Amazon-Ring Türklingel
Amazon-Ring Türklingel
Bildquelle: brandonkleinvideo, Lizenz

Amazon: Ring übermittelt Polizei Videos ohne User-Zustimmung

Amazon hat mit der US-Polizei nach einer „Notfall“-Anfrage elfmal Ring-Videos allein in diesem Jahr geteilt. Dies deckte ein US-Senator auf.

Als Antwort auf eine offizielle Anfrage von Senator Ed Markey erklärte Amazon, dass es der US-Polizei allein in den letzten sieben Monaten 11 Mal Videomaterial zur Verfügung gestellt habe. Brisant daran ist allerdings, dass dies ohne das Wissen oder die Zustimmung der User und zudem ohne richterliche Anordnung geschah. Das Tochterunternehmen von Amazon, Ring, soll damit auf eine Notfallanfrage reagiert haben.

Amazon: Datenweitergabe erfolgte auf Notfallanfrage

Auf eine Anfrage von Senator Ed Markey, einem Demokraten aus Massachusetts, antwortete Amazon in einem Schreiben vom 1. Juli, dass es im Jahr 2022 elf Mal private Aufnahmen an die Polizei übergeben habe. Das Unternehmen gab an, es sei damit einer „Notfallanfrage“ nachgekommen. Diese Notfälle liegen dann vor, wenn eine unmittelbare Gefahr des Todes oder eine schwere Körperverletzung einer Person besteht. Genau dann behält sich Ring das Recht vor, die Aufnahmen auch bei fehlender richterlicher Anordnung oder nichtvorliegender User-Erlaubnis mit der Polizei zu teilen.

Bekanntheit erlangte Ring vor allem durch seine smarte Türklingel Ring Video Doorbell, als erstes Unternehmensprodukt. Mit dieser können Hausbesitzer ihre Vorder-, Rück- und Garagentore fernüberwachen. Inzwischen gibt es noch mehr Produkte wie die vier smarten Türklingeln. Seit der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2017 hat das Unternehmen zudem noch zwei Sicherheitskameras, Floodlight Cam und Spotlight Cam, im Sortiment, die der Einbruchsprävention dienen.

Obwohl Amazon eine Richtlinie dafür hat, dass die Polizei im Allgemeinen keine Aufnahmen ohne Zustimmung der Eigentümer einsehen darf, kann diese Sicherheitsvorkehrung durch Gerichtsbeschlüsse und Notfallanfragen außer Kraft gesetzt werden. Was genau eine Notfallanfrage darstellt, bleibt allerdings Ring selbst überlassen. Seine Politik bestehe nach eigenen Angaben darin, alle Hilfsersuchen der Polizei zu prüfen und dann „nach Treu und Glauben festzustellen, ob das Ersuchen dem bekannten Standard entspricht, der auf Bundesgesetzen basiert“.

Bedenken betreffen Geräte-Verwendung als Eingriffe in die Privatsphäre

Für Senator Ed Markey bedeutet diese Praxis eine nicht hinnehmbare Entwicklung:

„Wie meine laufende Untersuchung von Amazon zeigt, ist es für die Öffentlichkeit immer schwieriger geworden, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, zu versammeln und zu unterhalten, ohne verfolgt und aufgezeichnet zu werden. Wir können dies in unserem Land nicht als unvermeidlich akzeptieren. Die zunehmende Abhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden von privater Überwachung führt zu einer Krise der Rechenschaftspflicht, und ich bin besonders besorgt darüber, dass die biometrische Überwachung zu einem zentralen Bestandteil des wachsenden Netzes von Überwachungssystemen werden könnte. Amazon und andere mächtige Technologieunternehmen sind verantwortlich dafür.“

Senator Ed Markey führte ergänzend gegenüber The Intercept aus:

„Diese Enthüllung ist besonders besorgniserregend, da das Unternehmen zuvor zugegeben hat, dass es keine Richtlinien gibt, die einschränken, wie die Strafverfolgungsbehörden das Filmmaterial von Ring-Benutzern verwenden können. Es gibt zudem keine Datenschutzanforderungen für Strafverfolgungsbehörden, die über das Filmmaterial von Benutzern verfügen. Ferner fehlen Richtlinien, die Strafverfolgungsbehörden verbieten, das Filmmaterial von Ring-Nutzern für immer aufzubewahren.“

Gegenüber CNN stellte ein Ring-Sprecher verteidigend dar,

„Unternehmen wie Ring sind dazu ermächtigt, Informationen an staatliche Stellen weiterzugeben, wenn das Unternehmen der Meinung ist, dass ein Notfall, bei dem die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung einer Person besteht, wie z. B. eine Entführung oder ein Mordversuch, eine unverzügliche Weitergabe erfordert. Ring wendet diese Rechtsnorm gewissenhaft an. Es ist einfach nicht wahr, dass Ring irgendjemandem uneingeschränkten Zugang zu Kundendaten oder -videos gewährt, wie wir unseren Kunden und anderen gegenüber wiederholt klargestellt haben.“

Auch Datenschutzexperten sind wegen dieser Praxis schon lange alarmiert. Bedenken bestehen dahingehend, dass die „Türklingeln Audio und Video weit über die Haustür der Benutzer hinaus erfassen. Der Zugang der Polizei zu diesem Netzwerk könnte das Überwachungsnetzwerk der Strafverfolgungsbehörden massiv erweitern“. Darauf wies The Hill hin.

Auch Matthew Guariglia, Policy Analyst bei der Electronic Frontier Foundation, teilt seine Besorgnis mit:

„Es wird immer Situationen geben, in denen es für die öffentliche Sicherheit sinnvoll sein könnte, einen Teil der üblichen Infrastrukturen zu umgehen und sehr schnell an Bildmaterial zu gelangen. Aber das Problem ist, dass die Leute, die entscheiden, was dringende Umstände und die Art des Notfalls sind, all diese sehr wichtigen Sicherheitsvorkehrungen, sind Ring und die Polizei, die beide, soweit ich weiß, keinen guten Ruf haben, wenn es darum geht, zu entscheiden, wann es angemessen ist, die Daten einer Person zu erfassen.“

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.