Katharina Surhoff lässt vom österreichischen Rechtsanwalt Kurt Kulac Wikipedia-Abmahnungen verschicken, obwohl sie auch in Deutschland lebt.
Die Fotografin Katharina Surhoff lässt über den österreichischen Rechtsanwalt Magister Kurt Kulac Wikipedia-Abmahnungen verschicken, obwohl der Absender als auch Empfänger des Schreibens in Deutschland lebt. Das ist für den Abgemahnten sehr verwirrend. Offenbar soll es ihn dazu verleiten zu glauben, dass hierbei kein deutsches Recht zur Anwendung kommt.
Wikipedia-Abmahnungen mit Umweg über Graz
Katharina Surhoff ist möglicherweise gar nicht ihr korrekter Name. Die Person dahinter hat mit dem Pseudonym KS aus F eigene Fotos von Rohdiamanten und anderen Gegenständen bei der Wikipedia hochgeladen. In einem Fall, der vom Kölner Rechtsanwalt Markus Kompa behandelt wird, geht es um ein Werk, welches unter gleich drei verschiedenen Lizenzen erschienen ist.
Doch damit noch nicht genug der Verwirrung. Denn obwohl sowohl die Urheberrein des Fotos, als auch der Empfänger der Abmahnung in Deutschland lebt, beauftragte die Frau einen Anwalt aus Österreich. Kompa nimmt an, dies sei lediglich ein Schachzug, damit österreichisches und kein deutsches Urheberrecht angewendet wird. Magister Kurt Kulac ist für die Grazer Kanzlei hgu Rechtsanwälte tätig. Der Name Kulac ist in der Vergangenheit aber schon häufiger in Verbindung mit Wikipedia-Abmahnungen aufgetaucht.
Wikipedia-Abmahnungen: Versteckspiel inklusive
Im vorliegenden Fall ging aus der Abmahnung nicht die exakte Anschrift der Auftraggeberin hervor. Kompa gelang es schließlich, die Frau trotz wechselnder Vornamen in Hessen zu lokalisieren und eine Klage beim Amtsgericht Frankfurt am Main einzureichen. Vor Gericht stellte man fest, dass man bei der Abmahnung eines Werkes, was unter Anwendung von Creative Commons Lizenzen veröffentlicht wurde, keinen Umsatzausfall in Rechnung stellen kann. Wer etwas unter einer kostenlosen Lizenz veröffentlicht, kann als Fotografin keinen Lizenzschadenersatz fordern. Die CC-Lizenz hat man ja dazu erschaffen, damit man das Bild im Internet unter bestimmten Bedingungen kostenlos nutzen darf. Das zumindest besagt in Auszügen auch § 97a UrhG.
Wir haben schon einmal ausführlich über einen der aktivsten Wikipedia-Autoren Österreichs berichtet. Kulac war langjähriger Obmann der Wikimedia Österreich. Der Interessenkonflikt hat den Anwalt aber nicht davon abgehalten, immer mal wieder Wikipedia-Abmahnungen zu verschicken.
Dabei ging es darum, dass man die Urheber oder Lizenzen nicht oder unvollständig benannt hat. Laut Kompa sei es bei Kulac-Abmahnungen „immer ratsam, sofort eine negative Feststellungsklage in Deutschland zu erheben, da andernfalls eine Klage in Österreich droht. Und die ist prozessrechtlich äußerst nachteilig. Ist man Herrn Kulac zuvorgekommen, ist Deutschland als Gerichtsort gesetzt (Torpedoklage). Die waren bislang immer erfolgreich, so auch hier“. Das Amtsgericht Frankfurt am Main wendete deutsches Recht an. Die Anwaltskosten des Abgemahnten muss Frau Surhoff ersetzen. Das aktuelle Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
Wikipedia will nicht gegen Abzocke vorgehen
Doch irgendwann lässt man sich bestimmt wieder eine neue Masche einfallen. Der Trägerverein der Online-Enzyklopädie, die Wikimedia Deutschland, hat ihre Augen vor dem Sachverhalt fest verschlossen. Angemessen wäre in den Augen vieler Kritiker eine sofortige und ausnahmslose Entfernung aller Werke von Urhebern, die die Wikipedia dazu benutzen, um darüber Abmahnungen zu verschicken. Nur wenn den Abmahnern klar wäre, dass man aktiv gegen ihr Treiben vorgeht, würden sie Portale wie Flickr oder Wikipedia nicht mehr als Werbeplattform für ihre Zwecke missbrauchen. Ein Blick bei Google bzw. bei einem der Blogs von Anwälten, die sich auf das Urheberrecht spezialisiert haben, würde jeden Verdacht zeitnah zerstreuen oder bestätigen. Doch das möchte man nicht.
Unsere Presseanfrage beantwortete die deutsche Wikimedia damals damit, für solche Fragen sei man schlichtweg nicht zuständig. Und die US-amerikanische Wikimedia Foundation gab ihrerseits zur Antwort, man habe vom deutschen Recht keine Ahnung und könne sich deswegen nicht äußern. Prima, damit haben die Wikifanten ihr Ziel erreicht. Schließlich hätte man sonst Stellung in dieser brisanten Angelegenheit beziehen müssen. Lieber die Presseanfragen über Eck spielen, um die Verantwortung für die Wikipedia-Abmahnungen abzugeben.
Erfinder der Creative Commons-Lizenzen schweigt sich aus
Selbst der Ideengeber der CC-Lizenzen, Lawrence Lessig, wollte letztes Jahr keine Stellungnahme zu dieser Thematik abgeben. Wir haben gleich mehrfach bei beiden Büros von Professor Lessig um einen Kommentar gebeten. Man sei nicht zuständig, betete man uns die Antwort als ewiges Mantra vor.
Es waren sowieso stets nur die Assistenten zu sprechen. Zu einer direkten Antwort wollte sich Mr. Lessig bis dato nicht herablassen. Obwohl er die Lizenzen erfunden hat, haben nun andere das Problem mit den Wikipedia-Abmahnungen, nicht er. Wir lernen mal wieder: Sich aus einer Sache herauszuhalten ist immer einfach, wenn man selbst nicht betroffen ist.
Tarnkappe.info