Der Präventologe Matthias Weisser aus Taufkirchen kämpft um sein berufliches wie finanzielles Überleben. Derzeit sieht er sich dazu gezwungen, alle Fotos auf seiner Seite unkenntlich zu machen, weil er eine Wikipedia-Abmahnung erhalten hat. Zu sehen war ein Rohdiamant, der ihn am Ende um seine Existenz bringen könnte.
Kurt Kulac ist einer der aktivsten Wikipedia-Autoren Österreichs
Anfang Oktober 2019 erhielt der studierte Präventologe Matthias Weisser Post aus Graz von Mag. Kurt Kulac, seines Zeichens Jurist. Kulac ist gleichzeitig einer der fleißigsten ehrenamtlichen Wikipedia-Autoren, wie man der lokalen Presse entnehmen darf. Kulac war es auch, der schon vor zehn Jahren auf der Wikimania 2009 mit anderen Aktivisten über freies Wissen gesprochen hat. Im August 2009 flog RA Kulac sogar im Namen der Wikimedia Österreich nach Buenos Aires. Die Kosten für den Flug und teilweise die Hotelkosten wurden freundlicherweise von der Wikimedia Foundation Österreich übernommen.
Wikipedia-Abmahnung: große Gefahr bei Nutzung von Fotos!
Denn der Rohdiament von Katharina Surhoff ist nicht gemeinfrei. Die CC-Lizenz verpflichtet den Verbreiter des Fotos dazu, den Namen des Urhebers nebst der CC-Lizenz zu erwähnen. Da Weisser Mediziner aber kein Jurist ist, hat er dies nicht getan. Mag. Kulac schickt ihm also eine Rechnung in Gesamthöhe von 524,24 EUR. Für die Benutzung des 12 Jahre alten Foto verlangt Frau Surhoff 180 EUR. Der Jurist will in seiner Kostennote inklusive aller Aufwendungen und Gebühren noch mal 344,24 EUR haben.
Höhe der Vertragsstrafe nach Lust & Laune?
Geschäftsmodell des Präventologen bedroht
Die ganzen Bilder sind nicht mehr sichtbar, was die Seite beinahe unbrauchbar macht. Er hat sie allesamt mit dem Schriftzug „Abmahngefahr“ ausgetauscht, um weitere juristische Probleme zu vermeiden. Die Forderung aus Österreich macht es ihm beinahe unmöglich, sein Projekt fortzusetzen. Noch eine Flickr- oder Wikipedia-Abmahnung mehr und er zahlt nur noch drauf, wie er uns am Telefon versichert. Bis auf die Vermittlung seiner Seminare und der Beratung gebe es dort nur die Buch-Links, wo Amazon ihn an den wenigen Cent Umsatz beteiligt. Die Kostenlos-Mentalität im Internet ist auch an ihm nicht ohne Spuren vorüber gegangen. Die meisten Anrufer wollen aufgrund eines Krankheitsfalles in der Familie gratis beraten werden. Sie legen direkt auf, wenn sie ihre Informationen für lau vom studierten Fachmann erhalten haben.
Wikipedia-Abmahnung: jede Bitte um vorherige Kontaktaufnahme ist sinnlos
Um beim Rohdiamant zu bleiben, so hat er das Foto entgegen des Bestandteils NC der CC-Lizenz (NC = non commercial) auf einer gewerblich genutzten Webseite eingebunden. Damit die Seite nicht unübersichtlich oder gar unleserlich wird, verzichtete Weisser gänzlich auf jegliche Quellenangaben.
Doch derartige Platzprobleme müssen die Urheber der Fotos nicht zwingend interessieren. Wenn die CC-Lizenz die Darstellung des Namens des Urhebers vorsieht, so muss man den Namen anzeigen, egal wie beschissen dadurch die Webseite aussehen mag.
Der Abgemahnte sucht verzweifelt nach einer Lösung
Dem Mann geht es auch gar nicht um diese eine Abmahnung oder dessen Abwicklung. Es würde viele Monate kosten, die rechtlichen Hintergründe von 1.900 Bildern zu klären. Die Fotos unkenntlich zu machen, ist auf Dauer auch keine Lösung. Damit geht ein Großteil des Sinns seiner Seite verloren. So kann es nicht bleiben. Der Wikipedia-Aktivist Kurt Kulac müsste doch aus eigener Erfahrung wissen, wie viel Herzblut und Zeit man aufwenden muss, um eine Seite zu pflegen, hofft Weisser. Noch hat er ihn nicht angeschrieben und auch noch keinen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragt. Ob Kulac das interessiert, wissen wir nicht. Jeder beauftragte Fachanwalt für Medienrecht wird Weisser wahrscheinlich sagen, dass die Gefahr weiterer Abmahnungen zu groß ist, sollte man die Bilder auf seiner Webseite reaktivieren. Sollte es so kommen, will Weisser wahrscheinlich aufgeben. Aus dieser Zwickmühle gibt es für ihn keinen Ausgang.
Wikimedia & Prof. Lessig interessiert die Abmahn-Problematik höchst wenig!
Kein Statement zum Thema Wikipedia-Abmahnung erhältlich
Daraufhin kontaktierten wir das Büro von Professor Lawrence Lessig. Lessig war es, der im Jahr 2001 die gemeinnützige Betreiber-Organisation der Creative Commons Lizenzen gegründet hat. Er ist der Ideengeber und wollte damit erreichen, dass man somit digitale Inhalte einfacher veröffentlichen kann. Die CC-Lizenzen sind also eine Ergänzung und kein Ersatz des Urheberrechts. Unsere mehrfache Anfrage mit Bitte um einen Kommentar der vielen Wikipedia- und Flickr-Abmahnungen, die jedes Jahr verschickt werden, wollte uns das Büro auch nicht beantworten. Man sah sich schlichtweg nicht als zuständig an. Wir haben bei beiden Büros nachgehakt, ohne Erfolg.
Freies Wissen oder Feuer frei für Abmahnungen?
Tja, aber wer ist denn nun zuständig? Jeder schiebt die Verantwortung weiter, bis am Ende keiner mehr welche übernehmen muss. Niemand bis auf die Empfänger der Flickr- und Wikipedia-Abmahnungen selbst. Denen kommt es bestimmt schon hoch, wenn sie nochmals den höchst dehnbaren Begriff „freies Wissen“ irgendwo lesen oder hören sollten. Matthias Weisser nützt das alles sehr wenig. Er ist mit seiner Situation alleine und hofft, es kommt eventuell Unterstützung aus den Reihen seiner Stammleser. Wir wünschen ihm bei der Abwendung der Abmahnung und der Lösung seiner Probleme viel Erfolg!
Tarnkappe.info