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Hamburger Polizei missbrauchte Corona-Gästeliste zur Strafverfolgung

Zur Aufklärung einer Straftat telefonierten Hamburger Polizisten alle Personen durch, die sich in einer Corona-Gästeliste eingetragen haben.

Auf der Suche nach Zeugenaussagen telefonierten Mitarbeiter der Hamburger Davidwache alle Personen durch, die das vegane Asia-Restaurant Loving Hut zur Tatzeit besucht haben. Sie sollten den Polizisten bei der Aufklärung einer Straftat helfen. Eigentlich dient die Corona-Gästeliste ausschließlich zur Eindämmung von Infektionen mit dem Covid-19-Virus.

Corona-Gästelisten zur Aufklärung von Straftaten?

Vergangenen Donnerstag erhielt Rechtsanwalt Phillip Hofmann einen Anruf aus der Hamburger Davidwache. Ein Mann hatte Gäste im veganen Restaurant „Loving Hut“ mit einem Teppichmesser bedroht. Kurze Zeit später wurde der Verdächtige festgenommen. Er sitzt jetzt in U-Haft.

Die Polizei machte sich die Corona-Gästeliste des Asia-Restaurants zunutze, indem man nach dem Vorfall mehrere Anwesende angerufen hat, um die Aufklärung zu beschleunigen. Eigentlich dient die Liste ausschließlich zum Zweck der Verfolgung von Corona-Infektionsketten. Doch wo Daten festgehalten werden, entstehen stets auch Begehrlichkeiten, diese anderweitig zu nutzen.

Keine Zeit für die Schriftform?

RA Hofmann schrieb auf Twitter, seine Bitte, die Anfrage schriftlich an ihn zu richten, habe man abgelehnt. Am Telefon erhielt er zur Antwort, dies würde „zu lange dauern“. Er hinterfragt, inwieweit Beweismittel, die möglicherweise unter Verstoß gegen das Datenschutzrecht erlangt wurden, überhaupt in einem Prozess verwertet werden dürfen.

Mit gesundem Menschenverstand gehandelt?

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, Prof. Dr. Johannes Caspar, gab gegenüber Golem.de bekannt, eine derart gelagerte zweckändernde Nutzung der Daten könne legitim sein. Jedoch sollten die Behörden „äußert zurückhaltend von derartigen Zweckänderungen Gebrauch“ machen, wie er rät. Die Hamburger Behörde verteidigt das eigene Vorgehen. Man glaubt, man habe mit gesundem Menschenverstand gehandelt, als man die Corona-Gästeliste zur Aufklärung genutzt hat.

Schließlich sei man dazu verpflichtet, Zeugen zur Aufklärung von Straftaten zu suchen. Auf Basis der Strafprozessordnung dürfe die Polizei derartige Informationen erfragen, die wie in diesem Fall zu ganz anderen Zwecken erhoben wurden. Dies sei zur Aufklärung von Straftaten laut der Hamburger Staatsanwaltschaft sogar „zwingend notwendig“, gab man der taz zur Antwort.

Die besten Daten sind keine (?)

Fest steht. Dieses Vorgehen dürfte wohl kaum dafür sorgen, dass innerhalb der Bevölkerung die Bereitschaft ansteigt, sich mit den echten Kontaktdaten in solche Listen einzutragen. Dazu kommt: Nach stichprobenartigen Tests der Hamburger Datenschutzbehörde waren mindestens ein Drittel aller Corona-Gästelisten nicht datenschutzkonform, weil sich die Besucher in eine für alle offen einsehbare Liste eintragen mussten. Die Betreiber wollten wohl den zusätzlichen Aufwand vermeiden, für jeden Tisch einen eigenen Zettel zu verwenden.

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Fazit zum Thema Corona-Gästeliste

Sollte das Vorgehen der Davidwache Schule machen, wird es bei Infektionen schwierig Kontaktlisten auszuwerten, wo sich Personen vermehrt als Lieschen Müller, Mona Lisa, Arno Nymous oder John Doe eingetragen haben. Das wäre mehr als kontraproduktiv.

Was meint ihr, die besten Daten sind keine? Oder haltet ihr das Vorgehen der Polizei für gerechtfertigt?

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.