Kommission für Jugendmedienschutz
Kommission für Jugendmedienschutz
Bildquelle: ivanovgood

Kommission für Jugendmedienschutz geht gegen MindGeek vor

Die Kommission für Jugendmedienschutz hat Maßnahmen gegen Porno-Betreiber beschlossen, der keinen Kinder- und Jugendschutz sicherstellt.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) nahm die reichweitenstärksten Portale für Internetpornografie Youporn, Pornhub und MyDirtyHobby unter die Lupe. Sie stellten in einer Pressemitteilung fest, dass hierbei kein Kinder- und Jugendschutz gewährleistet sei. Die KJM untersagte der Betreiberfirma MindGeek mit Sitz in Zypern folglich die Verbreitung ihrer Angebote in der bisherigen Form in Deutschland. Sollten sie künftig in ihren deutschsprachigen Angeboten keine wirksame Altersbeschränkung vornehmen, droht ihnen eine deutschlandweite Netzsperre, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

Fehlende Altersverifikationssysteme (AVS) sorgen für Beanstandung und Untersagung

Kommission für Jugendmedienschutz KJMAufgrund eines Verfahrens der Landesmedienanstalt NRW im April diesen Jahres wegen dem leichten Zugang für Kinder zu Internetpornografie bei reichweitenstarken Anbietern, reagierte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und entschied am 5. Juni 2020 in dieser Sache. Sie erkannte in den drei angefochtenen Fällen Verstöße gegen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) in Bezug auf Internet-Pornografie. In einem Beschluss sprachen sie eine Beanstandung gegenüber der Betreiberfirma MindGeek aus. Zudem untersagte sie eine weitere Angebots-Verbreitung in der derzeitigen Form. Ein entsprechendes Schreiben an den Anbieter ist unterwegs.

In einer Maßnahmen-Begründung teilt die Kommission für Jugendmedienschutz mit:

„Kinder und Jugendliche nutzen für den Zugriff auf Apps und Webseiten mittlerweile überwiegend mobile Endgeräte, die die elterliche Kontrolle erschweren und auf denen technische Schutzmaßnahmen noch nicht ausreichend greifen. Damit geht ein deutlich erhöhtes Risiko der Konfrontation mit pornografischen Inhalten einher, deren Anbieter keine Verantwortung für den Jugendschutz übernehmen“.

Laut Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sollten „pornographische Angebote im Internet nur innerhalb einer geschlossenen Benutzergruppe für Erwachsene verbreitet werden, die mittels vorgeschalteter Altersverifikationssysteme hergestellt werden kann“. Allerdings könne die Rechtsdurchsetzung in diesem Fall erschwert sein, weil die Betreiberfirma MindGeek ihren Sitz auf der Insel Zypern hat. KJM räumt dazu ein, dass Anbieter mit Sitz in Deutschland dieser gesetzlichen Verpflichtung in der Regel nachkämen. Bei Anbietern mit Sitz im Ausland wäre das kaum gewährleistet. Die Rechtsdurchsetzung sei dadurch „grundsätzlich schwieriger“.

Mit Netzsperren gegen Porno-Anbieter

Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz-Vorsitzender, Dr. Marc Jan Eumann, gibt an.

pron„Die Landesanstalt für Medien NRW hat in den drei Verfahren bereits einen langen Weg der Information und Konsultation verschiedenster Akteure im In- und Ausland beschritten. Dazu gehörte auch eine Anhörung der Anbieter in Abstimmung mit der zypriotischen Medienaufsichtsbehörde.

Wenn es trotz der nun vorliegenden Beschlüsse der KJM weiterhin nicht gelingt, die Anbieter zu einer rechtskonformen Anpassung ihrer Angebote zu bewegen, ist die KJM bereit, den Weg weiterzugehen und alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen. Dass Anbieter mit solch enormer Reichweite, die sich gezielt an deutsches Publikum richten, deutsches Recht trotz offenkundiger Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ignorieren, ist nicht hinnehmbar.“

Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, führt aus:

„Wer mit der Verlagerung seines Geschäftssitzes ins europäische Ausland versucht, unsere Jugendschutzstandards gezielt zu umgehen, wird damit scheitern. Bei der Gefährdung zentraler gesellschaftlicher Schutzgüter gehen wir auch innerhalb Europas gegen entsprechende Anbieter vor.

Das ist hier in enger Abstimmung mit der Europäischen Union und den zypriotischen Behörden geschehen. Wir stellen aber auch fest, dass die Verfahrenswege noch optimiert werden können. Diese Erfahrungen werden wir in den europäischen Gesetzgebungsprozess für eine effektivere Rechtsdurchsetzung innerhalb der EU einbringen.“

Sollte die Betreiberfirma MindGeek den geforderten Auflagen nicht nachkommen, will sich Schmid letztlich direkt an die Telekommunikationsunternehmen wenden. Da man über deren Infrastruktur die Inhalte verbreitet, will er so eine Sperrung durchsetzen.

Geplante Maßnahmen der Kommission für Jugendmedienschutz stoßen auf Kritik

Das Medienportal ruhrbarone spart zu den geplanten Maßnahmen nicht an Kritik:

„Dass die Anbieter nur im Ausland sitzen, weil sie ansonsten keine Chance haben ihre Inhalte weltweit anzubieten – wie es Anbieter in allen anderen westeuropäischen Staaten und den USA seit Jahrzehnten machen: Dieses Problem verschweigt die KJM. […]

Sinn macht das aktuelle Vorgehen des deutschen Pendants zur Scharia-Polizei nur, wenn man letztendlich alle Inhalte im Ausland sperrt: Das Internet wird damit zum DeutschNET, vergleichbar mit dem Internet im Iran, Nordkorea (Wobei: Nordkorea ist tief gespalten in Sachen Internetzugang!) oder in Russland: Staaten, in denen auch fleißig gesperrt wird.“

 

Fragen von Tarnkappe.info an den ehemaligen Jugendschutz-Unternehmer Tobias Huch

mindgeek logoHuchs beide Unternehmen haben früher im Erotik-Bereich eigene Jugendschutzsysteme für das Web entwickelt und vermarktet. Er ist derzeit als Buchautor und Journalist mit dem Schwerpunkt Naher Osten tätig.

Lars Sobiraj: Herr Huch, bei der Google-Suche erscheinen Hunderttausende Ergebnisse, wenn man alleine den Begriff Porno eingibt. Wie glaubt die KJM effektiv dagegen vorgehen zu können? Oder anders gefragt: Wie beurteilen Sie deren Vorgehen?

Tobias Huch: Die KJM betreibt „reine PR-Aktionen und Ablenkung“

Tobias Huch: „Die KJM bleibt ihrer Tradition treu, sich immer komplett inkompetent zu Jugendschutzfragen zu äußern. Ihre Handlungen haben im letzten Jahrzehnt nachhaltig den Jugendschutz in Deutschland beschädigt und sie wollen weiter an ihrer schädlichen Show festhalten. Die Angriffe auf die großen Portale wie „PornHub“ muss man als das sehen was sie sind, reine PR-Aktionen und Ablenkung.

Gleichzeitig ist es die Pflicht jedes politisch Verantwortlichen gegen diese Zensurmechanismen vorzugehen. Heute gibt es Sperrverfügungen gegen einfache Pornographie, morgen dann für politische Meinungen. Es ist eine Büchse der Pandora, die dort geöffnet wird, und die wir nie wieder geschlossen bekommen.

Wir dürfen unser Grundgesetz nicht für die Eitelkeit der eh hochumstrittenen Behörde opfern.“

Netzsperren sind „eine Schande für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“

Netzsperren T-Mobile Austria Boerse.to WSC-Scriptz Community NetzsperrenLars Sobiraj: Wird sich Mindgeek dem stellen oder gehen die offshore? Was meinen Sie?

Tobias Huch„Wäre ich der CEO von Mindgeek, würde ich jetzt mit diversen VPN-Anbietern zusammenarbeiten, ggf. welche aufkaufen, und meine Nutzer dazu anhalten, künftig mittels VPN meine Angebote zu nutzen. Dann bringen Netzsperren nichts.

So umgehen auch Bürger in totalitären Staaten – und nur solche nutzen Netzsperren – staatliche Zensur. Jedem muss klar sein, dass die KJM hier die Mittel faschistischer Regime (z.B. Türkei) nutzen. Eine Schande für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.“

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.