Lucky, Paragraf
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DiDW: Strafbarkeitslücke soll geschlossen werden – Lucky unter Anklage

Es gibt eine neue Gesetzesvorlage für die Schließung einer Strafbarkeitslücke, wie sie auch im Fall von Lucky von DiDW zutage tritt.

Bereits am 03.08.2018 stellte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) in Düsseldorf einen neuen Gesetzentwurf vor. Die Gesetzesinitiative will er im Herbst im Bundesrat einbringen. Allerdings braucht er für diese Bundesratsinitiative noch die Unterstützung anderer Bundesländer. Konkret schlug er vor, einen neuen Straftatbestand einzuführen, der die Betreiber illegaler Darknet-Marketplaces künftig haftbar macht. Unmittelbare Folgen hätte das auch für Darknet-Marketplace-Betreiber, wie Lucky, dem Gründer der Darknetplattform „Deutschland im DeepWeb“ (DiDW), das unter der Adresse germanyhusicaysx.onion im Tornetzwerk zu erreichen war, der aktuell von der Mannheimer Staatsanwaltschaft angeklagt wurde, laut Pressemitteilung.

Gesetzentwurf für Strafbarkeit von Lucky

Der Vorschlag von Minister Biesenbach zielt darauf ab, eine bestehende Strafbarkeitslücke zu schließen, die schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD erwähnt wurde: Falls Darknet-Plattformbetreiber nach geltendem Recht unter Berufung auf ihre Ahnungslosigkeit davonkämen, „werden wir eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen einführen“, um „das Betreiben eines Darknet-Handelsplatzes für kriminelle Waren und Dienstleistungen“ zu einem eigenständigen Delikt zu erklären. Gemäß Biesenbach sollen mit dem neuen Straftatbestand die Betreiber dubioser Plattformen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Denn bisher klaffe in dem fast 150 Jahre alte deutsche Strafgesetzbuch ein Schlupfloch, das es hiermit zu schließen gilt. Wegen Beteiligung an einer Tat können derzeit nur diejenigen bestraft werden, für die die Grundzüge der Tat bekannt sind. Genau das sei aber in einem solchen Fall kaum nachzuweisen.

Neuer Straftatbestand für Betreiber dubioser Plattformen

Das neue Gesetz soll dafür sorgen, dass die Verantwortung für Plattforminhalte automatisch dem Betreiber zugewiesen werden, ohne dass es für die Justiz notwendig wird, Kenntniss darüber nachzuweisen. Biesenbach gesteht jedoch zu, das Darknet nicht komplett zu verbieten, immerhin biete es auch einen anonymen Schutzraum für Dissidenten.

Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ergebe sich vor allem aus dem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden, der sich laut Angaben einer Branchenbefragung des Digitalverbands Bitcom bundesweit auf 55 Milliarden Euro jährlich belaufen würde mit Delikten, wie Datenfälschung, Sabotage, Ausspähen und Abfangen von Daten sowie Softwarepiraterie. Allein der Schaden für Cybercrime im Jahr 2017 in NRW beziffert man auf über 20 Millionen Euro. Davon entfallen rund 85 Prozent auf Betrug, wie Überweisungsbetrug, Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen oder Warenkreditbetrug. Die Zentralstelle Cybercrime NRW (ZAC) hat laut Biesenbach jedoch in diesem Jahr mehr als doppelt so viele Verfahren eingeleitet wie 2017. Folglich wird auch der erwartete Schaden höher ausfallen.

Lucky (luckyspax) befindet sich in Untersuchungshaft

Fakt ist, dass das neue Gesetz auch künftige Auswirkungen auf solche Strafprozesse haben wird, wie er gerade ansteht. So sitzt der 31-Jährige Karlsruher Informatikstudent Alexander U., der im Forum unter dem Namen „luckyspax“ oder „Lucky“ auftrat und im Verdacht steht, seit März 2013 als alleiniger Administrator die große, deutschsprachige Darknet-Plattform „Deutschland im DeepWeb“ (DiDW) betrieben zu haben, seit dem 09.08.2018 erneut wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob Anklage beim Landgericht Karlsruhe wegen dem Verdacht der fahrlässigen Tötung in neun Fällen und der fahrlässigen Körperverletzung in fünf Fällen im Zusammenhang mit dem Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Laut Pressemitteilung geht die Staatsanwaltschaft bei dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung davon aus, „dass der Angeschuldigte hätte erkennen können und müssen, dass sich außerhalb des legalen, kontrollierten Waffenmarktes unzuverlässige und labile Personen eine Waffe verschaffen können und dass die Erwerber diese auch zur Tötung oder Verletzung von Menschen – wie in dem Münchner Amoklauf geschehen – nutzen könnte.“ Zudem sehen die Ermittler Alexander U. als „alleinigen Administrator“ von „Deutschland im Deep Web“, er habe die Plattform erstellt und „fortlaufend weiterentwickelt“, sie sei auf „größtmögliche Abschottung ausgerichtet“ gewesen.

Desweiteren muss sich Lucky wegen dem Vorwurf der Beihilfe zu Verstößen gegen das Waffengesetz verantworten. Weitere Anklagevorwürfe beziehen sich auf Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit einer Schusswaffe in 17 Fällen. Dazu kommt der vorsätzliche unerlaubte Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe in acht Fällen und der vorsätzliche unerlaubte Erwerb einer Schusswaffe in neun Fällen. Zur Last legt man ihm ferner 29 Beihilfehandlungen im Zusammenhang mit vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie vier Fälle des Erwerbs von Betäubungsmitteln.

Freier Meinungsaustausch bei germanyhusicaysx.onion

Die Tor-Adresse germanyhusicaysx.onion stand primär für einen unkontrollierten Meinungsaustausch, aber sekundär eben auch für einen Handel mit illegalen Gütern. Es handelte sich bei Luckys Plattform nicht um einen Marktplatz wie Silk Road, sondern um ein Diskussionsforum ohne Shops. Zwar boten viele Händler Waren an. Sie verkauften sie aber nicht über die Plattform selbst, sondern im direkten Kontakt mit den Interessenten. Es war ein Umschlagplatz für illegale Drogen- und Waffenverkäufe. Darüber hinaus konnte man über die Plattform auch Falschgeld, gefälschte Personalausweise, ausgespähte Kreditkartendaten und Kundenkonten sowie gefälschte Bankkonten kaufen. Auch die Anbahnung des Erwerbs der bei dem Amoklauf in München am 22. Juli 2016 eingesetzten Waffe erfolgte über diese Plattform. All das fand am 8. Juni 2017 mit der Verhaftung des Betreibers ein Ende, das Portal wurde für immer vom Netz genommen. Die Online-Plattform war eines der größten Underground-Economy-Foren im deutschsprachigen Raum mit zuletzt 23.028 registrierten Nutzern.

Nikolas Hollinger, der Sprecher der Mannheimer Staatsanwaltschaft, gibt dem Mannheimermorgenweb bekannt, dass in dem Fall ein Gericht Alexander U. aktuell immer noch nachweisen muss, da das besagte, von Biesenbach eingereichte Gesetz, hier noch nicht greifen kann, dass er wusste, was die Nutzer auf seiner Plattform tun. Zur Beweislage äußerte Hollinger: „Wir erheben dann Anklage, wenn wir von einer Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung ausgehen.“ Die Fahrlässigkeit – „dass man es hätte erkennen können“ – reiche dafür aus. Ein Termin für den Prozess vor dem Landgericht Karlsruhe stehe jedoch noch nicht fest.

Grafik geralt, thx! (CC0 1.0 PD)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.