Erlaubt eine unklare Formulierung im Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung auch den Geheimdiensten Zugriff auf die Standortdaten?
Eine vage Formulierung im Gesetzesentwurf könnte dafür sorgen, dass die Geheimdienste doch – anders als bislang behauptet – Zugriff auf die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung archivierten Telekommunikationsdaten bekommen könnten. Ob die Formulierung versehentlich oder mit Absicht in den Entwurf gelangte, ist derzeit unklar.
Vorratsdatenspeicherung: Zugriff für den Verfassungsschutz?
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte immer wieder versichert, ein Zugriff der deutschen Geheimdienste auf die Vorratsdaten sei nicht vorgesehen. Im Online-Magazin „Zeit Online“ spekuliert der Journalist Kai Biermann nun jedoch, dass dies angesichts des Wortlauts des Gesetzesentwurfs nicht ganz der Wahrheit entspricht. Es sei durchaus möglich, dass die Vorratsdaten auch den Geheimdiensten weit reichende Einblicke in die Privatsphäre der Nutzer gewähren.
„Der Gesetzentwurf ist an einer entscheidenden Stelle unklar formuliert. So unklar, dass Telekommunikationsanbieter den Geheimdiensten, ohne es zu merken, mehr Daten über Bürger geben könnten, als gut und gewünscht ist,“ berichtet die Zeit.
Überwachung auf Umwegen
Eigentlich sind die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung – oder, wie es im neuen Gesetzesentwurf heißt, der Speicherpflicht für Verbindungsdaten – archivierten Daten allein für die Polizei bestimmt. Der Gesetzesentwurf fordert die zum Speichern verpflichteten Telekommunikations-Dienstleister jedoch auf, die Daten auf Anfrage anderer Dienste hin für interne Recherchen zu verwenden. So darf man die Vorratsdaten etwa dazu nutzen, um den zu einer IP-Adresse gehörigen Nutzer festzustellen. Bislang wurden hierzu die sogenannten Bestandsdaten, also vom Provider ohnehin zu Abrechnungszwecken gespeicherte Informationen, genutzt. Zukünftig sollen jedoch auch die Vorratsdaten herangezogen werden.
Daten der Vorratsdatenspeicherung wecken Begehrlichkeiten
Biermann befürchtet nun, dass die Provider womöglich auf eine Anfrage der Geheimdienste hin auch weitaus umfangreichere Informationen herausgeben, wenn sie einmal auf die Vorratsdaten zugegriffen haben. Insbesondere die Standortdaten, die das Anlegen genauer Bewegungsprofile ermöglichen können, sind hier gefährdet. Die Erfahrung lehrt, dass einmal gespeicherte Daten nicht nur Begehrlichkeiten schaffen, sondern auch zum leichtsinnigen Umgang einladen – das hier entworfene Szenario erscheint also nicht unrealistisch, zumal eine getrennte Speicherung von Vorratsdaten und Bestandsdaten einen teuren Umbau der technischen Infrastruktur erfordert und somit wahrscheinlich erst einmal Theorie bleiben wird.
Heiko Maas dementiert
Das Bundesjustizministerium dementiert, aus Unwissenheit oder aber absichtlich eine derartige Gesetzeslücke verursacht zu haben. Es teilte der „Zeit“ auf Nachfrage hin mit, rechtlich sei in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung alles sauber formuliert. Allerdings wäre es einfach gewesen, Rechtssicherheit zu schaffen. Ein ausdrückliches Verbot der Weitergabe von Standortdaten an die Geheimdienste im Gesetzesentwurf hätte dafür ausgereicht. Warum man dies unterlassen hat, darüber kann man nur spekulieren. So, wie der Gesetzesentwurf nun formuliert ist, bleibt den Providern viel Spielraum für Interpretationen. Und damit auch für Fehleinschätzungen oder das Einknicken vor der Einschüchterung durch die Dienste. Da die Geheimdienste zudem ohne Richterbeschluss agieren können, bleiben Kontrolle und Transparenz hier auf der Strecke.
Tarnkappe.info