktion über die Andere, um sie etwas mit Emotionen zum Kochen zu bringen. Die meisten bleiben aber cool in ihrer angedachten Rolle als Schlümpfe oder Frösche. Sie tarnen sich ganz stylisch angepasst an die Farbe der Fraktion. Der Frosch ist grün und der Schlumpf ist blau.
Tarnkappe.info