Polizisten nutzen Corona-Gästelisten bisher für ihre Ermittlungen . Eine gesetzliche Vorschrift zur Zweckänderung fehlt jedoch aktuell.
Seit im Mai die Restaurants wieder geöffnet haben, sind infolge der Corona-Pandemie noch strenge Hygiene-Auflagen einzuhalten. Das beinhaltet auch ein Ausfüllen von Kontaktdaten für die Gäste. Man will dadurch mögliche Infektionsketten bei Corona-Fällen nachweisen können. Aktuell greifen aber auch Polizeibeamte auf die Listen zur Ermittlung von Straftaten zu.
Eingangs stellte man klar, die Registrierung diene ausschließlich dazu, damit bei einem Corona-Fall die Gesundheitsbehörde auf diese Daten zurückgreifen könne. Darauf verwies Thomas Geppert, Leiter des Gaststättenverband Dehoga. Da sich allerdings auch Ermittler an dieser Daten-Liste bedienen, fordert nun der Gaststättenverband Dehoga eine klare Linie sowie eine bundesweit einheitliche Regelung bezüglich der Datennutzung. Bisher handhabt das jedes Bundesland idividuell und verschieden.
Bekannt ist ein Zugriff auf die Gästelisten durch die Landespolizeibehörden von Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz. Aber auch das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen hat inzwischen bestätigt, dass die Polizei Gästedaten auswerten darf. Während in NRW bereits ein Ermittlungsverfahren für den Anspruch auf Dateneinsicht ausreicht, verweist das Bayerischen Innenministerium auf Ausnahmefälle bei schweren Verbrechen, wie Mord oder Totschlag.
Gesetzliche Nachbesserungen sind dringend erforderlich
Thomas Petri, bayerischer Landesbeauftragter für Datenschutz, sieht das Kernproblem der Datennutzung in zwei unterschiedlichen Festlegungen. Einerseits legt die Verordnung für Corona Infektionsschutzmaßnahmen fest, dass eine Datenweitergabe nicht an andere Behörden als die Gesundheitsämter erfolgen darf. Andererseits steht das im Widerspruch zum Strafgesetz.
„Die Regelung ist etwas unglücklich, weil wir im Prinzip zwei scheinbar widersprechende Regelungslagen haben. Der Staat, die rechte Hand, verfügt das eine und der Staat, die linke Hand, verlangt etwas anderes. Und das erzeugt ein Spannungsverhältnis, was man am besten durch ein Bundesgesetz auflösen würde.“
Corona-Gästelisten verdienen als neue Form der Vorratsdatenspeicherung besonderen Schutz
Auch im Verfassungsblog stellen die Autoren Hartmut Aden, Jan Fährmann und Clemens Arzt fest, dass bisher keinerlei gesetzliche Richlinie für einen solchen Fall vorhanden ist. Sie kommen zu dem Schluss, es handle sich bei der Sammlung der Gästedaten um eine neue Form der Vorratsdatenspeicherung. Gerade in Bezug darauf ist „eine Verwendung der Daten zu anderen Zwecken (Zweckänderung) gesetzlich eindeutig zu regeln. […] Es ist aber offensichtlich, dass eine Verwendung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr jenseits des Infektionsschutzes nicht geregelt wurde und auch nicht aus dem IfSG folgt. Eine hinreichend präzise gesetzliche Vorschrift zur Zweckänderung fehlt damit. Bei jeder Zweckänderung personenbezogener Daten handelt es sich jenseits der Erhebung um einen weiteren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Daher bedarf es hierfür einer gesetzlichen Grundlage.“
Aktuell lasse die Gesetzeslage keine Verwendung der Corona-Gästelisten zur Strafverfolgung zu. Allerdings „könnte eine eng begrenzte gesetzliche Ausnahme vorgesehen werden, die aber hinreichend bestimmt und abgrenzungsscharf eine eindeutige Regelung enthält, unter welchen engen Voraussetzungen eine Zweckänderung zugunsten der Strafverfolgung im Einzelfall zulässig ist.“ Unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 21.12.2016 (C-203/15, C-698/15), fordern die Autoren eine Zugangsbeschränkung dieser Daten vom Gesetzgeber auf das absolut Notwendige für die Strafverfolgung „ausschließlich auf die Zwecke einer Bekämpfung schwerer Straftaten“.
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