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Unter dem Radar: Der satirische Monatsrückblick (Januar/2017)

Unter dem Radar: Der satirische Monatsrückblick für Januar 2017. Erstmals in 2017 blicken wir gemeinsam zurück. Früher war eh alles besser, oder doch nicht?

Zum ersten Mal in diesem neuen Jahr – und dem neuen Zuhause der Tarnkappe – blicken wir zurück. Zeit für ein bisschen Nostalgie, denn früher war bekanntlich alles besser – oder doch nicht? Wir decken knallhart und investigativ die geschichtlichen Zusammenhänge der aktuellsten Ereignisse auf. Hier also ein neuer Monatsrückblick.

1982 hat angerufen, es will seinen Science-Fiction-Plot zurück

In der guten alten Zeit gab es, das steht fest, noch kein Internet – jedenfalls, wenn diese gute alte Zeit deutlich älter als dreißig Jahre ist. Nach Ansicht vieler Politiker ist diese gute alte Zeit allerdings quasi erst gestern gewesen. In Erdzeitaltern gemessen sind dreißig Jahre schließlich nicht viel. Kaum Zeit genug, um zu lernen, wie ein Browser funktioniert, dass man Websites nicht ausdrucken muss, um sie zu lesen, und dass Netzsperren besser gegen Meinungsfreiheit als gegen Kriminalität helfen. Hier also unser Monatsrückblick für den letzten Monat.

Monatsrückblick Dezember 2017

Vor diesem Hintergrund müssen auch die Forderungen nach einem Bundesdigitalministerium verstanden werden. Was klingt wie etwas aus einem Science-Fiction-Roman für Jugendliche, geschrieben in den frühen 1980er Jahren, soll der besseren Vernetzung aller Behörden im Umgang mit dem Internet dienen. So etwas kommt halt raus, wenn man von Personen regiert wird, für die sich das Internet auch 2017 immer noch wie Neuland anfühlt. Dann ist das WWW nicht selbstverständliches, allgegenwärtiges Arbeitsmittel, sondern etwas, für das man extra ein Ministerium gründen muss. Und außerdem verstecken sich darin extremistische Cybers.

Klarnamenspflicht für extremistische Cybers

Wo wir gerade bei extremistischen Cybers sind: die bedrohen uns bekanntlich ganz schrecklich. Um der abstrakt erhöhten Cyber-Bedrohungslage Herr zu werden, forderte FDP-Politiker Hans-Ulrich Rülke nun eine Klarnamenspflicht im Internet. Das heißt auf Deutsch, dass online nur noch unter dem echten, kompletten Namen gepostet werden darf.

Wie das funktionieren soll? Nun, das weiß keiner. Szenarien dazu wären wahrscheinlich in etwa so realistisch wie der erwähnte 1980er-SciFi-Roman. Aber lassen wir das mal einen Moment außer acht. Wenn sie umsetzbar wäre, wäre eine solche Klarnamenspflicht schon sinnvoll. Sonst würde das Internet ein rechtsfreier Raum. Schließlich können wir im wahren Leben auch nicht einfach auf die Straße gehen, ohne dass unser Name auf die Stirn tätowiert ist…

Moment mal. Das Argument ist wohl nicht so prickelnd. Also, neuer Versuch: schließlich muss es den Behörden möglich sein, festzustellen, wer online gerade seine Meinung äußert. Hmm, angesichts der Vielzahl von repressiven Regimes, gegen die Anonymität buchstäblich überlebenswichtig ist, wohl auch keine so gute Begründung. Einigen wir uns auf: die Klarnamenspflicht gestaltet das Neuland wohnlicher und beschützt uns vor extremistischen Cybers.

Ein blinder US-Präsident findet auch mal eine Begnadigung

Nostalgie kann viele Gesichter haben – und sich über ganz verschiedene Zeiträume erstrecken. Angesichts der desaströsen Ausfälle des wandelnden Selbstbräuner-Unfalls, der derzeit den US-Präsidenten mehr oder weniger erfolgreich darstellt, sehnen sich beispielsweise viele Menschen bereits jetzt nach der Regierungszeit von Barack Obama zurück. Die liegt zwar noch keine zwei Monate zurück, aber sei’s drum.

Ich bin bekanntlich kein Obama-Fan. Wer verspricht, die transparenteste US-Regierung aller Zeiten zu bilden, und darunter versteht „die Dutzenden von Whistleblowern, die wir mit Hilfe eines faschistoiden Uralt-Gesetzes in den Knast sperren, bekommen ab und zu Post von Familie und Freunden“, der muss sich Kritik schon gefallen lassen. Dennoch ist der Vergleich zwischen Obama und Trump etwa so wie der zwischen Obi-Wan Kenobi und Lord Helmchen.

Zudem hat Obama, wenn auch erst in letzter Minute, auch in Sachen Whistleblower endlich einmal etwas richtig gemacht und Chelsea Manning begnadigt. Zwar ist „muss statt 35 nur sieben Jahre Haft absitzen“ nicht ganz das selbe wie „erhält einen Orden und ein lebenslanges Abo im Süßigkeiten-Laden ihrer Wahl“ – wie Manning es verdient hätte – aber dennoch ist es ein Schritt in die richtige Richtung. An der Finanzierung des Süßigkeiten-Abos – und anderer, wichtigerer Dinge – arbeiten derweil Mannings Unterstützerinnen und Unterstützer.

Sir Donald, zu Diensten!

Wenn man lange genug zurückblickt, kommt man schließlich in die Zeit des Feudalismus. Wer adelig und reich war, konnte in vieler Hinsicht nach eigenem Ermessen herrschen und wurde selten zur Rechenschaft gezogen. Dieses Modell hat auch heute noch einige ausgesprochene Fans.

Prominentestes Beispiel: der bereits erwähnte Donald Trump. Neuestes Beispiel: Seine Hoheit Donald von des Toupets Gnaden will, trotz gegenteiliger Versprechungen, keine Steuererklärung veröffentlichen. Transparenz ist schließlich für Normalsterbliche (wie die letzten US-Präsidenten bis zurück in die 1970er Jahre).

Vorschlag zur Güte: Trump sollte statt der berüchtigten Mauer gegen einwandernde Mexikaner besser eine Burgmauer mit Zugbrücke und Wassergraben um die USA bauen. Das hätte wenigstens noch einen Ansatz von Style. Und als Mittelalter-Reenacterin wüsste ich auch schon, wen ich stilecht zur Belagerung mitnehmen könnte…

Der Kreis schließt sich (um das extremistische Cyber)

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – sie alle sind wichtig für uns (und voller extremistischer Cybers). Versucht, nicht über dem Einen das Andere aus dem Blick zu verlieren – sonst landet ihr bei der CDU/CSU oder aber beginnt, schlechte Science-Fiction-Romane mit Digitalministern zu schreiben. Mit diesen Worten der Weisheit verabschiede ich mich von euch. Macht es gut und bis demnächst!

Eure Annika Kremer. Bis zum nächsten Monatsrückblick.

Tarnkappe.info