Eat the pill?
Eat the pill?
Bildquelle: lil artsy, Lizenz

Archetyp: Wir sind ein Symptom, nicht das Problem!

ASNT, der Admin des Darknet-Marktplatzes Archetyp, schreibt, man müsse die Ursachen und nicht die Symptome des Drogenmissbrauchs bekämpfen.

Archetyp ging im Mai vor drei Jahren ans Netz, wir haben uns damals ausführlich mit ASNT, dem Gründer und Programmierer unterhalten. Vor zwei Monaten schloss der große Konkurrent ASAP überraschend, weswegen Archetyp nun zu einem der größten und aktivsten Drogenumschlagplätze im Tor-Netzwerk geworden ist. Man verfügt über fast 40.000 eingetragene Nutzer und rund 500 Anbieter.

Dort sind ausschließlich Drogen erlaubt, nichts sonst. Darunter vor allem Cannabis, verschiedene Stimulanzien, Ecstasy, Opiate, Benzodiazepine, Psychedelika, sonstige verschreibungspflichtige Medikamente, Steroide, Dissoziativa etc. Man bezahlt dort ausschließlich mit dem Kryptocoin Monero.

Archetyp weckt nicht den Wunsch nach Drogen

Der Admin ist sich sicher, dass die Strafverfolgungsbehörden jetzt eine „immense und unverhältnismäßig große Menge an Ressourcen“ bereitstellen werden, um ihn und seinen Marktplatz abzuschalten. In seinem Statement will er den Leserinnen und Lesern ein paar Denkanstöße mit auf den Weg geben. Er sei nicht für die Beschaffung oder Produktion der ganzen gehandelten Drogen verantwortlich.

Auch habe er nichts dafür getan, dass der Bedarf an bewusstseinsveränderden Mitteln anhaltend groß ist. “ Wir sind nicht der Grund dafür, dass die Menschen sich mehr denn je nach Drogen sehnen.“ Er hinterfragt auch: Warum sollten überhaupt Menschen Drogen konsumieren, wenn um uns herum alles großartig wäre? Nicht vergessen dürfe man in diesem Zusammenhang auch die vielen legalen Drogen, für die der Staat jede Menge Steuern kassiert.

Das Problem an der Wurzel anpacken

Archetyp

Die so genannte „Lösung“ der Regierung bestehe darin, „mit enormen Mitteln Jagd auf Händler und Betreiber von Diensten wie dem unseren“ zu machen, statt das Problem bei der Wurzel, also bei den Ursachen, anzupacken. Wie genau dies gelingen könnte, führt der Admin von Archetyp leider nicht aus. Statt Straßenkriminalität oder gewaltsame Auseinandersetzungen rivalisierender Banden gäbe es diese Gewalt aufgrund des Darknets nicht mehr. „Ob Sie es glauben oder nicht, die einzigen Bandenkonflikte, die wir hier haben, sind Kindergartendiskussionen über Bewertungen.“

Trotzdem könne man „die Tatsache nicht ignorieren“, dass es sehr gut möglich wäre, dass Nutzer von Archetyp durch den Handel auf dieser Plattform ihr Leben verloren haben. „Sei es als direkter Kunde und Nutzer oder als Kunde eines Wiederverkäufers der Produkte unserer Plattform im wirklichen Leben. Ich hoffe, dass die Zahl nahe bei Null liegt, und es tut mir aufrichtig leid für jede negative Auswirkung. (…)“ ASNT ist zuversichtlich, dass die Betreiber mit ihrem Online-Angebot sogar einige Menschenleben gerettet haben.

Er geht davon aus, die Nutzer „werden die Medikamente (sowieso) kaufen, mit oder ohne eine digitale Möglichkeit, dies zu tun.“ „Manche müssen hier sogar Produkte als buchstäbliche Medizin kaufen, weil sie es sich auf legalem Weg einfach nicht leisten können.“

Die Busts und harten Urteile blieben ohne Wirkung

ASNT, Archetyp

Der Administrator fordert alle Leser dazu auf, „sich mit dem Kernproblem zu befassen, das Archetyp und alle zukünftigen Märkte irgendwann obsolet machen oder zumindest den Kundenstamm erheblich reduzieren würde.“ Er prangert zudem an, dass enorme Gelder für die Jagd auf Märkte „verschwendet werden, nur damit ein paar Wochen später der nächste auftaucht“. Die Strafverfolgungsbehörden bekämpfen lediglich die Symptome unserer Gesellschaft, nicht die Ursachen der Problematik.

Es habe nichts genutzt, den Silk Road-Admin zur Abschreckung mehrfach zu lebenslanger Haftstrafe zu verurteilen. Auch die ganzen geschlossenen Drogen-Umschlagplätze ändern nichts am stetig wachsenen Bedarf nach Drogen. Statt die Welt zu verändern, geht es den Behörden offenbar darum, mit harten Urteilen ein Exempel zu statuieren und Nachahmer abzuschrecken. Aber zu welchem Preis? Und mit welchem Erfolg?

Vielen geht es nur ums liebe Geld

ASNT von Archetyp glaubt, nicht jeder in der Geschichte der Märkte hatte die gleiche Motivation. „Wenn ich mir all die Ausstiegsbetrügereien ansehe, muss ich zugeben, dass ich fürchte, dass es den meisten ums Geld geht. Es ist nichts Falsches daran, es wegen des Geldes zu tun, und das Geld, das man in diesem Wirtschaftssektor verdienen kann, ist sicherlich recht verlockend. Sie spielen nur das Spiel, als sie in dieses System hineingeboren wurden.

Ich sage das nur ungern, aber auch die Exit-Scam-Betrüger haben ihren Teil dazu beigetragen. Jeder einzelne Markt hat es ihnen wieder und wieder gezeigt: Ihr werdet das nie aufhalten. Niemals.“

ASNT ist sich sicher, selbst wenn man ihn verhaftet, würde er „über Nacht ersetzt werden“. Sogar der gesamte Markt würde in kürzester Zeit „durch den nächsten Kopf der Hydra“ ersetzt werden. Am Ende appelliert er an die Entscheidungsträger in der Politik:

„Bitte, fangen Sie an, an der Ursache zu arbeiten. Wir sind ein Symptom. Wir sind Archetyp.“

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.