Brandi Ibrao, Gab.com
Foto Brandi Ibrao, thx! (Unsplash Lizenz)

„Wo ist der Präsident?“ – Visa verweigert Gab.com den Service

Gab.com hat den nächsten Ärger am Hals. Visa stellt wegen Hate Speech den Dienst für die rechts-libertäre Social-Network-Alternative ein.

Die E-Mails an die eigenen User und die Pressemitteilungen von Gab.com sind an dramatischer Sprache kaum zu überbieten. Aktuell beklagt das rechts-libertäre soziale Netzwerk, dass Visa der Plattform nicht mehr seine Dienste zur Verfügung stellt und holt gegen alles und jeden aus. Der Kreditkartenanbieter ist unterdessen bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das nicht mehr mit Gab zusammenarbeiten will.

Der Nächste, bitte: Visa reiht sich ein

gab.comIn einer Rundmail an alle Gab-User informiert das Unternehmen mit Sitz in Philadelphia über die neusten Maßnahmen der „Feinde“, wie Gab sie in dem Schreiben nennt. „Die Zahlungsabwicklung ist der letzte Angriffsvektor“, heißt es dort. In der Vergangenheit musste die Firmenführung wirklich viel einstecken. Neben den Verbannungen von Businesstools, Bezahldiensten und Hosting-Providern haben auch Google und Apple die App längst aus ihren Stores entfernt.

Eine weitere Narbe für Gab.com

Die vielen Rückschläge halten die selbst ernannten Free Speech-Aktivisten jedoch nicht davon ab, an ihrer Idee festzuhalten: „Wir wurden unglaublich widerstandsfähig gegen plattformunabhängige Angriffe“, schreiben sie. Weiterhin heißt es: „Wenn ihr eure Server besitzt und euer eigenes E-Mail-System aufbaut, könnt ihr nicht von ihnen verbannt werden.“ Es scheint, dem sozialen Netzwerk kaum etwas auszumachen.

Im Gegenteil: Sie nutzen die Verbannungen von den Online-Dienste für ihren USP (zu Deutsch Alleinstellungsmerkmal). „Wir kämpfen dafür, eure Redefreiheit zu erhalten, mit Narben aus der Schlacht, die das beweisen“, ist einer der pathetischen Werbeslogans, der riesig über einem aktuellen Artikel der eigenen News-Seite prankt, wo Geschäftsführer Andrew Torba nochmal ausführlicher über Visa schreibt.

Gab.com: (Fast) alles ist sagbar

Gab sieht sich selbst als Märtyrer der Meinungsfreiheit. Die gibt es laut den Gab-Betreibern bei den großen Mainstream-Plattformen wie Facebook oder Twitter schon lange nicht mehr. Besonders nicht für Personen aus dem konservativen oder rechten Spektrum. Deshalb betrat während des hitzigen US-Wahlkampf in 2016 Gab, damals noch als Gab.ai, die Bühne. Die Idee: Jeder darf machen und sagen, was er will. Nur Gewalt dürfe nicht angedroht und kein pornografisches Material verbreitet werden. Das zog neben gemäßigten Konservativen auch ultra-rechte Krawallmacher wie Richard Spencer an. Neo-Nazis werden zwar nicht explizit willkommen geheißen, dafür aber geduldet. Diese Politik wird Gab immer wieder zum Verhängnis. Ähnlich problematische Inhalte gibt es auch zu Hauf bei Minds.com, einem weiteren eher unbekannten sozialen Netzwerk.

Visa handelte wegen Hate Speech

gab.comDer Vorwurf, weshalb Visa Gab.com die Dienste verweigert, lautet wie bei den anderen Fällen auch: Hate Speech. „Ga.comb tut nichts dergleichen. Das ist so, als würde man sagen, Google „fördert Hassreden“, weil man in der Suchmaschine nach rassistischen Beleidigungen suchen und Ergebnisse erhalten kann“, wehrt sich die Social-Media-Plattform auf der eigenen News-Seite und betont kurz darauf die eigene Neutralität. Der Geschäftsführer Torba attestiert der Firma für Zahlungskarten Scheinheiligkeit.

„Diese Banken haben kein Problem damit, Zahlungen für pornografische Websites abzuwickeln, die mit Kinderausbeutung, Menschenhandel und mehr beladen sind. Sie haben kein Problem damit, Zahlungen für Cannabis abzuwickeln, das auf Bundesebene immer noch illegal ist. Sie haben keine Probleme, Zahlungen für Glücksspiel-Websites abzuwickeln.“

Zensur, Kommunismus und die oligarchische Elite

Tarnkappe.info wollte Visa zu den jüngsten Maßnahmen gegen Gab.com befragen. Vor allem interessierte uns, ob es einen konkreten Anlass gab, aber leider erhielten wir bislang keine Rückmeldung. Gab vermutet derweil, eine koordinierte Attacke, da Twitter kürzlich die rechte Aktivistin Katie Hopkins gesperrt und Google Kommentare auf den konservativ-libertären News-Seiten Zerohedge und The Federalist zensiert habe. „Die Quintessenz ist, dass Gab nicht kontrolliert wird und nicht kontrolliert werden kann von der oligarchischen Elite, die daran arbeitet, unsere Counties zu stürzen und sie mit dem Kommunismus zu infizieren.“

Dann schießt Geschäftsführer Andrew Torba gegen den untätigen Trump. „Wo ist der Präsident? Wo ist der Kongress?“ Torba von Gab.com gibt sich selbst die Antwort: „Twittern und die Situation beobachten. Damit sind sie beschäftigt.“

Tarnkappe.info

Über

Student und schon lange im Journalismus unterwegs. In der Vergangenheit Mitarbeiter für eine Vielzahl von klassischen Printzeitungen und Newsportalen. Erst für Lokalredaktionen, dann Sport und Gaming, seit Anfang 2020 im Dienst für die Tarnkappe. Abseits davon bin ich vor allem interessiert an Geopolitik, Geschichte und Literatur.