women of the world unite, Keine Kleinigkeit
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„Keine Kleinigkeit“: App ermöglicht Meldungen zu sexueller Belästigung

Mit der App, „Keine Kleinigkeit“, kann man per Button sexuelle Übergriffe jeder Art sofort melden und zudem angeben, was genau vorgefallen ist.

 

Mit der App „Keine Kleinigkeit“ sowie auf ihrer neu gegründeten Plattform keinekleinigkeit.de haben Studierende der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin einen Raum geschaffen, auf dem sexuelle Übergriffe anonym gemeldet werden können. Nutzer können auf den Button „Ich wurde belästigt“ klicken, die App zählt dann die Meldungen und veröffentlicht die Zahlen. Das Projekt wird unterstützt vom Verein Mensch, Mensch, Mensch e.V..

Keine Kleinigkeit – Frauen können Übergriffe melden

Laut einer groß angelegten Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte von 2014, für die mehr als 42.000 Frauen in der EU befragt wurden, erfährt jede zehnte Frau in Europa sexuelle Gewalt. Demnach hat jede zehnte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlebt, sexuell belästigt wurden sogar 55 Prozent. Deutschland liegt mit 12 Prozent etwa im Durchschnitt.

Die Initiatoren der Initiative heben die Aktualität des Themas hervor, denn: „Sexuelle Belästigung passiert überall und zu jeder Zeit. Sie kann verletzen, verunsichern, einschüchtern, aus der Fassung bringen, beängstigen […] Nur wenige Fälle werden zur Anzeige gebracht und dadurch dokumentiert. Die Dunkelziffer ist sehr viel höher. […] Unsere Gesellschaftbeurteilt sexuelle Belästigung oftmals als eine Kleinigkeit, die es zu überspielen gilt. […] Sexuelle Belästigungen geschehen häufig in diffusen und dynamischen Situationen, in denen die betroffenen Menschen ohne Begleitung sind. Daher bleibt in den meisten Fällen wenig Handlungsspielraum.“

Somit hat man die App „Keine Kleinigkeit“ entwickelt. Sie ermöglicht es, völlig anonym jede Form sexueller Belästigung im Alltag mit nur einem Klick sichtbar zu machen. Wobei Belästigung dadurch definiert wird, wodurch man sich belästigt fühlt und das ist keine Kleinigkeit.

Große Dunkelziffer bei Übergriffen

Neben der Anzahl der Vorfälle werden auch die konkreten Taten aufgeführt und allein durch die Beteiligung vieler Menschen würde auf diese Weise eine Zahl entstehen, die die große Dunkelziffer von sexuellen Belästigungen im Alltag abbildet. So ist es zumindest beabsichtigt. Doch ist es nicht auszuschließen, dass Vorfälle mehrmals gemeldet werden oder Trolle die App mit unsinnigen Angaben fluten.

Die App ermöglicht es, die Art der Übergriffe genauer zu beschreiben, verschiedene Kategorien, wie Belästigung mit Worten, durch Exhibitionismus oder auch körperliche Belästigungen werden dort u.a. aufgeführt. Zudem kann man sich per Notfalltelefon beraten lassen, denn neben dem Meldebutton finden sich auf der Seite eine Reihe von Telefonnummern und weiterführenden Links für Menschen, die einen Übergriff erleben mussten. Weiterhin sind die Polizeidienststellen aller deutschen Bundesländer verlinkt, über die ein Vorfall online angezeigt werden kann.

Seitdem immer mehr Frauen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein der sexuellen Belästigung oder gar Vergewaltigung beschuldigen, wird der Hashtag #metoo immer populärer. Diese Tatsache verschafft dem Projekt noch zusätzliche Aufmerksamkeit. Allein eine Woche nach dem Start der App haben Frauen bereits über 16.000 Vorfälle gemeldet. Allerdings fallen die Reaktionen keinesfalls durchweg positiv aus.

Viele kritische Bemerkungen

Auf der Twitter-Seite der App kann man unter dem Hashtag #keinekleinigkeit sowohl sexistische als auch frauenfeindliche Postings lesen. So schreibt ein männlicher User: „Ich sehe nur jammernde Frauen, die unter #keinekleinigkeit demonstrieren, wie weltfremd sie sind“. Ferner hackten Unbekannte die Seite und manipulierten die Zahlen der Übergriffe, die sich von alleine ständig nach oben und unten änderten.

Für Mareike Geiling, Mitentwicklerin der App und Dozentin im Studiengang Kommunikationsdesign der HTW Berlin und für ihr Team, kam der Angriff völlig unerwartet. Sie sehen das Projekt Keine Kleinigkeit lediglich als eine Bestandsaufnahme, nicht als politischen Aufruf. Geiling sagte gegenüber dem Online-Portal „Jetzt“.

Mit sowas hat niemand gerechnet, obwohl ein paar Politikerinnen wie Renate Künast das Projekt geteilt haben. Diese Hater fühlen sich vom Feminismus bedroht, dabei ist das Projekt einfach eine Bestandsaufnahme. Sexuelle Übergriffe passieren außerdem allen Geschlechtern und unsere Seite richtet sich nicht speziell an Frauen.“

Auf die Kritik eines Proffessors, der bei der Präsentation der Web-App den Einwand brachte. „Es besteht die Gefahr, dass Leute bei der großen Anzahl an Meldungen durch die App denken, dass sexuelle Belästigung Normalität ist.“, konterte eine anwesende Studentin. „Wir tun das, weil sexuelle Belästigung für uns Normalität IST.“

Erklärtes Ziel dieser Aktion ist es, dass man den Betroffenen Mut machen will. Sie sollen bei derartigen Übergriffen nicht weiter  schweigen, sondern sich dagegen wehren.

Update:

Drei Jahre später gibt es über 47.000 Meldungen bei Keine Kleinigkeit. Doch hat das einer Frau wirklich geholfen?

Grafik geralt, thx! (CC0 1.0 PD)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.