Online-Betrug, Dreiecksbetrug
Online-Betrug, Dreiecksbetrug
Bildquelle: Jon Tyson, Lizenz

E-Commerce: Cleverer Dreiecksbetrug greift um sich

Brian Krebs erklärt einen um sich greifenden Dreiecksbetrug bei E-Commerce-Portalen wie Amazon und eBay, bei dem der Täter verschont bleibt.

Der 56-jährige Kanadier Timothy Barker behauptet, man habe ihn fälschlicherweise zum Tatverdächtigen eines Dreiecksbetrugs gemacht. In seinem Fall kauft jemand etwas online bei eBay oder Amazon. Doch der Anbieter besitzt die Ware gar nicht. Stattdessen erwirbt der Verkäufer die Ware bei einem Online-Händler mit gestohlenen Kreditkartendaten. Bei diesem Betrug bezahlt der ahnungslose Käufer den Betrüger und erhält, was er bestellt hat. In den meisten Fällen ist die einzige Partei, die die Transaktion anfechten kann, der Besitzer der gestohlenen Kreditkarte.

Dreiecksbetrug: Waren für Dritten bezahlt mit geklauter Kreditkarte

Der Tatverdächtige Timothy Barker erklärte gegenüber dem Journalisten Brian Krebs, er habe bei einem Verkäufer auf amazon.ca Waren im Gesamtwert von fast 2.000 US-Dollar gekauft und die Bestellung mit seiner Kreditkarte bezahlt. Wenige Tage später schrieb ihn eine wütende Frau aus Ontario an. Sie behauptete, Barker habe ihr Walmart-Konto gehackt und für seinen Einkauf missbraucht. Daraufhin meldete sich bei ihm die kanadische Polizei, die ihn vorladen wollte. Er war abwesend, woraufhin ein Polizist der RCMP bei seiner Wohnung auftauchte, um seine Frau zu befragen.

Am 14. April trafen sechs Kartons ein, um seine Amazon-Bestellung zumindest teilweise zu erfüllen. Die Lieferung von einem weiteren Karton verzögere sich, hieß es. Der amazon.ca-Verkäufer, bei dem er gekauft hatte, sagte, der verbleibende Karton werde voraussichtlich in der folgenden Woche versandt. Die Verpackung war für den Empfänger der Waren verwirrend, weil alle sechs Kartons von Walmart und nicht von Amazon stammten. An einen Dreiecksbetrug dachte der Mann nicht sofort.

Wie funktioniert der Dreiecksbetrug?

In den Kartons hatte man nämlich die von ihm bestellten Produkte eingepackt. Trotzdem enthielten die Kartons die Versandetiketten mit seinem Namen und einer ihm unbekannten Telefonnummer in Mexiko als Kontaktmöglichkeit zum Käufer. Drei Tage später rief der Ermittler erneut an und forderte Barker auf, sich einer Befragung als Tatverdächtiger zu unterziehen.

Dreiecksbetrug
Der Käufer bezahlt den Kriminellen, der die Ware woanders bestellt und mit einer geklauten Kreditkarte bezahlt.

Barker wird misstrauisch, als der Polizist am Telefon nach den Daten seiner Frau fragte. Doch noch bevor er mit seinem Anwalt darüber sprechen konnte, tauchte der RCMP-Ermittler bei ihm daheim auf. Der Polizist machte Fotos von den Kartons seiner Amazon-Bestellung. Er beschuldigte ihn, Barker habe die Produkte auf Kosten einer fremden Person in Ontario eingekauft, deren Walmart-Kundenkarte er dafür gehackt habe.

Die Vorlage der Kreditkartenabrechnungen und der Kaufhistorie bei Amazon.ca nützten ihm nichts. Der Polizist kündigte ihm an, dass man ihn verhaften wolle. Barker glaubt, dass sowohl er als auch die Frau aus Ontario Opfer eines Dreiecksbetrugs sind. Mit ziemlicher Sicherheit hat jemand das Walmart-Konto der Frau aus Ontario gehackt oder per Phishing übernommen. Aufgrund der Verhaftung verlor der Mann seinen Arbeitsplatz. Er gilt in Kanada als vorbestraft und wird mit dieser Eintragung keine neue Stelle finden.

Freud, Fraud

Opfer & Polizei glauben nicht, dass der Empfänger der Waren unschuldig ist.

Die vom Dreiecksbetrug betroffene Frau glaubt nicht an die Unschuld des Empfängers der Waren. „Das Einzige, was Herr Barker getan hat, war, den Artikel an seine Adresse in Alberta liefern zu lassen„. Schon, dafür hatte er aber auch ganz regulär bezahlt. Warum sollte der Tatverdächtige den Hack und anschließenden Betrug so offensichtlich gestalten? Warum sollte er es der Polizei so einfach machen, indem die Waren zu sich nach Hause liefern lässt? Zu seiner Verteidigung konnte er nur angeben, wer ihm die Pakete geschickt hat. Es war ein junger Computertechnik-Student und „SEO-Experte“ aus Adana in der Türkei, der auf Anfragen nicht reagieren wollte.

Amazon.ca gab als Antwort zurück, der türkische Verkäufer verfüge über eine sehr gute Bewertung. Auch liege ihnen keine Beschwerde bezüglich der Lieferung der Waren vor. Barker sagte, als er letztes Jahr eine Beschwerde bei Amazon einreichen wollte, konnte er das Adavio-Konto auf der Website nicht mehr finden. Außerdem fand er keine passende Kategorie für die Art der Mitteilung, die er einreichen wollte.

Polizei pausiert Ermittlungen bis auf weiteres

Die Polizei hat das Verfahren ausgesetzt aber nicht eingestellt. Das heißt, die Royal Canadian Mounted Police kann das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen. Auch sein negativer Eintrag bleibt dauerhaft bestehen, weswegen er weiterhin keinen neuen Job erhalten wird. Für die Eintragung ist schon der Verdacht und keine rechtmäßige Verurteilung eine gültige Grundlage.

Triangulationsbetrug mit unterschiedlichen Vorgehensweisen ist keine neue Angelegenheit. Schon vor rund 10 Jahren wurden die ersten Betrugsfälle mit diesem Muster bekannt. Die kanadischen Behörden sollten Herrn Barker entweder vor Gericht beweisen, dass er schuldig ist. Oder aber man sollte die Anklage nicht pausieren, sondern ganz fallen lassen. Anderenfalls wird er keine Chance haben, wieder ein normales Leben aufnehmen zu können.

Die Ermittler hätten sich auch mehr Mühe geben können, die Beweise des Opfers zu prüfen. Wer auch immer für Timothy Barker die Gegenstände bei Walmart bestellt hat, musste dabei irgendwelche Spuren hinterlassen, die mit denen des Kanadiers sicher nichts gemeinsam haben.

Update: Uns teilten Dritte mit, eine Vorstrafe gebe es in Kanada nur nach erfolgter Verurteilung, was in diesem Fall nicht geschehen ist. Außerdem hat man nach fünf Jahren die Möglichkeit, dies wieder gegen Bezahlung einer Gebühr löschen zu lassen.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.