Wie kommt es zu den Cardsharing-Vorladungen?
Bildquelle: sky deutschland

Wie kommt es zu den Cardsharing-Vorladungen?

Wir haben uns mit einem Anwalt ausgetauscht, wie es eigentlich zu den Cardsharing-Vorladungen kommt. Wie wird ermittelt, was passiert dann?

Wir haben über Cardsharing-Vorladungen berichtet, die in diesem Fall offenbar einen Nutzer von SeroTV betrifft. Illegales Cardsharing ist schon jetzt relevant, die Nutzung derartiger Dienste nimmt aber noch weiter zu. Wir haben uns mit einem Anwalt unterhalten, der solche Klienten regelmäßig vertritt. Wir wollten von ihm wissen, wie es zu den Strafanzeigen kommt und wie man sich im Fall der Fälle verhalten sollte.

Die Sky Deutschland GmbH unterhält eine so genannte Anti Fraud Division. Von dort stammen schon seit langer Zeit rund 90 Prozent aller Verfahren. Der Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft geht ein Testkauf in einem einschlägigen Forum oder bei einem Online-Shop für IPTV-Dienstleistungen voraus.

Die Mitarbeiter der Betrugsabteilung prüfen die Bankverbindung oder PayPal-Adresse, die der illegale Anbieter oder Reseller genutzt hat. Außerdem stehen die IP-Adressen der Server, von wo aus gesendet wird im Zentrum des Interesses nebst der dort angebotenen Inhalte. Wenn Werke von Sky angeboten werden, was zumeist der Fall ist, erfolgt eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft des Tatverdächtigen. In der Folge verschickt man dann kurze Zeit später die Cardsharing-Vorladungen an die möglichen Straftäter.

Cardsharing-Vorladungen

Oftmals geradezu ahnungslose Reseller am Werk

Der Anwalt, dessen Namen wir nicht nennen sollen, erklärt uns, er sei überrascht, dass man dafür immer wieder Strohmänner einsetzt. Oder aber es sind Personen, die glauben, sie könnten mal eben ohne jeden technischen Hintergrund das schnelle Geld machen. Die wundern sich dann umso mehr, wie man auf sie gekommen ist.

Oft seien Personen aus Osteuropa als Reseller tätig, erklärt uns der Jurist. Diese nutzen für die Kommunikation mit den Kunden als auch für den Geldfluss keinerlei Maßnahmen zur Verschleierung. Einige davon seien geradezu „ahnungslos„, erklärt uns unser Gesprächsteilnehmer.

Es wäre ja problemlos möglich, sich eine anonyme SIM-Karte zu besorgen, ein VPN* oder einen nicht nachvollziehbaren Account bei PayPal zu nutzen etc. Aber gut, selbst wenn der PayPal-Account gehackt ist, wollen die Täter am Ende des Tages ihre Einnahmen auf dem eigenen Bankkonto haben. Da muss man schon mehr tun, um den Weg des verdienten Geldes zu verschleiern.

Cardsharing: Schwein gehabt?

Was tun bei einer Strafanzeige oder Vorladung?

Die Zahlungsinformationen waren bei bisherigen Fällen nicht unbedingt ausreichend, außer man schreibt als Betreff beispielsweise IPTV oder Sky mit hinein. Den Tätern muss schließlich bewiesen werden, dass sie die Dienste nicht nur erworben sondern auch genutzt haben. Der reine Kauf ist keine Straftat.

Ein Fachanwalt für Medien- und Strafrecht sollte im Idealfall direkt nach Eingang des Schreibens Akteneinsicht beantragen. Meistens handelt es sich nur um eine reine Finanzermittlung. Soll heißen, die Ermittler sind der Spur des Geldes zum Reseller, Anbieter oder den Kunden gefolgt. Die Banken als auch Paypal erteilen bei Anfragen natürlich zeitnah Auskunft. Die Auswertung von Chats über einen Messenger oder die genutzten IP-Adressen spielen bei derartigen Verfahren nur selten eine Rolle, erklärt uns der Anwalt.

Viele Cardsharing-Vorladungen wegen Geldwäsche

Geldwäsche

Anstatt auf die begangenen Urheberrechtsverletzungen beziehen sich übrigens viele Vorladungen auf den Verdacht auf Geldwäsche. Auch, weil dieses Schwert schärfer ist. Juristen mit entsprechender Erfahrung haben einen besseren Draht zu den Staatsanwaltschaften.

Diese können entweder eine Stellungnahme im Namen des Klienten abgeben. Oder aber sie schlagen den Staatsanwälten einen Deal vor. Bei reinen Cardsharing- bzw. IPTV-Kunden reicht oft eine Spende an eine karitative Organisation aus, um das Verfahren zu beenden.

Sky Deutschland darf übrigens nicht mehrfach Schadenersatz fordern. Weil es einfacher ist, wendet sich die Anti Fraud Division von Sky nach Möglichkeit an den Reseller bzw. Anbieter, weil es dann für die Forderungen nur einen Ansprechpartner gibt. Ansonsten müsste man alle Kunden anschreiben. Auf jeden Fall zieht man beim Anbieter oder Reseller alles an Einnahmen ein. Also alles, was der Tatverdächtige illegal umgesetzt hat. Seine Kosten kann er nicht davon abziehen. Die Kunden betrifft der Schadenersatz meistens nicht, erklärt uns der Anwalt. Und doppelt kassieren, also vom Abnehmer als auch vom Verkäufer, dürfen die Rechteinhaber nicht.

Warum sind die Strafen für das Cardsharing ungleich höher?

Cardsharing

Rechtlich gesehen drehen sich die Anschuldigungen beim Cardsharing zumeist um den Vorwurf des Computerbetrugs. Dies sei aber eigentlich gar nicht der Fall, gibt der Anwalt zu verstehen. Beim reinen IPTV sieht die Lage wieder anders aus.

Die Staatsanwaltschaften nehmen derartige Fälle so oder so nicht sonderlich ernst. Sie haben sowieso den Tisch voller Akten, die sie am liebsten möglichst schnell abarbeiten möchten. Bei anders gelagerten Delikten kann man normalerweise auch von einer deutlich höheren kriminellen Energie ausgehen. Das gilt auch dann, wenn man als Reseller oder Anbieter von Cardsharing- bzw. IPTV-Abonnements vergleichsweise viel Geld in kurzer Zeit verdient hat. Von daher kommen die Strafverfahren meistens nur in Gang, weil Sky die Strafanzeige gestellt hat.

Zu strafrechtlichen Konsequenzen ist es bei reinen Filesharing-Nutzern offenbar noch gar nicht gekommen. Für strafrechtliche Konsequenzen müsste man dem Tatverdächtigen zunächst nachweisen, dass er die Urheberrechtsverletzungen (Filesharing) in einem großen Umfang betrieben hat.

Das deckt sich mit den bisherigen Erfahrungen, die man bei Razzien von Streaming-Portalen (kino.to), Usenet-Foren (town.ag, UsenetRevolution etc. ) beobachten konnte. Strafrechtlich gesehen waren in der Vergangenheit die Personen relevant, die sich aufgrund ihrer Tat persönlich bereichern konnten. Wer mit Warez Geld verdient, auf den kann auch eine Strafe zukommen. Doch wie gesagt, die Staatsanwaltschaften haben ganz andere Sorgen als Cardsharing-Vorladungen zu verschicken.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.