Amazon, Überwachung, Rekognition
Amazon, Überwachung, Rekognition

Rekognition von Amazon: Überwachungstechnik für die US-Polizei?

Ein Gesicht unter Millionen wiedererkennen - so wirbt Amazon für seine Gesichtserkennung Rekognition. Die Software gilt als sehr gefährlich.

Mit dem Slogan: „Ein Gesicht unter Millionen wiedererkennen“ wirbt Amazon für seine Gesichtserkennung Rekognition. US-Bürgerrechtler sehen hingegen eine Gefahr für die Demokratie, vor allem deshalb, weil auch die Polizei die Software nutze. Rekognition ist eine Entwicklung der Firma Orbeus, die seit 2016 Amazon gehört.

Präzise Überwachung oder Verbrechensprävention?

Das, was Amazon selbst als Vorteil der Gesichtserkennungssoftware Rekognition anpreist, wie eine „zeitnahe und präzise Verbrechensprävention“, gerät zunehmend unter Kritik. Gleich mehrere US-Bürgerrechtsorganisationen befürchten, dass mit Hilfe des Programms eine Art Überwachungsstaat aufgebaut werden könnte.

So hat Amazon bereits eingeräumt, dass die Software bereits in „mindestens einem Polizeibüro“ getestet wurde. Laut dem Unternehmen hätte dabei die Zeit, in der Verdächtige identifiziert werden konnten, von mehreren Tagen auf ein paar Minuten gesenkt werden können: „Unsere Lebensqualität wäre heute viel niedriger, wenn wir neue Technologie verbieten würden, weil einige Leute sie missbrauchen könnten“, verteidigt der Konzern seine Software. Zudem würden auch andere Internetunternehmen Behörden ähnliche Erkennungsprogramme zur Verfügung stellen.

Testläufe in Oregon und Orlando

Als Vorreiter des Einsatzes von Rekognition gelten das Sheriffbüro in Oregon und die Stadt Orlando. „Orlando ist eine Smart City. Es gibt Kameras überall in der Stadt“, informiert Ranju Das, der bei Amazon die Rekognition-Sparte leitet, „Die autorisierten Kameras streamen [an Amazon]. Wir analysieren die Daten in Echtzeit. Wir gleichen mit der Bildersammlung ab, die [Orlando] hat. Das könnte der Bürgermeister sein, oder [andere] Personen von Interesse, die sie verfolgen wollen.“ Selbst in großen Menschenansammlungen wäre die Amazon-Cloud in der Lage, hundert Personen auf einmal erkennen zu können und die Bilder dann mit einer hinterlegten Datenbank abzugleichen.

Rekognition gleicht Aufnahmen mit 300.000 Tatverdächtigen ab

Die Software soll bereits einen Abgleich mit 300.000 Bildern Tatverdächtiger (sogenannte Mugshots) vorgenommen haben. Die Zuordnung kann man auch über eine mobile Handy-App vornehmen. Die Erkennungsfähigkeiten sollen dank maschinellem Lernen mit der Zeit immer besser werden. Wozu die Behörden Rekognition konkret einsetzen, hält man weitgehend geheim. Als Argument dient eine gegenüber Amazon eingegangene Schweigeverpflichtung (NDA).

Allerdings stellt der Internetkonzern im Werben für seine Gesichtserkennung nicht die mögliche Nutzung durch Behörden in den Vordergrund. In erster Linie propagiert er, dass Rekognition die Chance der „Gesichtserkennung in Echtzeit über mehrere zehn Millionen Gesichter biete sowie die Suche von bis zu 100 Gesichtern in anspruchsvollen, überfüllten Fotos“. Auch Objekte, wie Fahrzeuge, könnte Rekognition auf Bildern wiedererkennen.

So wäre das Programm beispielsweise in der Lage, nach vermissten Personen zu suchen. Gemäß einem Bericht von The Verge nutzte unlängst ein TV-Sender Rekognition, um die Gäste der live übertragenen royalen Hochzeit vergangene Woche zu identifizieren. Zudem will Amazon als Kunden auch private Arbeitgeber gewinnen, die ihre Mitarbeiter auf dem Werksgelände in Echtzeit überwachen wollen. Zu den ersten öffentlichen Rekognition-Kunden gehört übrigens auch Motorola Solutions, ein Anbieter von Körperkameras.

Amazon vermarktet neues System bei Strafverfolgungsbehörden

Eine ACLU-Untersuchung (American Civil Liberties Union) hatte ergeben, dass Amazon sein Gesichtserkennungsprogramm verschiedenen Strafverfolgungsbehörden in den USA zur Verfügung gestellt hat. Die Organisation veröffentlichte Schreiben zwischen Amazon und Polizeibehörden in Florida, Arizona und anderen US-Staaten. Gerade diese Einsatzgebiete von Rekognition sehen viele Bürgerrechtsorganisationen unter einem völlig anderen Blickwinkel als Amazon selbst.

So wird der Vorwurf von Organisation ACLU erhoben, dass die Polizeibehörden in mehreren US-Bundesstaaten die Gesichtserkennung aktuell bereits nutzen würden. Mit Hilfe des Programms werde der Polizei die Möglichkeit gegeben, Einwanderer gezielt und dauerhaft zu verfolgen oder Teilnehmer einer Demonstration zu identifizieren. Amazons Gesichtserkennung Rekognition ermöglicht, ganze Städte in Echtzeit zu überwachen. Aus Sicht der Bürgerrechtler ist das ein klarer Verstoß gegen bestehende Grundrechte, wie den Schutz der Privatsphäre oder das Versammlungsrecht. Die Bürgerrechtsorganisationen haben Amazon dazu aufgefordert, seine Gesichtserkennungstechnologie nicht mehr den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

30 Organisationen protestieren gegen den Einsatz von Rekognition

Mehr als 30 Organisationen, wie Human Rights Watch, haben nun einen offenen Brief an Amazon-Chef Jeff Bezos unterzeichnet. In dem Schreiben warnt die kalifornische ACLU-Vertreterin Nicole Ozer, die Anleitungen zu der Software glichen einer „Gebrauchsanweisung für autoritäre Überwachung“ und „Rekognition“ sei regelrecht auf den „Missbrauch durch die Regierung angelegt“. „Wenn ein gefährliches Überwachungssystem wie dieses erst einmal gegen die Öffentlichkeit gerichtet ist, kann der Schaden nicht ungeschehen gemacht werden.“ Zudem hat ACLU eine Petition im Netz gestartet, um die Nutzung von Rekognition durch Behörden zu stoppen.

Bildquelle: OliverKepka, thx! (CC0 Public Domain)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.