Was verrät unser Browser eigentlich alles über uns? Beim Besuch einer Webseite wird weitaus mehr als nur die IP-Adresse übertragen. Die moderne Webanalyse erlaubt sogar anhand der hinterlassenen Spuren das Ausforschen all unserer Vorlieben.
Webanalyse
Die bekannteste Spur im Web ist die eigene IP-Adresse. Die meisten Internetdienstanbieter (ISPs) vergeben eine dynamische IP-Adresse, die sich häufig ändert. Dabei werden die letzten Ziffern etwa alle 24 Stunden ausgetauscht. Wer unsere IP-Adresse erhält, weiß, welchen Internet-Anbieter wir benutzen und in welcher Großstadt oder Region wir wohnen. Beim Testlauf wurde zunächst erkannt, dass ich entweder in Köln oder Leverkusen wohne. Knapp vorbei! Ein anderes Mal wurde erkannt, die Redaktion der Tarnkappe soll in Aachen beheimatet sein, was natürlich auch falsch ist. Bergisch Gladbach wäre richtig gewesen.
IP-Adresse
Mein ISP muss diese Zahlenreihe für eine Woche vorhalten und sich merken, wer der dazu passende Anschlussinhaber ist. Musiklabels, Softwarefirmen, Porno- und Filmstudios und andere Rechteinhaber besitzen seit mehreren Jahren einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch.
Allerdings darf man getrost davon ausgehen, dass die meisten Unternehmen diese Daten für mindestens ein halbes Jahr und länger vorhalten. Schon wegen der Vorratsdatenspeicherung, die nach EU-Vorgaben hierzulande demnächst wieder eingeführt werden soll. Die meisten Täter stört das kaum, sie benutzen im Internet eine Umleitung, die ihre IP-Adresse verfremdet. Mit einem Virtual Private Network (VPN), Proxy oder dem Anonymisierungsnetzwerk TOR (The Onion Router) bleiben die Täter unerkannt.
Web-Analysetools
Doch zurück zur Webanalyse. WordPress-Blogger benutzen recht häufig das kostenlose Analysetool Jetpack. Damit kann ich als Blogger schon einiges über die Besucher meiner Seite in Erfahrung bringen. Beispielsweise kann ich daran erkennen, über welche andere Webseite die Besucher zu mir gelangt sind und was sie bei mir angeklickt haben. Manche Suchmaschinen geben zum Teil preis, welche Suchbegriffe von den Surfern eingegeben wurden. Interessant: Wie viele Besucher hatte ich heute oder im Vergleich dazu gestern? Wie viele waren es diese Woche, Monat oder Jahr? Bei der Zusammenfassung kann ich mir auch ansehen, welche Artikel bislang am besten gelaufen sind. Eine ausführliche Analyse der Besucherströme hat übrigens nichts mit der Gier nach Seitenzugriffen zu tun. Wer dauerhaft zu wenig Besucher anlocken kann, schreibt vielleicht einfach über die falschen Themen oder macht andere Fehler. Diese gilt es zu erkennen.
Tools: extrem datenhungrig oder keine Alleskönner!
Das perfekte Webanalyse-Tool, welches bei einem großen Leistungsumfang auch den hohen Ansprüchen von Datenschützern gerecht wird, gibt es noch nicht. Entweder die Daten werden bei simplen Anwendungen lokal gespeichert. Oder aber der Hersteller bietet die Webanalyse kostenlos an, damit er an die Daten all seiner Nutzer gelangt. Einer der Anbieter, der nach diesem Verfahren arbeitet, ist Google Analytics. Daneben gibt es für die Webanalyse noch Matomo.
Google Analytics
Die Installation ist schon einen Tick komplizierter als bei Jetpack. Aber was Google uns (und damit auch sich selbst) an Informationen liefert, ist extrem umfangreich. Google Analytics erhebt folgende Informationen:
- Herkunft der Surfer (Staat und Stadt bzw. Region)
- welche Sprache ist voreingestellt? Deutsch? Englisch?
- Betriebssystem (Linux Distribution, Windows, Mac OS X) oder Firmware vom Tablet-PC bzw. Smartphone
- welches Gerät kommt zur Anwendung?
- Browser mit Versionsnummer (Google Chrome? Firefox? Safari?)
- welche Add-ons werden in welcher Version verwendet? (Beispiel: Shockwave Flash, Java, JavaScript, Silverlight, Quicktime, Google Talk Plug-in etc.)
- Auflösung des Bildschirms (Anzahl Pixel Breite und Höhe)
- wie lange wurden die Artikel durchschnittlich gelesen? Haben sich die Surfer für einen ausführlichen Beitrag genug Zeit genommen?
- Besucherquellen: Suchmaschinen oder soziale Netzwerke (Facebook, Twitter), verweisende Webseiten?
- ging der Besucher innerhalb der Webseite woanders hin? Wenn ja, wohin? Oder wurde die Seite komplett verlassen?
- welche Dateien wurden heruntergeladen?
- welche Videos wurden angeschaut?
- kam der Besucher wieder oder besuchte er die Seite nur einmalig? (Feststellung per Cookie)
- wurden Werbebanner angeklickt?
- wurden Produkte verkauft?
- u.v.m.
IP-Adressen abgeschnitten, auch für Google selbst?
Das kann man glauben oder man glaubt es eben nicht. Man hat als Webseitenbetreiber glücklicherweise keine Möglichkeit, an diese Informationen zu gelangen. Nach eigenen Angaben werden die letzten Ziffern der IP-Adresse einfach abgeschnitten. Was Google mit den ganzen gesammelten Daten tut, weiß nur Google selbst. Da die Mehrheit der Webseiten die Webanalyse mithilfe von Google Analytics durchführt, gibt es keine Möglichkeit, dieser Datenkrake zu entgehen. Wer sich dagegen wehren will, muss JavaScript deaktivieren oder Tools wie NoScript anwenden. Das geht zwar mit allen Browsern recht einfach, dann funktionieren aber auch die meisten Webseiten nicht mehr.
Gegen die Wiedererkennung hilft nur, die auf unserer Festplatte abgelegten Cookies zu löschen. Ausführliche Informationen zum Thema Cookies sind übrigens hier verfügbar. Wie gesagt: Wenn jemand unsere IP-Adresse speichern kann, so kommt er nur unter den gesetzlichen Vorgaben an unsere Identität. Google weiß also nicht, wer hinter den IP-Adressen steckt. Trotzdem hat der US-Konzern sehr viele Möglichkeiten, uns zu belauschen.
Weitere Webtracking Tools
Eine Selbstauskunft online geht
Übrigens. Wer wissen will, wie Google uns einschätzt, kann das hier tun. Umso mehr Angaben wir bei diversen Google-Diensten (YouTube, Gmail, G+ etc.) gemacht haben, umso detaillierter liegen sie vor. So auch Alter, Geschlecht, Sprachen, Interessen etc. Hier ist der Verlauf der letzten Suchanfragen, sofern man bei Google eingeloggt war. Der Standortverlauf ist übrigens hier verfügbar. Dort kann man sehen, von wo die Google-Dienste in Anspruch genommen wurden. Zieht man die Informationen aller Angebote von Google zusammen und wertet sie aus, so kann man sich ein umfangreiches Bild eines jeden Anwenders machen. Das bringt uns direkt zur nächsten Frage.
Wie kann ich mich dagegen wehren?
Die Geister, die ich rief…
Für mich persönlich ist die Anwendung von Ghostery sehr heilsam, weil mir damit immer wieder vor Augen geführt hat, wie viele unterschiedliche Tools gerade versuchen, mich zu überwachen. Bitte keinesfalls die Option Ghostrank aktivieren! Im Anschluss werden diverse Daten an den Hersteller weitergeleitet. Evidon kam deswegen in der Vergangenheit ganz schön in Verruf, weil man die so eingesammelten Daten an die ach so bösen Firmen der Werbewirtschaft verkauft hat. Bei 40 Millionen Nutzern gibt es viel zu vermarkten, selbst wenn nur jeder einhundertste Nutzer den Ghostrank aktiviert haben sollte. Doch keine Sorge, die Weitergabe der eigenen Daten erfolgt nicht automatisch. Wer den Ghost-Rank aus lässt, muss keine Weitergabe des eigenen Nutzungsverhaltens befürchten. Zwar wird immer wieder berichtet, Evidon erhebe angeblich immer nur anonymisierte Daten. Im Privacy Statement des Anbieters ist davon aber leider keine Rede.
Eine mögliche Alternative ist der Privacy Badger vom US-Datenschutzverein Electronic Frontier Foundation. Die Erweiterung befindet sich noch in der Entwicklung und ist bisher für den Mozilla Firefox und Google Chrome erhältlich. Auch der Privacy Badger zeigt oben rechts im Browser ein Symbol an, welches sich je nach Gefahrenstufe in die rote, gelbe oder bei nicht verdächtigen Webseiten in die grüne Farbe verwandelt.
Immunity Zone
Der Pferdefuß? Jede Lösung hat einen Haken, so auch diese. Warum? Weil die Schweizer Betreiber ganz genau erfassen können, wo wir uns im Internet aufgehalten haben. Wer damit leben kann, für den wird es eine gute Sache sein. Wer damit ein Problem hat, muss sich allerdings bewusst machen, dass das gleiche Problem bei allen VPN- und Proxy-Anbietern besteht. So ganz ohne Spuren geht es eben noch nicht. Das ist auch der Grund, warum Terroristen oftmals Internet-Cafés in Anspruch nehmen. In dem Fall müssen sie sich keine Sorgen über ihre Spuren machen.
Kosten und Nachteile
Bildquellen: Magic Mazik, Mike Licht, tonynetone – (CC BY 2.0) & Global Voices Online – (CC BY-SA 2.0)
Video: Wie funktioniert Immunity Zone?
Tarnkappe.info